LSR-Anhörung: Wer sagt was?

Das Leistungsschutzrecht sieht vor, dass Presseverlegern das ausschließliche Recht zugestanden wird, ihre Presseerzeugnisse oder Teile davon zu gewerblichen Zwecken im Internet zugänglich zu machen. Verlage sollen von Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren Geld dafür verlangen können, wenn diese ihre Artikel mit Überschrift und einem Mini-Textauszug (‚Snippet‘) verlinken. In einer Anhörung des Rechtsausschusses kommen am Mittwoch (30. Januar) ab 16 Uhr zahlreiche Sachverständige zu Wort, ihre Stellungnahmen sind bereits online.
Christoph Keese: „Marktfähigkeit journalistischer Produkte erhalten”
Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs Axel Springer AG, trägt Argumente für das Leistungsschutzrecht zusammen: Es sei ein erster Schritt, um die Marktfähigkeit journalistischer Produkte im Internet zu erhalten. Es habe einen vergleichsweise geringen Schutzumfang und sei auf Suchmaschinen und Aggregatoren beschränkt. Die Begründung des Regierungsentwurfs stellt laut Keese klar, „dass auch Blogger in den Genuss des Leistungsschutzrechts kommen können, soweit ihre Leistungen als ,überwiegend verlagstypisch’ anzusehen sind”.
Wirtschaftlich gesehen seien Presseverlage mit Tonträgerherstellern, Filmherstellern und Sendeunternehmen vergleichbar, die über eigene Leistungsschutzrechte verfügen. Das Leistungsschutzrecht verbessere die Rechtsposition der Verleger gegenüber News-Aggregatoren. Presseverleger erhielten erstmals die Möglichkeit über das Ob und Wie einer Nutzung durch News-Aggregatoren mitentscheiden zu können. Auf die vieldiskutierte robots.txt geht Keese nicht konkret ein und streift nur kurz „technische Zugangsbeschränkungen”. Schon heute können Verlage die Listung ihrer Artikel mit einem entsprechenden robots.txt bei Suchmaschinen wie Google verhindern.
Keese spricht sich auch dagegen aus, dass Verlage ihre Ansprüche aus dem Leistungsschutzrecht zwingend über eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen müssen. Das hatte unter anderem der Leistungsschutz-Befürworter Günther Krings (CDU) gefordert. „Den Presseverlegern wäre damit die Möglichkeit genommen, ihre Presseerzeugnissen Verwertern zu individuellen Marktbedingungen anzubieten”, so Keese.
Jürgen Ensthaler: „Ein praktikables Gesetz“
Auch der Urheberrechtler Jürgen Ensthaler (Technische Universität Berlin) verteidigt das Leistungsschutzrecht gegen Kritik. Es kollidiere nicht mit dem Urheberrecht und füge sich ohne Zweifel in das System der bestehenden Leistungsschutzrechte ein. Seine Regelungen seien hinreichend transparent formuliert. Es rücke nicht in die Nähe eines „Einzelfallgesetzes“ zu Lasten der großen Suchmaschinenbetreiber. „Dieses neue Leistungsschutzrecht ordnet die Leistung dem zu, der sie geschaffen/finanziert hat und zwar so, dass das berechtigte Interesse der Allgemeinheit am freien Zugang zu Informationen nicht beeinträchtigt wird.“
Schließlich widerspricht der ehemalige Richter Ensthaler der Einschätzung des Sachverständigen Gerald Spindler (Universität Göttingen), wonach der Gesetzesentwurf einhellig von deutschen Urheberrechtlern abgelehnt werde. „Ich bin als Wissenschaftler (…) der Ansicht, dass die meisten der wissenschaftlich mit dem Urheberrecht befassten Kollegen diesem Entwurf nicht ablehnend gegenüberstehen.“ Er vertrete diese Ansicht, weil er von den meisten Bearbeitern der großen Kommentare zum Urheberechtsgesetz nichts Gegenteiliges gehört bzw. gelesen habe.
Rolf Schwartmann: „Ordnungspolitische Wertentscheidung“
Der Urheberrechtler Rolf Schwartmann, (Kölner Forschungsstelle für Medienrecht) argumentiert, das bisherige Fehlen eines Leistungsschutzrecht für Presseverlage sei systemwidrig. „Der Gesetzgeber trifft mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger eine Wertentscheidung, wonach die verlegerische Leistung anerkannt und ihr Vermögenswert einem Rechtsträger zugeordnet wird.“. Der freie Informationsfluss werde durch das Leistungsschutzrecht nicht eingeschränkt.
Das Argument, Verlage könnten schon heute eine Anzeige ihrer Snippets in Suchmaschinen unterbinden (robots.txt), läuft laut Schwartmann leer. „Denn Artikel können mit speziellen Crawlern oder auch händisch trotzdem verlinkt werden, ohne dass dies rechtlich untersagt werden könnte.“ Ein möglicher technischer Schutz ersetze also nicht das Erfordernis eines rechtlichen Schutzes.
Benno Pöppelmann: Hälfte der Einnahmen, Leistungsschutz für alle Verlage
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) befürwortet laut einer „Klarstellung” von Justiziar Benno H. Pöppelmann „im Kern nicht” die Einführung des Leistungsschutzrechtes, sondern setzt sich „innerhalb” des laufenden Gesetzgebungsverfahrens dafür ein, dass Urheber gerecht beteiligt werden, wenn das Leistungsschutzrecht eingeführt wird.
Insbesondere soll der Gesetzgeber laut DJV sicherstellen, dass journalistische Arbeit durch ein solches Leistungsschutzrecht nicht beeinträchtigt werden kann, die Interessen der Journalisten als Urheber gewahrt und sie zur Hälfte an eventuellen Einnahmen beteiligt werden. Das Leistungsschutzrecht soll nach den Vorstellungen des DJV nicht auf die Online-Nutzung beschränkt bleiben, sondern auch die Vervielfältigung umfassen und für alle Verleger – also nicht nur Presseverleger – gelten. Eine Verwertungsgesellschaft sei zwingend erforderlich, die Schutzdauer sollte 15 Jahre statt nur einem betragen.
Till Kreutzer: „Massive Kollateralschäden“
Der Urheberrechtler Till Kreutzer (iRights.info) trägt vier Argumente gegen das Leistungsschutzrecht vor. Es sei weder notwendig noch gerechtfertigt, werde niemandem nützen, aber massive Kollateralschäden nach sich ziehen. Negative Konsequenzen hätten vor allem die kleineren Marktteilnehmer – sowohl auf Seiten der Verlage als auch der Informationsdienstleister – zu befürchten. „Dagegen würde die Marktmacht der großen Internetkonzerne (allem voran Google) und Großverlage (v. a. der Axel Springer Verlag) erheblich gestärkt.” Neue Informationsdienstleister auf dem Markt dagegen würden behindert; insbesondere dann, wenn die Rechte nicht über eine Verwertungsgesellschaft verwaltet würden. Kreutzer fordert außerdem eine „ernsthafte Konsultation der beteiligten Kreise” und eine vertiefte Rechtsfolgenabschätzung.
Ralf Dewenter: „Schädlich für den Medienstandort Deutschland“
Der Wirtschaftswissenschaftler Ralf Dewenter (Heinrich-Heide-Universität Düsseldorf / Düsseldorf Institute for Competition Economics) kommt in seiner Stellungnahme zu dem Schluss, das Leistungsschutzrecht sei aus ökonomischer Sicht weder notwendig noch sinnvoll. Es sei mehr als zweifelhaft, ob die beabsichtigten Folgen wie die Stärkung der Verlage und die Sicherung der Medienvielfalt tatsächlich eintreten würden.
Ein deutsches Leistungsschutzrecht hat laut Dewenter keine Wirkung auf das Ausland und könnte damit komplett umgangen werden. Es würde erhebliche Kosten verursachen, ohne dass diesen ein wesentlicher volkswirtschaftlicher Nutzen entgegenstünde. Es würde Innovationsanreize reduzieren und sei schädlich für den Medienstandort Deutschland. Auch sei es nicht notwendig, um Presseinhalte vor der widerrechtlichen Nutzung und Verwertung im Netz zu schützen.
Thomas Stadler: „Kaum auflösbare Ungereimtheiten“
Thomas Stadler, Fachanwalt für IT-Recht, äußert europarechtliche, völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Leistungsschutzrecht. Der Gesetzesentwurf weise außerdem eine Reihe von juristisch kaum auflösbaren Wertungswidersprüchen und Ungereimtheiten auf. Auch wirtschaftspolitisch erscheine das Vorhaben nicht sinnvoll und zu einseitig nur auf die wirtschaftlichen Interessen der Verlage zugeschnitten. Bedenken äußert Stadler über mögliche Auswirkungen des Gesetzes auf die Informationsfreiheit: „Durch das Gesetzesvorhaben wird zudem auch die Möglichkeit der Linksetzung und Auffindbarkeit von Inhalten im Internet erschwert.“
Gerald Spindler: „Verfassungsrechtlich bedenklich“
Der Medien- und Urheberrechtler Gerald Spindler (Georg-August-Universität Göttingen) hat deutliche Einwände gegen das Leistungsschutzrecht. Der Gesetzesentwurf werde „einhellig von deutschen Urheberrechtlern zu Recht abgelehnt”. Anders als Ensthaler kritisiert Spindler, das Leistungsschutzrecht sei innerhalb des Urheberrechts systemwidrig, wenn es nur für eine bestimmte Veröffentlichungsform (Internet) und nur für bestimmte Nutzer (Suchmaschinen und verwandte Dienste) gilt. Es rücke gefährlich nahe zu einem einzelfallbezogenen Gesetz, das verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Auch benachteilige das neue Recht Urheber gegenüber Verlegern. Prinzipiell sieht Spindler keine Erfordernis für das Leistungsschutzrecht.
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