Kunstverkauf und Urheberrecht: Was bleibt bei der Urheberin, was geht zum Käufer?
Verkauft eine Malerin ein Werk an einen Kunstliebhaber, so erwirbt dieser mit der Übertragung das Eigentum am physischen Kunstwerk. Darüber hinaus gilt es, die Ebene des Urheberrechts zu beachten: Die besonderen Regelungen des Urheberrechts stellen sicher, dass die kreativen Rechte und die Verbindung zwischen dem Werk und ihrer Schöpferin bewahrt bleiben – unabhängig davon, wem das physische Werk gehört. So soll es der Urheberin weiterhin möglich bleiben, das eigene Werk vor Veränderungen, Zerstörung oder einer ungewollten Nutzung, welche möglicherweise die Grundauffassung des Werkes verändern kann, zu schützen. Diesen Rechten der Urheberin stehen die Rechte des Eigentümers gegenüber.
Nutzung des Werks
Mit dem Verkauf eines Kunstwerks erhält der Erwerber nicht automatisch alle Nutzungsrechte. Nach § 44 UrhG verbleiben die Nutzungsrechte, wie zum Beispiel das Recht zur Vervielfältigung, bei der Urheberin, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren.
Es gibt jedoch gesetzliche Sonderbestimmungen. Dem Erwerber ist es aufgrund seiner Eigentumsrechte gestattet, ein Werk der bildenden Kunst (Gemälde) oder Lichtbildwerk (Fotografie) öffentlich auszustellen, d.h. zum Beispiel ein Gemälde oder eine Fotografie an ein Museum zu verleihen. Zudem ist es dem Erwerber gestattet, das Werk ohne Zustimmung der Urheberin weiterzuverkaufen (sog. „Erschöpfungsgrundsatz“).
Nicht gestattet ist hingegen, Vervielfältigungsstücke des Werkes über den Privatgebrauch hinaus anzufertigen und diese zu verkaufen. Vervielfältigen bedeutet in diesem Zusammenhang das Duplizieren eines Werks. Auch einfache Kopien eines Originals stellen Vervielfältigungen dar. Trotz Ausstellungsberechtigung hat der Erwerber beispielsweise nicht die Befugnis, Drucke für Postkarten für den Museumsshop zu erstellen und zu verkaufen. Eine solche Nutzung ist von der Zustimmung der Urheberin abhängig.
Erwerbern wird daher empfohlen, eine Rechtevereinbarung über die (ausschließliche) Nutzung des Werks zu treffen, um Nutzungseinschränkungen zu vermeiden. Auch die Urheberin kann von der Nutzung ausgeschlossen werden.
Einwirkungen auf das Werk
Das Eigentumsrecht gestattet dem Eigentümer, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren. Hierunter fällt grundsätzlich auch die Möglichkeit, eigene Sachen zu verändern und zu zerstören. Auf der anderen Seite kann die Urheberin nach § 14 UrhG eine „Entstellung“ ihres Werks verbieten. Gerichte in Deutschland mussten sich mehrfach mit diesen kollidierenden Rechten auseinandersetzen.
Im Jahr 2019 befasste sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall „Mannheimer Loch“. In diesem zerstörte die Kunsthalle Mannheim die Raumgestaltung einer Künstlerin durch Umbauten. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Zerstörung eines Werks eine Entstellung nach § 14 UrhG darstellt und somit grundsätzlich zu einer Schadensersatzpflicht des Eigentümers führen kann. Jedoch nicht in allen Fällen: Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass die Interessen des Eigentümers Berücksichtigung finden müssen und mit den Interessen der Urheberin abzuwägen sind. Sollten die Interessen der Urheberin überwiegen, ist eine Schadensersatzpflicht begründet. Bei der Interessenabwägung ist dabei laut Bundesgerichtshof die Gestaltungshöhe des Werks, die Anzahl an Vervielfältigungsstücken und die Bestimmung eines Nutzungszwecks zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht im Rahmen einer solchen Interessenabwägung zugunsten der Kunsthalle und gegen die Urheberin, da die Kunsthalle das Recht hat, ihre Räumlichkeiten zu nutzen und die Absonderung der Rauminstallation unzumutbar war.
Im Allgemeinen ist es für eine Urheberrechtsverletzung nicht zwingend erforderlich, dass in die Substanz eines Werks eingewirkt wird. Auch die Form und Art der Werkwiedergabe und -nutzung kann die persönlichen urheberrechtlichen Interessen verletzen. So entschied der Bundesgerichtshof im Jahr 2002, dass das Integrieren eines Werks in ein anderes Gesamtkunstwerk die Urheberrechte der Urheberin verletzt, obwohl das Werk als solches nicht verändert worden war.
Die Fälle lehren, dass bestimmte Nutzungsformen Rechtsverletzungen darstellen können. Es empfiehlt sich daher, erhebliche Veränderungen mit der Urheberin abzustimmen.
Schutz wirtschaftlicher Interessen der Urheberin durch das Folgerecht
Sollte ein Werk weiterveräußert werden, schützt das Folgerecht (§ 26 UrhG) die wirtschaftlichen Interessen einer Urheberin. Das bedeutet, dass die Urheberin bei nachfolgenden Veräußerungen prozentual an den Erlösen beteiligt wird. Bei der Veräußerung muss ein Kunsthändler oder Versteigerer beteiligt sein. Außerdem muss es sich bei dem veräußerten Werk um ein Werk der bildenden Kunst handeln. Dieser Beteiligungsanspruch ist besonders vorteilhaft für die Urheberin, da auf dem dynamischen Kunstmarkt Werkpreise in die Höhe schnellen können und es der Urheberin weiterhin möglich ist, nach der eigenen ersten Veräußerung von den Preisentwicklungen profitieren zu können.
Dieser Folgeanspruch besteht solange, wie der Urheberin Urheberrechte zustehen. Urheberrechte bestehen bis 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin; nach ihrem Ableben können die Erben Folgerechte geltend machen. Um den Anspruch realisieren zu können, steht der Urheberin bzw. den Erben ein Auskunftsanspruch zu. Dies bedeutet, dass die Urheberin Informationen über die Person des Erwerbers verlangen kann. Dieser Anspruch ist von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machen, z.B. der VG Bild-Kunst.
Darüber hinaus hat die Urheberin das Recht, Zugang zu ihrem Werk zu verlangen, um Vervielfältigungsstücke vom Werk zu erstellen.
Fazit
Urheber behalten auch nach der Veräußerung ihrer Werke die Urheberrechte am Werk. Erwerber sollten sich die Nutzung des Werks durch eine entsprechende Vereinbarung zusichern lassen, damit sie das Werk ohne Zustimmung der Urheberin vervielfältigen und verbreiten dürfen. Änderungen und Zerstörungen, insbesondere von einzigartigen Gegenständen, sollten sorgfältig geprüft und mit der Urheberin abgesprochen werden, um Schadensersatzansprüche zu vermeiden, wie der Bundesgerichtshof in einem wegweisenden Urteil festgestellt hat. Die Urheberin sollte das Recht im Auge behalten, am Weiterveräußerungserlös beteiligt zu werden und damit den Erwerbsgang ihres Werks zu verfolgen.
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