Kulturbeitrag und Netzschilling: Zwei neue Modelle zur Privatkopie-Vergütung in Österreich
In Österreich gibt es wie in Deutschland die Erlaubnis, urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen der Privatkopie-Regelung zu vervielfältigen, auch in digitaler Form. Anders als in Deutschland gibt es jedoch keine Vergütung dafür in Form einer Abgabe auf Geräte wie Festplatten, Tablets, Smartphones, USB-Sticks und Personalcomputer; für PCs wird zudem keine Reprographie-Vergütung erhoben.
Das hinlänglich bekannte Aussterben der Musik- und Videokassette sowie der spätere massive Einbruch der Verkaufszahlen von Leer-CDs und Leer-DVDs hat dazu geführt, dass die Erträge aus der Leerkassettenvergütung in Österreich eingebrochen sind: vom Höchststand von 17,68 Mio. Euro im Jahr 2005 auf 6,62 Mio. im Jahr 2012. Damit haben sie in etwa das Niveau von 1998 erreicht, wie dem Jahresbericht des SKE-Fonds der Verwertungsgesellschaft Austro Mechana zu entnehmen ist (PDF, S. 22).
Seit 2005 kämpfen die österreichischen Verwertungsgesellschaften gerichtlich gegen die ihrer Ansicht nach zahlungspflichtigen Gerätehersteller, -importeure und -hersteller. Am 1.10.2010 veröffentlichte die Verwertungsgesellschaft Austro Mechana auf Basis des bestehenden Urheberrechtsgesetzes einseitig Tarife (PDF) für PC-Festplatten, Notebooks, Netbooks, Tablets und Smartphones sowie externe Festplatten.
Das Hardwareunternehmen Hewlett Packard klagte dagegen umgehend vor dem Wiener Handesgericht. In mehreren Instanzen lautete die Entscheidung hier, dass Festplatten wegen ihrer „Multifunktionalität“ nicht vergütungspflichtig sind. Parallel zur juristischen Auseinandersetzung gründeten Künstler, Urheber- und Verwerterverbände sowie Verwertungsgesellschaften die Initiative „Kunst hat Recht“, um für die Einführung einer gesetzlichen Festplattenabgabe zu lobbyieren.
Festplatten nach OGH-Urteil nun wieder vergütungspflichtig
2012/13 wurde vom Justizministerium ein Arbeitspapier zu einer Gesetzesnovelle vorgelegt, die auch die Einführung einer Festplattenabgabe umfassen sollte. Das Projekt scheiterte jedoch vollständig am Widerstand aus der Öffentlichkeit, der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer Österreichs; auch einige Kulturinstitutionen sprachen sich dagegen aus. Anfang 2014 hat nun der Oberste Gerichtshof (OGH) die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und festgestellt, dass Festplatten unabhängig von ihrer „Multifunktionalität“ vergütungspflichtig sind. Entsprechend ist die Forderung nach der Einführung einer „Festplattenabgabe“ wieder auf dem Tisch.
Parallel zu dieser Entwicklung wurden in den letzten Jahren in Österreich auch neue Modelle diskutiert, die nicht als Geräte-Abgabe konzipiert sind, sondern als „Internet-Abgabe“ oder „Haushaltsabgabe“. Das Modell einer Haushaltsabgabe ziehen netzpolitische Organisation aus Gründen des Datenschutzes, Internet-Service-Provider aus Gründen der Wirtschaftlichkeit vor. Aktuell gibt es zwei ernstzunehmende und ausgearbeitete Modelle.
1. Der „Kulturbeitrag“
Das Modell „Kulturbeitrag“ wurde von der „Plattform für ein modernes Urheberrecht“ – einer Gegen-Initiative von Geräteherstellern und -händlern zu „Kunst hat Recht“ – als unmittelbare Antwort auf das OGH-Urteil zur Festplattenabgabe veröffentlicht. Der Kulturbeitrag in Höhe von monatlich 50 Cent soll pro österreichischem Haushalt zusätzlich zum Rundfunk- und Fernsehbeitrag erhoben werden.
Diese Haushaltsabgabe soll die bisher bestehende, geräteabhängige Leerkassetten- und Reprographievergütung vollständig ersetzen und den „gerechten Ausgleich“ für die Erlaubnis zur Privatkopie darstellen. Bei jährlich 6 Euro pro Haushalt sollen so rund 22 Millionen Euro Gesamtertrag pro Jahr erzielt werden. Zum Vergleich: 2010 lag der Ertrag aus beiden Vergütungsarten bei rund 17,6 Millionen Euro.
2. Der „Netzschilling“
Das Modell „Netzschilling“ wurde vom Verein für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE) gemeinsam mit Creative Commons Austria entwickelt und im September 2013 öffentlich präsentiert (Disclosure: für beide Organisationen ist der Autor dieses Textes tätig). Auch das Modell des Netzschillings soll die bisher bestehende, geräteabhängige Leerkassetten- und Reprographievergütung vollständig ersetzen, geht jedoch darüber hinaus: Zusätzlich ermöglicht es auch das bekannte „Recht auf Remix“ im nicht-kommerziellen Bereich. Eine kommerzielle Auswertung soll durch individuelle kostenpflichtige Nachlizenzierung ermöglicht werden – durch Kontrahierungszwang und Extended Collective Licensing.
Eine allgemeine Erlaubnis, fremde digitale Inhalte online zur Verfügung zu stellen – also zum Upload – ist dagegen ausdrücklich nicht Teil des Netzschillings. Das Recht auf Remix soll nicht durch eine „Fair-use-Klausel“ erreicht werden, sondern indem das Zitat- und Bearbeitungsrecht angepasst wird, wie in Deutschland bereits vorgedacht. Zugleich soll ein zeitgemäßer Werkbegriff im nationalen österreichischen Urheberrecht verankert werden, um ein Recht auf Remix zu ermöglichen.
Anders als bei der Kulturwertmark des Chaos Computer Clubs und anderen Internet-Abgaben soll die Vergütung beim „Netzschilling“ nicht nutzungsbasiert erhoben und ausgeschüttet werden, sondern ebenfalls pro Haushalt. Wie beim Modell des Kulturbeitrags soll die Vergütung zusammen mit der Rundfunk- und TV-Gebühr erhoben und verteilt werden. Der Anteil der Verwertungsgesellschaftsmitglieder würde wie bisher an die Verwertungsgesellschaften weitergegeben, die Vergütung dann nach eigenen internen Schlüsseln anhand der Verkaufszahlen verteilt.
Ein namhafter Teil der Gesamterlöse soll in einen eigens errichteten Stiftungsfonds fließen, der vor allem Künstler fördern soll, die nicht Mitglied einer Verwertungsgesellschaft sind und damit im bestehenden System nicht von Leerkassetten- und Reprographie-Vergütung profitieren. Die Fördermodelle sollen sich an die Modelle der Wissenschaftsförderung orientieren, aber auch Crowdfunding und den „Freikauf“ von Werken – also das nachträgliche Vergeben freier Lizenzen – unterstützen.
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