Kreutzer vers. Keese
Seit einiger Zeit wird über ein eigenes Leistungsschutzrecht für Presseverlage diskutiert. Nachdem die Verlage im Juni 2009 in ihrer „Hamburger Erklärung zum Schutz geistigen Eigentums“ ein solches Recht gefordert wurde, hat sich die Politik dem Thema schnell angenommen. Obwohl bis heute nicht eindeutig geklärt ist, wie ein solches Recht aussehen soll, hielt es Einzug in die Wahlprogramme verschiedener Parteien und wird sogar als Ziel im Koalitionsvertrag der neuen Regierung genannt. Seither wird zwischen Befürwortern und Kritikern eine heiße Debatte geführt: Ist ein solches Recht geeignet, um der Presse neue Einnahmen und Schutzpositionen zu bescheren? Ist es notwendig? Welche Bedenken stehen dem entgegen?
Die Kontroverse
Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs des Axel-Springer-Verlages, zählt zu den Befürwortern eines solchen Leistungsschutzrechts. Im Beitrag in der wissenschaftlichen Zeitschrift Medienwirtschaft weist er einmal mehr darauf hin, dass ein Leistungsschutzrecht notwendig sei, um die Presselandschaft in ihrer jetzigen Ausprägung zu erhalten: „Was wir heute von den Kiosken kennen – ein vielscheckiges Angebot von Zeitschriften und Zeitungen, das weltweit seines Gleichen sucht – kann im Netz nur weiter bestehen, wenn es gelingt, neben Anzeigen auch Inhalte zu verkaufen. Nur so kann die Unabhängigkeit auf Dauer gesichert werden. Auf diese Tatsache hinzuweisen, ist kein Alarmismus.“
Das Leistungsschutzrecht soll ermöglichen, von Nachrichten-Aggregatoren (wie Google News) Lizenzgebühren für die Anzeige von so genannten Snippets zu verlangen, also kleinen Ausschnitten aus Meldungen. Andererseits sollen gewerbliche Leser zahlen, wenn beispielsweise in Unternehmen frei zugängliche (heutzutage kostenlose) Online-Inhalte von Verlagen gelesen werden. Beide Erwerbsmöglichkeiten eröffnet das Urheberrecht – auf dessen Basis die Verlage derzeit operieren (sie lassen sich die Rechte von den Journalisten abtreten) – nicht.
Snippets sind in aller Regel urheberrechtlich nicht geschützt, da sie als kurze Textschnipsel die so genannte Schöpfungshöhe nicht erreichen. Für ihre Nutzung kann daher auch kein Geld verlangt werden. Texte am Bildschirm zu lesen, ist – ganz gleich, ob zu beruflichen oder privaten Zwecken – nach dem Urheberrecht generell ohne Vergütung zulässig.
Till Kreutzer weist in seinem Beitrag in der Medienwirtschaft darauf hin, dass diese Nutzungsfreiheiten des Urheberrechts durch ein neues Leistungsschutzrecht eingeschränkt würden. Das sei eines der Hauptargumente gegen die Einführung. Denn die Grenzen des Urheberrechts seien Ergebnis eines Interessenausgleichs, also keineswegs Zufall oder eine versehentliche „Schutzlücke“.
Kreutzer: „Versucht man, die Position der Verleger zu interpretieren, deutet allerhand darauf hin, dass man das Heil des wirtschaftlichen Erfolgs zukünftig weniger in der Bezahlung durch den Leser suchen will, sondern in der Bezahlung durch Intermediäre, also insbesondere durch Google und andere, die sich – so die Diktion vieler Interessensbekundungen – auf Kosten der Verlage eine goldene Nase verdienten, obwohl sie nicht einmal Inhalte produzieren, sondern nur (!) schnöde Auswertungs-, Aggregations- und Suchtechnologien entwickeln und bereitstellen.“ Nach Kreutzers Ansicht würde ein Leistungsschutzrecht zu vielen unkalkulierbaren Kollateralschäden führen.
Wie soll sich das Leistungsschutzrecht zum Urheberrecht der Journalisten verhalten? Wie soll unterschieden, registriert und kontrolliert werden, ob ein Beitrag zu gewerblichen oder sonstigen Zwecken gelesen wird (man denke etwa an Freiberufler, die sich im Internet informieren)? Wer ist gewerblicher Leser? Müssen Blogger bezahlen, wenn sie über die Publikationen von Verlagen informieren? Und warum sollen gesetzliche Vergütungsansprüche geschaffen werden, obwohl es den Verlage frei steht, ihre Inhalte nur gegen Entgelt abrufbar zu machen?
Bezugsquelle
MedienWirtschaft – Zeitschrift für Medienmanagement und Kommunikationsökonomie ISSN 1613-0669 Jahresabonnement: 69 Euro zzgl. Versandkosten und USt., Einzelheft: 20 Euro zzgl. Versandkosten und USt.)
Erscheint viermal jährlich im New Business Verlag, Hamburg, und beschäftigt sich inhaltlich mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen im Kontext von Medienunternehmen, Medienmanagement, Medienökonomie und Telekommunikation.
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