Kreative Arbeit in der Games-Branche
In einer Pressemitteilung vom 28. Mai 2009 sagte der Geschäftsführer des deutschen Kulturrates Olaf Zimmermann anlässlich einer Tagung in der evangelischen Akademie Loccum zum Thema Computerspiele als Kulturgut: „Zwei Ergebnisse der Tagung stachen deutlich heraus: Computerspiele sind, und das war unumstritten, Kulturgut, und die Kunst- und Kulturwissenschaften müssen sich in den nächsten Jahren mit diesem Kulturgut intensiver beschäftigen. Besonders deutlich wurde, dass die Entwickler von Computerspielen sich immer mehr als das verstehen, was sie sind: Künstler.“1
Computerspiele sind heute als Kulturgut anerkannt. Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung haben sich diesbezüglich festgelegt.2
Dies gilt auch für die insoweit maßgebliche europäische Ebene:
Die Herstellung von Computerspielen als kreativer Prozess
Einzelwerk oder arbeitsteiliger Prozess
Die Herstellung von Computerspielen im kulturellen Sektor wirft jedoch neue Fragen auf. Die Games-Branche und ihr Wachstumsmarkt, also die Perspektive von Unternehmern oder Nutzern, sind häufig Gegenstand von Darstellungen. Seltener wird die kreative Arbeit in der Games-Branche beleuchtet, die Perspektive der Designer, Programmierer, Grafiker, also derjenigen, die auf der Arbeitsebene mit dem kulturellen Prozess der Computerspielherstellung betraut sind. Bei der Herstellung von Computerspielen sind sehr unterschiedliche Personen und Personenkonstellationen beteiligt. Jean-Noel Portugal sieht hier ein Studiosystem im Vordergrund.
Üblicherweise hätten sich Studiostrukturen gebildet, die in einem halbautomatisierten Verfahren die kreativen Prozesse kanalisieren. Der Kreationsprozess basiere dabei auf einem Dialog zwischen dem Game-Designer und dem Cheftechniker, die sich mit einem kreativen Team von etwa zehn Personen aus dem Bereich Grafik und Programmierung umgeben. Sicherlich sei das Studio einerseits Hilfsmittel der kreativen Arbeit, andererseits Plattform derselben im kollektiven Schaffensprozess. Demgegenüber sieht eine norwegische Studie den Game-Designer ganz klar im Mittelpunkt.
Ähnlich argumentieren diejenigen, die sagen, dass jedes Computerspiel letztlich ein Ergebnis kulturellen Schaffens einzelner Personen sei. Das Team unterstütze den Game-Designer lediglich, ähnlich einem Filmregisseur oder Opernregisseur. Die Tatsache, dass viele Personen an der Produktion beteiligt sind, hindere nicht daran, dass letztlich ein Urheber oder einige wenige verantwortlich seien.
Im Ergebnis kommt es wohl auf den Einzelfall an. Urheberrechtlich kann sowohl ein Gemeinschaftswerk als auch das Werk einer einzelnen Person vorliegen. Im Kern sind Computerspiele aber immer das Werk einzelner Menschen und nicht etwa das Werk von Unternehmen. Aber: Der Prozess des Game-Designs ist immer eine Kooperation. Trotzdem steht auch stets eine individuelle natürliche Person im Zentrum der Entscheidungen. Damit unterscheidet sich das Computerspiel nicht fundamental von anderen künstlerisch-kulturellen Prozessen, in die eine Vielzahl von anderen Personen eingebunden sind (Film, Oper als Beispiele). Die Größe des Projekts hat damit im Kern nicht viel zu tun. Die Frage, wie im Einzelnen und wer im Einzelnen maßgeblich am kreativen Prozess für das Computerspiel beteiligt ist, hängt natürlich auch davon ab, was der kreative Prozess ist und wie er urheberrechtlich reflektiert wird. Das sind zwei unterschiedliche Dinge.
Der kreative Prozess der Entwicklung von Computerspielen
Dabei ist der kreative Kern stets das Spiel, also das Game-Play als „multi-dimensionelles Phänomen“. Der Kern des Computerspiels ist vor allem das Spiel, also die interaktive Aktion mit dem Computer oder mittels des Computers mit anderen Spielern. In einer Studie mit Kindern und Jugendlichen wurde die Wahrnehmung der Spieler hierzu exemplarisch untersucht: „They emphasised the role of the characters and storylines for this kind of experiences, while they also acknowledged games` immersive audio-visuality and the engaging freedom to make choices and have an effect on the gameplay.
Anders als bei einem anderen audiovisuellen Produkt steht aber bei einem Game nicht ein Text am Anfang, sondern eine kreative Interaktionsidee. Dabei geht es gerade darum, zu beschreiben wie im konkreten Kontext der Spieler in die Aktion einbezogen wird und in ihr aufgeht. Dabei sind häufig die kreativen Ideen besonders interessant, die letztendlich eine Lösung inmitten von unterschiedlichen inhaltlichen und technischen Zwängen darstellen. Insofern kann man sagen, dass das Fundamentale am kreativen Prozess des Game-Designs darin besteht, diese Zwänge und Begrenzungen zu managen. Tatsächlich ist das Kreative an der Spieleentwicklung die Behandlung von Ideen im Zusammenhang mit einer Reihe von technischen Standards und inhaltlichen Barrieren, die diese Kreativität beschränken. Das Interessante ist also, dass das Schaffen von Computerspielen trotz zahlreicher Limitierungen kreative Ideen erfordert.
Urheberrechtliche Einordnung
Anders als in Japan ist das Computerspiel als solches nicht als eigene Werkkategorie urheberrechtlich geschützt. § 2 Abs. 1 Urhebergesetz erwähnt das Computerspiel nicht ausdrücklich. Das bedeutet allerdings nicht, dass Computerspiele keinen Werkschutz im Sinne des Urheberrechts genießen, vielmehr formuliert § 2 Abs. 1, dass die dort ausdrücklich genannten Werkarten nur „insbesondere“ gemeint sind. Dies hat eine starke Indizwirkung für die Behandlung des Computerspiels: Weitere Werkarten, darunter Computerspiele, sind implizit in den Schutz eingeschlossen.
Es behilft sich die Rechtslehre und auch vereinzelt die Rechtsprechung mit den gegebenen Regelungen, so dass der Spieleentwickler nicht vollkommen schutzlos ist. Die visuelle Umsetzung, also das, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, wird urheberrechtlich als Filmwerk qualifiziert. Damit sind die Sondervorschriften für Filmwerke im Urheberrecht (§ 88 ff. Urhebergesetz) anzuwenden. Die technische Umsetzung, die sogenannte Engine, also die Programmierung des Computerspiels, ist wiederum als Computerprogramm geschützt. In der Folge sind auf das Computerprogramm die §69 ff. Urhebergesetz als Sondervorschriften anwendbar.
Im Ergebnis kommen auf das Computerspiel sowohl die Sondervorschriften für Filmwerke als auch die für Computerprogramme zur Anwendung.
Die zentrale Erscheinung, das Game-Play, ist jedoch gar nicht erfasst. Vielmehr kann unter geltenden Regelungen das Game-Play, die Spielidee beliebig weiter kopiert werden. Interessant ist, dass zum Beispiel in Japan (ein Land, das zivilrechtlich Deutschland sehr nahe steht) das Computerspiel seitens der Rechtsprechung als Werk im Sinne des Urheberrechtes anerkannt wurde. Hier ist also eine ausdrückliche Werkanerkennung bereits erfolgt.
Auswirkungen
Dass Computerspiele im Kern nur als Filmwerke oder als Computerprogramme geschützt werden können, führt zu einer Vielzahl von Problemen. Einerseits wird das Game-Play als das zentrale kreative Element des Computerspiels urheberrechtlich nicht genau abgebildet.
Weiterhin wirken sich aber die film- bzw. computerprogrammrechtlichen Sondervorschriften besonders im Arbeitsverhältnis aus. Hier gelten nicht nur jeweils andere Vorschriften, sondern sie können auch im Einzelfall abweichende Ergebnisse bringen. Die computerprogrammrechtlichen Sondervorschriften § 69 b ff. Urhebergesetz sind strenger und eindeutiger als die filmrechtlichen Vorschriften, die lediglich im Zweifel eine Übertragung oder Einräumung der Urheberrechte an dem Computerspiel zu Gunsten des Arbeitgebers, also des Filmherstellers oder Rechtsinhabers im Sinne des Computerprogramms mit sich bringen.
Neben diesen konkreten Unterschieden ist die Frage seitens der Rechtsprechung noch weitgehend ungeklärt, in wie weit die Beteiligten an der Erstellung des Computerspiels auch urheberrechtlich als relevant angesehen werden können. Insbesondere im Bereich des Films ist die Rechtsprechung hier traditionell sehr großzügig. So werden zahlreiche unterschiedliche Beteiligte an der Produktion eines Films urheberrechtlich als Urheber angesehen. Dass man bei Computerspielen im selben Maße die konkreten Designer und Grafiker beteiligen müsste, ist wahrscheinlich, aber noch nicht von der Rechtsprechung endgültig geklärt.
Konfliktlinien
Generell liegen die Honorare in der Computerspieleindustrie weit unterhalb der Honorare vergleichbarer anderer kreativer Industrien, wie zum Beispiel der Filmindustrie. Das hängt damit zusammen, dass die Computerspielindustrie, anders als die Filmindustrie, nicht in hinreichendem Maße durch Förderung staatlicher Stellen unterstützt wird, jedenfalls nicht in Deutschland. Die Herstellung von Computerspielen ist in Deutschland eine außerordentlich riskante und mitunter wenig gelittene kulturelle Aktivität. Es herrscht eine ähnliche Situation wie in der Filmindustrie in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, also bevor Förderungsmaßnahmen eingeführt wurden.
Die Kreativen in der Games-Branche sind, daran lässt sich nichts beschönigen, nicht die primären Nutznießer der Wertschöpfung. So wie ihre unmittelbaren Produktionseinheiten, die Entwicklungsstudios, verdienen sie nur einen Bruchteil der Mittel, die durch die jeweiligen Computerspiele umgesetzt werden. Nach Herstellung eines Prototypen wird das Computerspiel durch den Publisher im Erfolgsfall designt, und dann stellt der Publisher dem Entwickler für die Fertigstellung des Computerspiels einen ausreichenden Produktionsbetrag zur Verfügung. Dieser Vorschuss auf die proportionale Vergütung wird jedoch auf die proportionale Vergütung angerechnet. Das heißt, der Publisher ist erst dann verpflichtet, weitere prozentuale Beteiligungen zu bezahlen, wenn sich seine Vorschussleistung im Rahmen der Prozentsätze akkumuliert hat. Dies ist jedoch erst der Fall, wenn der Publisher ein Vielfaches des Entwicklers eingenommen hat. Im typischen Fall führt dies dazu, dass der Entwickler nur mit seinem Vorschuss bezahlt wird und eine weitere Vergütung in der Regel nicht erfolgt.
Zusätzlich muss festgestellt werden, dass die Mechanismen zur Unterstützung von Kreativen in der Computerspieleindustrie nur wenig ausgeprägt sind und noch kaum funktionieren. Beispiele sind hier die Honorarstruktur und die Einbeziehung von Verwertungsgesellschaften. Unklar ist auch die Frage, in wie weit die Mitarbeiter von Computerspielstudios rechtliche Handhabe haben, an möglichen Erfolgen ihrer Computerspiele in wirtschaftlicher Hinsicht beteiligt zu werden. Dazu existiert kaum Rechtsprechung.
Zusammenfassung und Ausblick
Die oben gemachten Ausführungen könnten den Eindruck erwecken, als ob Computerspiele den klassischen Weg anderer Medienproduktionen verlassen und eine stärker kommerziell betriebene urheberrechtsfeindliche Einstellung angenommen haben. Dies ist jedoch nicht der Fall. Computerspiele sind nur noch nicht so weit. Ihre kulturelle Anerkennung erfolgte erst in den letzten Jahren. Die Produktion selbst ist erst seit einigen Jahrzehnten überhaupt möglich.
Computerspielhersteller und die Kreativen selbst, die Künstler, verstehen sich häufig noch zu wenig als Teil der Kulturindustrie. Allerdings wird dieser Prozess stärker. Je stärker er wird, umso stärker werden auch die Möglichkeiten. Große Chancen bereitet in diesem Zusammenhang die Distribution über das Internet. Hier werden sich Möglichkeiten eröffnen, direkt und besser an der Kreation von Computerspielen zu partizipieren. Wichtig ist auch zu verstehen, dass neben der kreativ-kulturellen Ebene auch eine technische Innovation im Rahmen der Computerspiele stattfindet. Ein Computerspielstudio muss zugleich technologisch, ökonomisch und künstlerisch-kulturell auf der Höhe sein.
Dr. Malte Behrmann, 35, ist Anwalt mit Sitz in Berlin und Geschäftsführer Politik des GAME Bundesverbandes deutscher Computerspielentwicklern sowie General Secretary des Europäischen Spieleentwickler Verbandes – European Game Developer Federation (EGDF).
Quellen
Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat, www.kulturrat.de.
Entschließungsantrag Deutscher Bundestag Drucksache 16/7116, 16. Wahlperiode 14.11.2007.
Europäische Kommission, GD Wettbewerb, Entscheidung vom 11. Dezember 2007 (State Aid C 47/06 (ex N 648/05), Tz 63, 64.).
Jean-Noel Portugal u.a., Création dans le jeu video, www.culture.gouv.fr/deps, S.4.
Norwegian Ministry of culture and Church affairs, Video Games, Report No.14, 2008, S. 11.
Laura Ermi, Frans Myrä u.a., The power of games and control of playing, Tampere 2004, S.15. tampub.uta.fi/tup/951-44-5939-3.pdf.
Laura Ermi, Frans Myrä u.a., The power of games and control of playing, Tampere 2004, S.15. tampub.uta.fi/tup/951-44-5939-3.pdf.
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