Kopiervergütung: Kein Grundrecht auf Ausschüttungen für Verlage
Der Beck-Verlag wandte sich mit seiner Beschwerde gegen ein vom Urheberrechtler und Autor Martin Vogel erstrittenes Urteil des Bundesgerichtshofs. Der BGH hatte 2016 festgestellt, dass die Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaft VG Wort über viele Jahre rechtswidrig war. Sie hatte pauschal Geld an Verlage überwiesen, die darauf keinen Anspruch hatten.
Der Verlag sah durch das BGH-Urteil sein Eigentumsrecht, den Grundsatz der Gleichbehandlung und Verfahrensregeln verletzt. Eine solche Verletzung seiner Grundrechte habe er jedoch „nicht hinreichend substantiiert“ dargelegt, so das Verfassungsgericht in seinem Beschluss (Aktenzeichen 1 BvR 1213/16 vom 18. April 2018).
Verwertungsgesellschaften
Verwertungsgesellschaften verwalten Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche an den Werken von Urheber*innen. Werden die Werke wirtschaftlich genutzt, sammeln sie meist pauschale Abgaben ein, zum Beispiel die „Bibliothekstantieme“ für das Verleihen von Büchern oder die „Leermedienabgabe“ für privates Kopieren. Die Einnahmen schütten sie an Urheber und zum Teil an andere Rechteinhaber aus. Bekannte Einrichtungen sind etwa die GEMA, die VG Bild-Kunst oder die VG Wort. Mehr zum Thema.
Verfassungsgericht zum „Kern des Urheberrechts“
Im Beschluss führt das Verfassungsgericht unter anderem aus, dass es die bislang praktizierten Ausschüttungen an Verlage nicht zum „grundgesetzlich geschützten Kern des Urheberrechts“ zählt, auch wenn sie übliche Praxis waren. So heißt es darin:
Gesetzliche Vergütungsansprüche sind vom Gesetzgeber ausschließlich zugunsten der Urheber und nicht der Inhaber von abgeleiteten Nutzungsrechten wie dem Verlagsrecht vorgesehen (…). Allein daraus, dass diese Vergütungsansprüche von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden und dass die Beklagte bislang in ständiger Praxis die in Streit stehende Verlegerbeteiligung vornahm, kann nicht gefolgert werden, dass die alleinige Rechtsinhaberschaft der Urheber lediglich „formal“ bestehe, mag auch der Gesetzgeber das überkommene System der Verlegerbeteiligung vor Augen gehabt haben (…).
Auch habe der Beck-Verlag nicht ausreichend begründet, warum und wie genau er gegenüber anderen Rechteinhabern benachteiligt sei, die wie Tonträger- und Filmhersteller eigene Leistungsschutzrechte besitzen.
EU arbeitet an Neuregelung
Infolge des BGH-Urteils hatte die VG Wort ihr Vergütungssystem umgestellt: Derzeit können Urheber darüber entscheiden, ob sie ihren Verlag an Ausschüttungen beteiligen wollen. Zugleich muss die Verwertungsgesellschaft falsche Ausschüttungen rückgängig machen. Laut Geschäftsbericht hat die VG Wort im vergangenen Jahr rund 175 Millionen Euro nachträglich an Autoren überwiesen; Rückforderungen von Verlagen in Höhe von 3,1 Millionen Euro sind noch offen.
Der warme Geldregen für Autoren dürfte gleichwohl nur von kurzer Dauer sein: Nachdem bereits die letzte Bundesregierung eine Gesetzesänderung auf den Weg brachte, arbeitet auch die EU daran, die Verlegerbeteiligung auf neue rechtliche Grundlagen zu stellen. Artikel 12 des derzeit verhandelten Entwurfs zum „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ sieht vor, dass die EU-Staaten Verlagen einen Anspruch auf Kopiervergütungen zusprechen können.
2 Kommentare
1 Dr. Lambrecht am 6. Juni, 2018 um 12:13
Verlage sind in Regel keine Schmarotzer. Sie tragen meist subtil aber vielfältig und wesentlich zum Entstehen von Büchern bei. Ohne ihre Zutaten in den Bereichen Inhalt, Formulierung und Gestaltung wären vielle Bücher deutlich dürftiger und würden ein Nieschendasein führen. Das sehen auch die mir bekannten Autoren so oder ähnlich.
Dr. Rainer Lambrecht
2 David Pachali am 6. Juni, 2018 um 14:08
@Rainer Lambrecht: Das dürfte wohl auch niemand ernsthaft bestreiten (anders mag es in der Wissenschaft sein).
Die Leistung der Verlage hat aber nichts mit der Frage zu tun, wem das Urheberrecht Vergütungsansprüche zuspricht. Es wäre sinnvoll, das in der Diskussion auch nicht zu vermischen.
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