Kino.to: Nutzer und Werber im Visier
„Am Ende unserer Ermittlungen können Maßnahmen gegen die Premium-Kunden von kino.to stehen, oder gegen eine Auswahl von ihnen“, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden am Mittwoch gegenüber iRights.info. „Aber das steht noch nicht unmittelbar an.“
Die Premium-Nutzer hatten über den Zahlungsdienst Paypal für einen werbefreien Zugang zu kino.to bezahlt. Ihre Daten hatten die Ermittler bei Razzien Mitte 2011 beschlagnahmt. Bevor das Portal geschlossen wurde, war nicht unbedingt ersichtlich, dass die kino.to-Betreiber selbst hinter dem Bezahl-Angebot steckten. Die Einschränkung „Premium-Nutzer“ lässt den Schluss zu, dass gegen die anderen kino.to-Nutzer nicht ermittelt werden soll.
Bisher geht die Staatsanwaltschaft nur gegen Betreiber und Werbevermittler der Streaming-Plattform vor. Zwischen 2008 und 2011 Millionen machte kino.to zehntausende Filme, Serien und Dokumentation illegal online zugänglich. Zwischenzeitlich gehörte kino.to zu den 50 meistbesuchten Websites in Deutschland. Die Betreiber erzielten Werbeeinahmen in Millionenhöhe. Die Hauptbeteiligten erhielten mehrjährige Haftstrafen, wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke. „Der Fall kino.to ist außergewöhnlich groß und komplex“, so der Sprecher.
Inwieweit die Premium-Nutzer belangt werden können, ließ der Sprecher allerdings offen. Der Verdacht lautet auf Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen. „Wir müssen allen Beteiligten erst mal nachweisen, dass sie konkret davon wussten, dass sie mit ihren finanziellen Leistungen das rechtswidrige Verhalten von kino.to unterstützen.“
Es geht der Staatsanwaltschaft also um den Tatbestand der Beihilfe – und offenbar nicht um die reine Nutzung der illegal veröffentlichten Werke. Grund könnte die umstrittene Rechtslage sein.
Streit um das Streaming
Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzung (GVU) hält bereits die Nutzung von Portalen wie kino.to für illegal. Während des Streaming-Vorgangs werde rechtlich betrachtet eine Kopie von einer illegalen Vorlage angefertigt. Allerdings hinterfragen Juristen diese Auffassung. Denn die Daten des Films werden nur vorübergehend im Arbeitsspeicher des Nutzers gespeichert. „Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen“ sind aber nach § 44a (/) vom Urheberrechtsschutz ausgenommen.
Die GVU beruft sich auf den Leipziger Richter Mathias Winderlich. Winderlich habe bei der mündlichen Begründung des Urteils gegen einen der kino.to-Mitarbeiter Ende 2011 auch die Nutzung von kino.to als Straftat gewertet. Im Urteil (AZ: 200 Ls 390 Js 184/11, 21.12.2011) heißt es, dass Urheberrechtsgesetz (§ 16) stelle klar, „dass auch vorübergehend erstellte Vervielfältigungsstücke dem Urheberrechtsschutz unterfallen“. Die Ausnahmevorschrift des § 44a UrhG sei nicht einschlägig.
Ob diese Wertung Bestand hat, könnten Verfahren gegen einfache Nutzer illegaler Streaming-Portale zeigen, die aber offenbar nicht angestrebt werden.
Strafen gegen Nutzer? Warten auf den Präzedenzfall
Selbst wenn das Ansehen eines Streams als urheberrechtlich relevante Kopie bewertet wird, bleibt fraglich, mit welchen Strafen der Nutzer illegaler Streaming-Portale zu rechnen hätte. Die Veröffentlichung muss „offensichtlich rechtswidrig“ sein, sonst greift das sogenannte Recht auf Privatkopie (§ 53).
Im Fall von kino.to lässt sich jedoch gut argumentieren, dass das Angebot offensichtlich rechtswidrig war. Hollywood-Blockbuster waren dort oftmals kurz nach dem Kinostart kostenlos zu sehen, lange bevor man sie – gegen Geld – in einer Videothek hätte leihen können.
Allerdings ist noch kein Fall bekannt, in dem ein Nutzer wegen der reinen Kopie eines rechtswidrig im Internet veröffentlichten Films belangt wurde.
Strafen werden bislang verhängt, wenn der Nutzer den Film selbst öffentlich zugänglich macht. Deshalb richten sich auch Abmahnungen meist gegen Nutzer von Tauschbörsen. Wer hier einen Film herunterlädt, stellt die Daten in der Regel simultan anderen Nutzern zur Verfügung.
Was wussten die Werbekunden?
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden will nicht ausschließen, dass auch noch Unternehmen belangt werden, die auf kino.to Anzeigen schalteten. Während die für kino.to tätigen Werbevermittler offenbar in die gewerbsmäßigen Urheberrechtsverstöße eingeweiht waren, und strafrechtlich belangt werden, ist die Verantwortlichkeit der werbenden Unternehmen noch nicht geklärt. Ob sie wussten, dass sie mit ihren Werbeanzeigen Straftaten unterstützen, müssen die Ermittlungen laut Staatsanwaltschaft erst noch zeigen.
Bernd Nauen, Geschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), spricht bei Online-Anzeigen auf Portalen wie kino.to von „Fehlschaltungen“. „Wenn Rechteinhaber werbende Unternehmen oder die für die Verteilung von Werbung beauftragten Dienstleister darauf aufmerksam machen, dass ihre Werbung auf illegalen Plattformen läuft, wird diese unverzüglich zurückgezogen“, so Nauen im Interview mit iRights.info. Es bestehe noch Raum, solche Fehlschaltungen von vorne herein zu vermeiden.
Die GVU hält dagegen, es treffe nicht zu, dass Werbeschaltungen auf Seiten wie kino.to und movie2k immer auf Fehlschaltungen beruhen. Auch führten Hinweise durch Rechteinhaber nicht in allen Fällen dazu, dass Werbung von den Seiten verschwindet, erklärte eine GVU-Sprecherin Anfang Juli gegenüber iRights.info. Nach GVU-Erkenntnissen habe sich innerhalb der Internetwerbewirtschaft längst eine Schattenwirtschaft entwickelt, die gezielt darauf aus sei, solche illegale Internetangebote am Leben zu erhalten. „Dazu gehören insbesondere Betreiber von Abzockseiten und anderen dubiosen Angeboten, deren Werbung nicht auf seriösen Seiten platziert werden kann“, so die Sprecherin.
Zum „schwarzen Segment“ zählt die GVU aber auch Unternehmen, „die ihre Werbung sehenden Auges auf den illegalen Portalen schalten oder schalten lassen, um aus dem enormen und billigen Datenverkehr größtmöglichen Profit zu schlagen“. Bis vor wenigen Wochen war beispielsweise noch die Anzeige eines großen Sportwetten-Anbieters auf dem Streaming-Portal movie2k geschaltet, das wie kino.to massenhaft Filme gratis anbietet.
GVU: Den ‚Lebensnerv‘ treffen
Die GVU hofft auf einen Boykott durch die Werbewirtschaft. „Da solche illegalen Portale einzig zu dem Zweck betrieben werden, damit möglichst viel Geld zu verdienen, würde ein wirksamer Boykott der seriösen Werbewirtschaft einen ‚Lebensnerv‘ bei diesen strafbaren Geschäftsmodellen treffen“, so die Sprecherin. Schon die laufenden Verfahren wegen Beihilfe haben der GVU zufolge Wirkung erzielt. Einige illegale Portale seien wegen weggebrochener Einnahmen nicht mehr erreichbar.
Der ZAW arbeitet an einem System, die Anzeigenschaltung auf illegalen Portalen deutlich zu reduzieren. „Am Ende könnten technisch-organisatorische Strukturen stehen, mit denen die Werbewirtschaft das Thema selbstständig und effizient angeht“, so ZAW-Geschäftsführer Nauen.
Ein Weberboykott gegen bestimmte Internetportale könnte allerdings wettbewerbsrechtliche Fragen aufwerfen. Wer soll entscheiden, auf welchen Seiten nicht geworben wird und welche zulässigen Kriterien könnte es für den Ausschluss geben? Nauen erklärt, man müsse diese Aspekte unter praktischen aber auch rechtlichen Gesichtspunkten genau prüfen. Man wolle Schnellschüsse vermeiden.
1 Kommentar
1 Jürgen am 25. August, 2013 um 21:45
Ein Schlag gegen Kino to aber richtig so. Die Filmemacher sind auch nur normale Menschen und wollen ihr Essen damit bezahlen.
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