Kanada: Cachen von Webseiten bald verboten?
„…der Rechteinhaber hat kein Anrecht auf Rechtsmittel, außer eine einstweilige Verfügung zu erwirken gegen die Anbieter von Informations-Suchwerkzeugen, die das Urheberrecht verletzen, indem sie eine Vervielfältigung des geschützten Werks erstellen oder zwischenspeichern.“ So lautet der betreffende Absatz des Gesetzentwurfs C-60 (Bill C-60), der die Vorgaben, die 1996 von der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in ihrem Copyright Treaty festgelegt wurden, in kanadisches Recht umsetzen soll.
Mitglieder der Organisation sind verpflichtet, diese Richtlinien in ihre Landesgesetze zu übernehmen. Dafür müssen sie eigene Gesetze entwerfen. In Deutschland ist das zum Teil durch den so genannten Ersten Korb der Urheberrechtsnovelle geschehen, der 2003 in Kraft trat; der Zweite Korb liegt wegen der vorgezogenen Neuwahlen derzeit auf Eis.
Das neue kanadische Gesetz soll für Tauschbörsen, Kopierschutzmaßnahmen und die Haftung von Internet-Service-Providern (ISPs) Regeln aufstellen. Michael Geist, Professor an der University of Ottawa und einer der bekanntesten kanadischen Urheberrechtler, hatte den Entwurf bereits mehrfach kritisiert, weil er zu einseitig auf die Interessen der Musik- und Filmindustrie abgestimmt sei.
Sollte das Gesetz C-60 wie geplant in Kraft treten, „könnte jeder Website-Inhaber klagen“, und jeder, der Web-Inhalte zwischenspeichert, könnte verklagt werden, sagte Geist gegenüber dem US-Nachrichtendienst Cnet News.com. „Jemand, der mit einem Anbieter ein Hühnchen zu rupfen hat, oder auch ein Konkurrent könnte das Gesetz nutzen, um Inhalte entfernen zu lassen“, befürchtet Geist, da im Gesetz keine Abschreckungsmechanismen gegen bewusst falsche Urheberrechtsklagen verankert seien.
Erst kürzlich hatte eine US-Firma das Internet Archive mit der Begründung verklagt, es hätte bestimmte Inhalte nicht einer Konkurrenzfirma zugänglich machen dürfen.
Die kanadische Regierung hält den Kritikern entgegen, der Entwurf würde die aktuelle Rechtslage verbessern. Nach den geltenden Gesetzen können Anbieter von Web-Inhalten andere Firmen verklagen, wenn sie annehmen, dass diese ohne Genehmigung Material kopieren. Unter dem C-60-Gesetz müssten die Anbieter die vermeintlichen Rechtsverletzer immer erst in Kenntnis setzen, bevor sie Schadenersatz einklagen können, erläuterte Albert Cloutier, geschäftsführender Direktor der Abteilung für Politik des Geistigen Eigentums im kanadischen Industrieministerium, gegenüber Cnet.
Sollte es sich tatsächlich um eine Rechteverletzung handeln, könnte ein betroffenes Unternehmen lediglich verlangen, dass die Inhalte entfernt werden. Nur wenn das nicht passiere, könne eine Schadenersatzklage angestrengt werden, sagte Cloutier.
Nach Angabe von Geist und Cloutier ist es bisher nicht vorgekommen, dass Suchmaschinenbetreiber wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt wurden. „Theoretisch könnten sie für Verletzungen haftbar sein“, interpretiert Geist die aktuelle Rechtslage, „wir wissen aber nicht, wie die kanadischen Gerichte solches Verhalten unter den geltenden Gesetzen beurteilen würden.“
Über den Entwurf wird erst nach der Sommerpause im kanadischen Unterhaus abgestimmt. Danach muss der zuständige Ausschuss ihn debattieren und überarbeiten, bevor er erneut zur Abstimmung ins Unterhaus eingebracht wird. Wenn dieses zustimmt, wird der Entwurf dem Senat zur endgültigen Abstimmung vorgelegt.
Wendy Seltzer, Juristin der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF), warnte davor, das Gesetz in der vorliegenden Fassung zu verabschieden. Seltzer leitet das „Chilling Effects Clearinghouse“, das von der Harvard-Universität und der EFF unterstützt wird. Ziel des Projekts ist es, gegen Gesetze und Urteile vorzugehen, die dazu dienen können, Unternehmen und Privatpersonen einschüchtern. „Es wäre ein Problem, wenn der Entwurf in einer vagen Fassung Gesetz wird und dadurch Suchmaschinenbetreiber denken, sie gehen Risiken ein und deshalb ihre Aktivitäten zurückschrauben“, sagte Seltzer.
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