Justus Haucap zum Fair-Share-Streit: “Die Verleger wollen einfach Geld”
Zur Person:
Justus Haucap ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Gründungsdirektor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE). Als Vorsitzender der Monopolkommission berät Haucap die Bundesregierung in Fragen der Wettbewerbspolitik und Regulierung.
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iRights.info: Die deutschen Verleger wenden sich mit einer Kartellrechtsbeschwerde nach Brüssel. Sie wollen eine finanzielle Beteiligung an den Werbeeinnahmen erkämpfen, die Google im Umfeld von Verlagsinhalten erzielt. Konkret geht es um Textauszüge aus Pressartikeln, die in den Google-Suchergebnissen zu sehen sind. Welche Chancen hat die Beschwerde?
Justus Haucap: Ich bin da sehr skeptisch. Es wäre eine sehr große Überraschung, wenn die EU-Kommission sagen würde, Google muss für etwas bezahlen, für das sonst niemand zahlt.
iRights.info: Man könnte argumentieren, die Verlage sind mehr oder minder gezwungen, ihre Inhalte Google kostenlos zu Verfügung zu stellen, weil sie andernfalls angesichts der marktbeherrschenden Stellung Googles gar nicht mehr wahrgenommen würden…
Justus Haucap: Allgemein ist es im Wettbewerbsrecht so, dass marktbeherrschende Unternehmen gewisse Verpflichtungen haben. Sie dürfen nicht notwendigerweise alles tun, was andere Unternehmen dürfen. Für den Suchmaschinen-Markt und mit Einschränkungen auch für den Werbemarkt im Internet lässt sich sagen, dass Google eine sehr starke, vielleicht marktbeherrschende Position innehat.
Aber ob Google diese Position zum Schaden der Verleger missbraucht, müsste erst einmal bewiesen werden. Ich habe da große Zweifel. Google verlinkt einfach Zeitungsseiten, ohne dafür zu zahlen. Das heißt, Google zahlt keinen geringeren Preis als andere, – das wird marktbeherrschenden Unternehmen nämlich oft vorgeworfen – , sondern einfach nur denselben Preis, nämlich gar keinen. Ich kann nicht erkennen, wie die EU-Kommission das als Ausbeutungsmissbrauch werten soll.
“Sehr schwer, das als Missbrauch darzustellen”
iRights.info: Aber wer bei Google nicht mitspielt, ist raus, könnten die Verleger argumentieren…
Justus Haucap: Man muss sich fragen, ob wirklich ein Zwang für die Verlage besteht, mitzuspielen. Jeder kann dafür sorgen, dass seine Inhalte gar nicht bei Google verlinkt werden oder nur in eingeschränkter Form, also ohne Textauszüge. Im Kern geht es um ein Geschäft, von dem zunächst einmal beide Seiten profitieren, also Google und die Verlage.
Wenn Google Geld verlangen würde, damit die Verlagsinhalte überhaupt gelistet werden, dann wäre der Fall schwieriger zu bewerten. Aber solange Google die Inhalte für die Verlage kostenlos listet, ist es sehr schwer, das als Missbrauch darzustellen.
iRights.info: Die Verleger haben ihre Beschwerde beim Bundeskartellamt zurückgezogen und zur EU-Kommission verlagert. Macht das einen Unterschied?
Justus Haucap: Ich weiß nicht, warum die Verleger ihre Beschwerde beim Bundeskartellamt zurückgezogen und nach Brüssel verlagert haben. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ihnen vom Kartellamt signalisiert wurde: Das wird nichts.
“Der Verbraucher hätte davon nichts”
iRights.info: Ist die Beschwerde ein Symptom dafür, dass der Verlagsbranche im Internet immer noch tragfähige Geschäftsmodelle fehlen?
Justus Haucap: Sicherlich. Im Kern wollen die Verleger einfach Geld. An den Business Schools sagt man, es gibt Market-Strategies und Non-Market-Strategies. Eine Market-Strategy ist beispielsweise, ein Produkt attraktiver zu machen. Eine Non-Market-Strategy ist es, über politisches Lobbying oder juristische Wege an Geld zu kommen. Die Verleger scheinen mit dem politischen Lobbying, mit der Idee eines neuen Leistungsschutzrecht, nicht voranzukommen, nun versuchen sie einen juristischen Weg über das Kartellrecht. Die überzeugende Marktstrategie scheint dagegen weiter zu fehlen. Aus Sicht des Kartellrechts steht letztendlich der Verbraucher im Vordergrund. Er hätte von einer erfolgreichen Fair-Share-Beschwerde der Verleger aber nichts.
Wird Google dauerhaft zum Monopolisten?
iRights: Googles dominante Position erscheint trotzdem vielen unheimlich. Haben Sie als Wettbewerbsökonom kein Unbehagen, wenn ein Unternehmen so mächtig wird?
Justus Haucap: Natürlich hat man da als Wettbewerbsökonom Bauchschmerzen. Aber die Beschränkung der Marktmacht ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn ich als Unternehmen von vorneherein weiß, dass meine Marktmacht beschnitten und der Kuchen unter allen aufgeteilt wird, wenn ich sehr erfolgreich bin, dann fehlen mir schnell die Anreize, überhaupt Kuchen zu backen, also zur Leistung und zur Innovation.
Richtig problematisch wird die Marktmacht erst dann, wenn sie kein temporäres Phänomen mehr ist. Bei Google stehen wir jetzt genau an dieser Schwelle. Wir wissen nicht genau, ob das Unternehmen sich zum dauerhaften Monopolisten entwickelt, der reguliert werden müsste, oder ob es in zehn Jahren womöglich schon wieder verschwunden ist.
Was sagen Sie dazu?