Justizministerin diskutiert mit Experten und Urhebern über den `Zweiten Korb`
Unter dem Titel „Reform gegen Urheber?“ hatte die Akademie der Künste profilierte Kreative geladen, um mit der Bundesjustizministerin die zweite Stufe der Urheberrechtsnovellierung, den so genannten 2. Korb, zu diskutieren. Regisseur Hark Bohm, Akademie-Präsident und Plakatkünstler Klaus Staeck, Komponist Manfred Trojahn und Gerhard Pfennig, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST kritisierten am Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor allem die geplante Regelung für Geräteabgaben und die Möglichkeit, Rechte an unbekannten Nutzungsarten abzutreten.
Verhältnis zwischen Kreativen und Rechteverwertern unausgewogen
Hark Bohm, bekannt geworden als Regisseur von Filmen wie „Nordsee ist Mordsee“ und „Yasemin“ und als Darsteller in Filmen von Rainer Werner Fassbinder, beschrieb die Situation von Künstlern und Rechteverwertern, wie etwa großen Filmstudios, als unausgewogen. Das sei ein besonders schwer wiegendes Problem, wenn es darum gehe, Rechte an unbekannten Nutzungsarten abzutreten. „Wenn jemand davon ausgeht, wir wollen nicht veröffentlichen, versteht er die Grundlagen unseres Berufes nicht,“ sagte Bohm, um dem Vorwurf entgegen zu treten, Künstler hätten grundsätzlich etwas gegen neue Nutzungsarten. Aber die Kreativen müssten einerseits die Kontrolle darüber behalten, dass neue Nutzungsarten ihre Werke nicht zerstören, etwa indem ein Film in Häppchen über UMTS-Handys angeboten würde.
Urheber müssen wirtschaftlichen Nutzen ziehen
Zum anderen sei eine es Grundlage des Urheberrechts, dass der wirtschaftliche Nutzen dessen, was der Urheber geschaffen hat, auch dem Urheber zugute kommen soll, ergänzte Bohm. Nur sei es „ein Irrtum zu glauben, dass die Vereinbarungen zwischen gleichstarken Partnern zustande kommen“. Große Rechteverwerter könnten im Gegenteil die Geschäfts- und Vermarktungsbedingungen diktieren. „Die Urheber haben nur einen verlässlichen Partner, nämlich den Gesetzgeber,“ appellierte Bohm an Zypries, eine urheberfreundliche Regelung zu finden. Der Gesetzentwurf sieht derzeit vor, dass Urheber per Vertrag Verwertungsrechte an Nutzungsarten abtreten können, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht bekannt sind. Sollten Werke dann später so genutzt werden, müssen die Urheber eine Vergütung bekommen, können aber nicht darauf bestehen, dass die Vergütung mit den Verwertern neu ausgehandelt wird, wie es bisher der Fall ist.
Aus dem Publikum wurde Bohm von Jost Vacano unterstützt, der als Kameramann Filme wie „Die unendliche Geschichte“, „RoboCop“ oder „Total Recall“ gedreht hat und für „Das Boot“ für den Oscar nominiert war. Die Situation sei am besten mit dem Sprichwort „Vogel friss oder stirb“ beschrieben: „Das Boot läuft seit 25 Jahren, in sechzig Wiederholungen; dafür habe ich nichts bekommen,“ so Vacano. „Wenn ich damals gesagt hätte, ich will aber beteiligt werden, dann hätte der Produzent gesagt: dann sehen sie mal, ob sie jemanden finden, der ihnen das unterschreibt – die nächsten Kameraleute warten schon. So was geht in dieser Branche nicht.“
Zypries: Urheberrecht regelt nicht das Einkommen der Kreativen
Zypries’ Entgegnung, dass sie zwar auch ein Ungleichgewicht sehe zwischen Kreativen und denen, die die Kreativen vermarkten, das Urheberrecht aber nicht helfen könne, das zu ändern, rief beim Publikum Unverständnis hervor. „Es gibt viele Urheber, die denken, dass sie zu wenig verdienen, wenn sie versuchen, von bildender Kunst oder Journalismus zu leben,“ sagte Zypries, „aber das Urheberrecht kann nicht das Einkommen der Kreativen regeln, es ist nicht sein Job zu garantieren, dass ein Freiberufler 2000 Euro im Monat verdient.“ Das Urheberrecht regele nur das Verfahren, wie vergütet wird, aber nicht die Höhe. Dabei warb Zypries auch um Verständnis für die Interessen diejenigen, die „Kunst mitteln, auch etwa die Produzenten beim Film“ – es gebe einen zunehmenden Widerspruch zwischen ihren Interessen, Werke auszuwerten, und denen derjenigen, die sie schaffen.
Neuordnung des Vergütungssystems umstritten
Viel Kritik rief auch der Plan der Bundesregierung hervor, die Geräteabgaben auf maximal fünf Prozent des Verkaufspreises zu begrenzen. Diese Abgaben werden derzeit auf Geräte erhoben, die zum Kopieren geeignet sind, etwa CD-Brenner, als Ausgleich dafür, dass es erlaubt ist, private Kopien zu machen. An diesen privaten Kopien werden die Urheber beteiligt, indem Abgaben auf Geräte von den Verwertungsgesellschaften eingenommen und nach einem bestimmten Schlüssel an die Rechteinhaber verteilt werden. In Zukunft sollen Abgaben nur noch auf Geräte erhoben werden, die tatsächlich zum Kopieren genutzt werden, nicht auf solche, mit denen man grundsätzlich kopieren kann. Welche das sind, soll mithilfe von Marktforschung ermittelt werden.
Diese Vereinbarungen seien im so genannten kooperativen Gesetzgebungsprozess gefunden worden, so Zypries. Noch nie zuvor seien die betroffenen Interessengruppen so stark in die Gesetzgebung eingebunden gewesen wie bei der Urheberrechtsnovelle, sagte die Ministerin, aber es sei eben schwer, einen Ausgleich zu finden. Vertreter der Geräteindustrie hätten andere Vorstellungen davon als die Urheber, und Verbraucherschützer und die „organisierte Zivilgesellschaft“ hätten sich sogar dafür eingesetzt, das Kopieren völlig frei zu geben.
Verwertungsgesellschaften befürworten Privatkopie
Gerhard Pfennig, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST, widersprach dieser Darstellung. Die Verwertungsgesellschaften hätten sich sehr dafür eingesetzt, die Privatkopie zu erhalten, da die Informationsgesellschaft die private Vervielfältigung brauche. Es sei sehr gut, dass die Regierung diesen Grundsatz beibehalten habe, der 1965 eingeführt wurde und so Bahn brechend war, dass jetzt 22 Länder in der EU vergleichbare Systeme haben, so Pfennig.
Aber die Deckelung der Abgaben sei gerade nicht gemeinsam vereinbart worden, sondern auf Druck der Industrievertreter in den Gesetzentwurf eingebracht worden. „Nun stehen wir mit Fuß- und Handfesseln da: es gibt die Deckelung, auch noch unterschiedliche Preise für ein- und dasselbe Gerät, je nach Werbekampagne und Geschäft – auf dieser Basis sollen wir Vergütungen aushandeln. Ich weiß gar nicht, wie das gemacht werden soll,“ so Pfennig. Dass die Industrie nicht bereit sei, sich zu einigen, sehe man am Verfahren um die Abgabe auf PCs. Pro PC sollen zwölf Euro gezahlt werden – „das wird die Hersteller nicht in den Ruin treiben,“ sagte Pfennig, doch „jetzt hängen wir vor dem Oberlandesgericht München, von da geht’s zum Bundesgerichtshof, in drei Jahren wissen wir, wie hoch ein PC abgabepflichtig wird.“ Er sei der Ansicht, dass Unter- und Obergrenzen für Abgaben verschwinden sollten: „So wie der Entwurf da steht, es wird zu endlosen Streitigkeiten führen.“
Die Kampagne der Verbraucherschützer, von der Zypries gesprochen habe, sei ein Papiertiger, so Pfennig weiter: „Die Verbraucher verstehen sehr wohl, dass Urheber eine Vergütung brauchen.“ Seiner Einschätzung nach werde die Vergütung um etwa 40 Prozent einbrechen im Vergleich zur aktuellen Situation. Dem widersprach Zypries. Zwar würden die Abgaben gedeckelt, aber es würden auch wesentlich mehr Geräte verkauft, die veranlagt werden könnten.
Pfennig: Abgaben für Urheber werden einbrechen
Wenn es aber doch so unwahrscheinlich sei, dass die Abgaben einbrechen, warum setze die Regierung dann nicht einen Ausgleichsfonds ein für den Fall, dass es doch passiert? Auf diese Frage aus dem Publikum entgegnete die Ministerin, dass man das Verfahren nicht über-bürokratisieren wollen. Die Frage, ob in dem Fall, dass die Einnahmen der Urheber tatsächlich um die Hälfte zurück gingen, wie etwa von der VG Wort befürchtet, die Geschäftsgrundlage für das Gesetz entzogen sei, antwortete Zypries mit einem knappen „Ja“.
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