Vier Verlage verklagen das Internet Archive wegen „Notfall-Bibliothek“
Bekannt ist das Internet Archive vor allem für seine Internet-Zeitreisemaschine „Wayback Machine“. Damit lassen sich alte oder zwischenzeitlich gelöschte Websites in früheren Versionen am heimischen Bildschirm aufrufen.
Außerdem bietet das Internet Archive mit der digitalen Ausleihe von Büchern eine weitere beliebte Funktion, die das Prinzip physischer Bibliotheken nachahmt. Wie Nutzer*innen damit arbeiten können, erklärt iRights.info hier:
Tipps für das Internet Archive: Wie Wayback Machine und die digitale Bücherausleihe funktionieren
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Die Klage der Verlage
Vier Verlage sind allerdings nicht vom Internet Archive begeistert. Ihre Klage geht zurück auf das Jahr 2020 und den Beginn der Corona-Pandemie in den USA: Während der Pandemie-bedingten Schließung zahlreicher Bibliotheken, Schulen und Universitäten bot das Internet Archive für einige Wochen eine sogenannte „Notfall-Bibliothek“ („National Emergency Library“) mit liberalisierten Bedingungen für die digitale Ausleihe an.
Normalerweise kann ein digitales Buch immer nur von einer begrenzten Anzahl an Personen gleichzeitig „ausgeliehen“ werden (in der Regel: eine Person). Der Zugriff auf die digitalen Ausgaben wird über das sogenannte „Controlled Digital Lending“ (CDL) künstlich beschränkt, das Ausleih-Prinzip von physischen Büchern und Bibliotheken virtuell nachgeahmt.
Kontrollverlust bei digitaler Buchausleihe?
Die CDL-Beschränkungen hob das Internet Archive für den Zeitraum der Corona-Schließungen bis Juni 2020 auf. Das schürte Ärger bei Autor*innen und Verlagen: Die vier US-Verlage Hachette, Wiley, HarperCollins und Penguin Random House reichten eine Klage ein. Sie sind der Ansicht, dass das Internet Archive in dieser Zeit Urheberrechte verletzt hat.
In der Klageschrift beziffern die Verlage ihren Schaden auf rund 19 Millionen Dollar, wie netzpolitik.org berichtet. Das entspreche etwa dem Jahresbudget des digitalen Archivs und bedrohe daher seine Existenz. Gemeinnützige Organisationen wie Creative Commons oder die Electronic Frontier Foundation (EFF) solidarisierten sich bereits mit dem Internet Archive. Die EFF übernimmt zudem die juristische Verteidigung und veröffentlichte die Klageschrift.
Gemeinnütziger Vorstoß wird zum Bumerang
Die Klage liest sich stellenweise so, als hielten die Verlage das Internet Archive für eine Piraterie-Plattform, die das US-amerikanische Verlagswesen wesentlich gefährde. Dabei ist der Hintergrund in Wirklichkeit die große Herausforderung, die die Pandemie der Welt im Frühjahr 2020 bescherte.
So entwickelten zahlreiche Organisationen offene(re) Zugänge zu ihren Gütern oder stießen zumindest Diskussionen dazu an, etwa durch neue Lizenzmodelle, die Lockerung von Patenten oder den temporären Zugang zu ihren Katalogen. Das sind gemeinnützige Vorstöße, die der Öfffentlichkeit zu Gute kamen. Die Aktion des Internet Archive sollte ebenfalls in diesem Zusammenhang gesehen werden.
Sammeln, bewahren, zugänglich machen: So arbeitet das „Internet Archive“
Vor 20 Jahren gründete sich in den USA die gemeinnützige Organisation „Internet Archive“. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, Webseiten, Texte, Fotos, Audio- und Video-Werke sowie Videospiele und Software dauerhaft zu speichern und zur Verfügung zu stellen. Alexis Rossi vom Internet Archive beschreibt, wie sich dessen Arbeitsfelder und Ziele fortentwickelt haben. » mehr
Bereits 1996 wurde das Internet Archive als gemeinnützige Organisation gegründet, die der Öffentlichkeit digitale Kopien von Büchern, Filmen, Musik, Software, Spielen oder anderen Inhalten zur Verfügung stellt. Das vereinfacht den Zugang zu Wissen und kulturellen Werken, für heutige genauso wie für zukünftige Generationen. Auch groß angelegte Digitalisierungsprojekte, beispielsweise für Schallplatten oder VHS-Kassetten, gehören zum Programm des digitalen Archivs.
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“.
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