Inhalte einbetten: Was genau erlaubt der Europäische Gerichtshof?

Der EuGH in Luxemburg. Foto: Cédric Puisney, CC BY
Der Beschluss des Europäischen Gerichtshofs zum Einbetten fremder Inhalte hat unterschiedliche Interpretationen mit sich gebracht, was daraus folgt. So hat der Europäische Gerichtshof zwar zwei Bedingungen aufgestellt, unter denen Embeds – urheberrechtlich betrachtet – erlaubt sind. Doch wann diese Bedingungen in anderen Konstellationen greifen oder nicht, muss sich noch zeigen.
Besonders, was die Richter unter anderen „technischen Verfahren“ verstehen, bleibt unklar. Zudem legt der Gerichtshof zwar nahe, dass auch rechtswidrig hochgeladene Inhalte beim Embedding ebenso behandelt werden wie rechtmäßige. Aber deutlich ist die Entscheidung hier nicht.
1. Wird durch ein Embed ein neues Publikum erreicht?
Aus dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich, dass die erste Frage beim Einbetten lautet, ob dadurch ein „neues Publikum“ erreicht wird. Solange ein eingebetteter Inhalt das nicht tut, handelt es sich nicht um eine erneute „öffentliche Zugänglichmachung“. Also braucht man für solches Einbetten keine Rechte einholen.
Was aber ist ein „neues Publikum“? Der Europäische Gerichtshof verweist hier auf seine Entscheidung zur Verlinkung im Fall „Svensson“ und überträgt sie auf das Einbetten: Wenn Inhalte öffentlich im Web zugänglich sind, kann jeder sie einsehen. Werden sie eingebettet, wird damit lediglich ein weiterer Zugangsweg zu Inhalten geschaffen, die ohnehin bereits öffentlich sind.
Inhalte frei zugänglich: kein neues Publikum
Aus der Tatsache, dass Inhalte öffentlich zugänglich sind, schließt der Europäische Gerichtshof, dass Rechteinhaber schon bei der ursprünglichen Veröffentlichung „an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben“ (Randnummer 18). Man könnte auch sagen: Ist ein Inhalt öffentlich zugänglich, lässt sich daraus schließen, dass der Rechteinhaber an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben muss. Ist das der Fall, darf der Inhalt auch eingebettet werden.
Das scheint sogar dann zu gelten, wenn der Rechteinhaber gar nicht wollte, dass sein Inhalt eingebettet wird. Jedenfalls ist dem Beschluss nicht zu entnehmen, dass es darauf ankommt, ob der Inhalt mit einer Embed-Funktion versehen wurde – etwa, weil eine Plattform das vorsieht. Da der Gerichtshof hier nicht differenziert, scheint Embedding sogar dann zulässig zu sein, wenn der Rechteinhaber eine vorhandene Embed-Funktion bewusst nicht aktiviert.
Inhalte beschränkt zugänglich: neues Publikum
Dennoch lässt sich der Argumentation entnehmen, dass bestimmte Inhalte nicht ohne Weiteres eingebettet werden dürfen. Bei Inhalten hinter Paywalls liegt das auf der Hand, denn sie sind nicht frei zugänglich. Aber auch ein Video oder Foto, das zum Beispiel auf Facebook nur „für Freunde“ einsehbar sein soll, ist in diesem Sinn nicht „frei zugänglich“, sondern nur für ein begrenztes Publikum. Solche Inhalte öffentlich im Web einzubetten, ist zwar über die Foto- oder Video-URL technisch möglich, kann aber dennoch Urheberrechte verletzen.
Ähnlich wäre es zum Beispiel mit Fotos im „Dark Twitter“, die nur für Follower zugänglich sein sollen – oder vergleichbaren Varianten bei anderen Webdiensten. Unabhängig vom Urheberrecht könnte es auch leicht Persönlichkeitsrechte verletzen, solche auf bestimmte Adressaten beschränkte Inhalte einzubetten.
2. Kommt ein anderes „technisches Verfahren“ zum Einsatz?
Dem Beschluss lässt sich eine zweite Bedingung entnehmen, die zur ersten hinzu kommen muss, wenn das Einbetten erlaubt sein soll: Embedding kann auch dann in Urheberrechte eingreifen, wenn es auf einem „speziellen technischen Verfahren basiert, das sich von der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet“ (Randnummer 19).
Leider wird mit diesem zweiten Kriterium viel offen gelassen: Was ist überhaupt mit solchen Verfahren gemeint? Es liegt in der Funktionsweise eines Embeds, dass ein eingebetteter Inhalt das „Wiedergabeverfahren“ von der Ursprungsseite übernimmt. Mit diesem zweiten Kriterium wird vielleicht nur eingegrenzt, was überhaupt als Embedding im Sinne des Gerichts in Frage kommt.
Mit dem „speziellen technischen Verfahren“ lässt der Gerichtshof jedenfalls eine Tür offen, das Einbetten in anderen Szenarien auch anders zu bewerten als im jetzt entschiedenen Fall. Welche Szenarien damit gemeint sein könnten, bleibt aber unklar.
Zusatzfrage: Wurde das Video rechtmäßig hochgeladen?
Erstaunlicherweise geht der Europäische Gerichtshof nicht klar darauf ein, ob ein Inhalt rechtmäßig ins Netz gestellt worden sein muss, um eingebettet werden zu dürfen. Im konkreten Streit war das zumindest fraglich. Der Kläger meinte, dass es ursprünglich ohne Rechte veröffentlicht worden sei.
An dieser Stelle bleibt der Gerichtshof im Ungefähren:
- Zunächst wird im Beschluss argumentiert, dass „die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben.“ Würde das Einbetten voraussetzen, dass ein Inhalt rechtmäßig hochgeladen wurde, wären Nutzer nur hier auf der sicheren Seite. Wer aber unrechtmäßig hochgeladene Videos einbettet, könnte weiter Urheberrechte verletzen. Bei Foto- und Videoplattformen würde dann weiterhin viel Unsicherheit für Nutzer lauern: Ob Inhalte dort rechtmäßig hochgeladen wurden, lässt sich meist gar nicht sicher beurteilen. Nur bei Plattformen wie kinox.to und anderen ist das relativ eindeutig nicht der Fall.
- Dennoch kommt der Europäische Gerichtshof zum Schluss, dass das bloße Einbetten nach den ersten beiden Kriterien allein noch keine Urheberrechte verletzen kann. Wenn ein rechtmäßig hochgeladener Inhalt beim Einbetten aber kein „neues Publikum“ schafft, wie sollte es ein rechtswidrig hochgeladener? Auch rechtswidrig hochgeladene Inhalte sind bereits für alle Internetnutzer zugänglich. Sie einzubetten, kann der Argumentation des Europäischen Gerichtshofs nach eigentlich kein neues Publikum mehr eröffnen.
Wenn es also nicht darauf ankommen sollte, ob Inhalte mit Zustimmung des Rechteinhabers oder rechtswidrig ins Netz gelangt sind, müsste der Streit darüber immer über die Quelle geführt werden. Verschwindet die Quelle, weil der rechtswidrig hochgeladene Inhalt vom Netz genommen wird, gehen auch Links und Embeds ins Leere.
Hierzu äußert sich der Europäische Gerichtshof aber nicht eindeutig. Es bleibt daher abzuwarten, ob dieser Punkt von den deutschen Gerichten im weiteren Verlauf des Verfahrens noch geklärt wird. Der Ball liegt nun erst einmal wieder beim Bundesgerichtshof.
Was sagen Sie dazu?