Günter Krings: „Ich habe auf Reformen gedrungen”
Zur Person
Dr. Günter Krings ist seit 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und verantwortet für seine Fraktion unter anderem die Bereiche Recht und Innenpolitik. iRights.info befragt die Bundestagsfraktionen in einer Interviewserie nach dem Stand der Urheberrechtsformen, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat. Foto:Detlef Illgner.
iRights.info: Die Bundesregierung hatte sich für diese Legislatur-Periode eigentlich eine Urheberrechtsreform vorgenommen (Dritter Korb). Warum ist abgesehen vom Leistungsschutzrecht für Presseverlage noch nichts geschehen?
Günter Krings: Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. In Gesprächen mit der Bundesjustizministerin habe ich stets auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten Reformen im Urheberrecht gedrungen. Leider ist es seitens des Bundesministeriums der Justiz lediglich bei Ankündigungen geblieben – zuletzt beim Zukunftsforum Urheberrecht am 19. September 2012.
iRights.info: Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgeworfen, sie gehe beim Thema Urheberrecht auf Tauchstation. Tut die Ministerin zu wenig?
Günter Krings: Die Urheber und deren Partner erwarten zu Recht eine Anpassung des Urheberrechts an die Herausforderungen der Digitalisierung. Der Kulturstaatsminister Bernd Neumann und ich haben die Justizministerin gemeinsam gebeten, ihren Ankündigungen zu einem besseren Schutz Geistigen Eigentums auch konkrete Gesetzentwürfe folgen zu lassen. Wir bedauern ihre passive Haltung.
Abmahnwesen – die weißen Schafe nicht aussortieren
iRights.info: Alle großen Fraktionen fordern eine Deckelung der Abmahngebühren. Warum steckt ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium fest?
Günter Krings: Wir sind uns alle einig, dass unseriöse Abmahnungen eingedämmt werden müssen. Die Justizministerin macht es sich jedoch mit einer sehr pauschalen Streitwertbegrenzung zu einfach. Nach ihrem Vorschlag sind billige und unseriöse Massenabmahnungen nämlich gerade weiterhin möglich. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in ihrem Positionspapier deutlich wirkungsvollere und differenzierende Maßnahmen vorgeschlagen. Dazu gehören umfangreiche Informations- und Darlegungspflichten für Abmahnungen sowie eine Verschärfung des § 97a UrhG, der bereits jetzt eine Begrenzung der Abmahnkosten vorsieht.
iRights.info: Warum wären unseriöse Massenabmahnungen nach dem Enwurf aus dem Justizministerium weiterhin möglich? Durch die Deckelung wäre dieses “Geschäftsmodell” doch für Abmahnanwälte nicht mehr attraktiv…
Günter Krings: Bei einem Streitwert von 1.000 Euro beläuft sich die Regelgebühr (1,3) auf 110,50 Euro. Die Einholung der IP-Adresse durch einen Drittanbieter kostet wohl zwischen 30 und 50 Euro. Damit sind Massenabmahnungen wohl wirtschaftlich noch möglich – seriöse Abmahnungen mit entsprechendem Rechercheaufwand jedoch nicht mehr. Damit würden also die weißen Schafe statt der schwarzen Schafe aussortiert.
iRights.info: Wenn sie mit der FDP einig sind, dass die Abmahnkosten zu begrenzen sind – warum konnte die Koalition dann in diesem wichtigen Punkt bislang keine Maßnahmen auf den Weg bringen?
Günter Krings: Seit März warte ich darauf, dass die Justizministerin mir auf meine Vorschläge antwortet.
LSR – “Den Verlagen fehlt das Eigentumsrecht”
iRights.info: Das von der Union vorangetriebene Leistungsschutzrecht für Presseverlage (LSR) steht in der Kritik. Verlage stellen ihre Inhalte selbst kostenfrei ins Netz und können schon heute die Listung in Suchmaschinen unterbinden, so ein Argument gegen das LSR. Unklar bleibe auch, wer nach dem neuen Recht Abgaben zu zahlen hat. Die Junge Union formuliert, das LSR sei ein „Angriff auf die freiheitliche und marktwirtschaftliche Architektur des Internets“. Können Sie die massiven Einwände nachvollziehen?
Günter Krings: Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage war von Anfang an ein gemeinsames Vorhaben von FDP und Union. Presseverlage können ihre Inhalte bislang eben nur kostenfrei im Internet anbieten, weil ihnen für durchsetzbare Bezahlmodelle ein Eigentumsrecht fehlt. Denn ohne dieses Recht könnten sich Verlage – trotz Paywall – rechtlich nicht gegen die ungefragte Vervielfältigung ihrer Inhalte durch Newsaggregatoren oder Suchmaschinen wehren. Das Leistungsschutzrecht schafft also endlich die Möglichkeit, dass Verlage ein echtes Wahlrecht haben, ob sie ihre Inhalte kostenfrei oder kostenpflichtig im Netz anbieten wollen. Die Höhe der Vergütung muss, so wie im Urheberrecht allgemein üblich, zwischen den Rechteinhabern und den (gewerblichen) Nutzern verhandelt werden.
Verlage sollen ihre Produkte rechtssicher verkaufen können
iRights.info: Verlage können schon jetzt technisch verhindern, dass ihre Inhalte in Suchmaschinen und Aggregatoren gelistet werden (Stichwort “robots.txt”). Gegen die Übernahme ganzer Artikel lässt sich urheberrechtlich vorgehen. Jedem Verlag steht es zudem frei, eine Paywall einzurichten, wie das beispielsweise die Financial Times Deutschland auch tut, wobei sie ihre Premium-Texte im Netz natürlich auch mit einer Überschrift, einem Vorspann und Textauszügen bewirbt. Wieso braucht es also ein Leistungsschutzrecht, um kostenpflichtige Inhalte anzubieten?
Günter Krings: Jede Paywall kann von Newsaggregatoren unterlaufen werden, ohne dass die Verlage sich dagegen mit einem eigenen Recht wehren können. Auch bei einer Abänderung der robots.txt sind die Verlage nicht vor einer unberechtigten gewerblichen Nutzung ihrer Inhalte sicher, denn sie können schließlich immer noch kopiert werden. Genau darum geht es aber doch bei dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage: dass Verlage ihre Produkte endlich rechtssicher im Internet verkaufen können.
Verwertungsgesellschaft soll Ungleichgewichte ausgleichen
iRights.info: Sie sagen, die Höhe der Vergütung soll zwischen den Rechteinhabern und den (gewerblichen) Nutzern verhandelt werden. Die ‘Großen’ wie der Axel-Springer-Verlag und Google könnten sich vielleicht auf Vergütungen einigen. Bei kleinen Anbietern von Inhalten hätten Aggregatoren und Suchmaschen kaum einen Anreiz, für die Darstellung von Überschriften und Mini-Textauszügen zu bezahlen. Sie würden entweder gar nicht zahlen oder die kleinen Angebote eben aus den (Such-)Ergebnissen streichen. Stärkt das Leistungsschutzrecht nicht einfach die starke Position von Konzernen?
Günter Krings: Deswegen habe ich mich dafür ausgesprochen, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage an eine Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit zu knüpfen, damit diese Verwertungsgesellschaft sowohl für kleine als auch für große Verlage verhandelt und Ungleichgewichte ausgleichen kann. Dies werden wir in der anstehenden Anhörung diskutieren.
iRights.info: Ihr Parteikollege Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags,bezeichnet den Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht als “Mogelpackung” und “Taschenspielertrick“. Die Arbeit der Journalisten sei bereits ausreichend durch das Urheberrecht geschützt. Immer noch fehle eine überzeugende Begründung für das Gesetz. Hat Herr Kauder das Leistungsschutzrecht nicht verstanden?
Günter Krings: Mein Kollege Siegfried Kauder ist Vorsitzender des Rechtsausschusses und äußert sich daher zu vielen rechtspolitischen Themen.
“Wir haben uns deutlicher als andere positioniert”
iRights.info: Sie fordern ein modernes Urheberrecht in der Wissenschaft. Wo besteht Handlungsbedarf?
Günter Krings: Die Digitalisierung hat auch die Veröffentlichung und die Nutzung wissenschaftlicher Literatur erheblich verändert. Open Access und Creative Commons sind neue Wege, die es zu unterstützen gilt, wofür aber nicht zwingend das Urheberrecht geändert werden muss. Handlungsbedarf sieht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor allem bei der Schaffung einer einheitlichen Wissenschaftsschranke.
iRights.info: Wie will sich die CDU vor der Bundestagswahl in der Urherberrechtsdebatte positionieren?
Günter Krings: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bereits ein umfangreiches Positionspapier zum Urheberrecht verabschiedet und sich damit deutlicher als viele andere Fraktionen positioniert. Eine klare Position zum Urheberrecht ist zum Beispiel weder bei den Piraten noch bei den Grünen zu erkennen. Diese Kakophonie in der Opposition übertönt eindrucksvoll das Schweigen der Justizministerin.
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