Gummi-Enten-Posse beendet – wie riskant ist Facebook?
Der Fall machte im April die Runde: Der Betreiber einer Firmenseite auf Facebook erhielt eine Abmahnung. Der Grund: Ein Fan hatte das urheberrechtlich geschützte Foto einer Gummi-Ente auf seine Pinnwand gestellt. Der Rechteinhaber drängte auf Unterlassung und drohte mit Schadensersatzforderungen. Die Streitparteien haben sich nun auf einen Vergleich geeinigt. Das teilte die Anwaltskanzlei der abgemahnten Firma am Donnerstag mit. Das Badeenten-Foto (Streitwert: 500 Euro) war nur ein Streitpunkt in einem größeren Konflikt. Es bleibt unklar, ob und in welcher Höhe beim Abgemahnten tatsächlich Kosten wegen des Enten-Bilds angefallen sind.
Das Landgericht Halle äußerte sich allein zu den formellen Voraussetzungen des einstweiligen Verfügungsantrags, nicht zur Sache selbst. Weiterhin fehlt also ein klärendes Urteil zur Frage, ob Facebook-Nutzer bei Urheberechtsverletzungen durch Dritte gerade stehen („Störerhaftung“).
Der Anwalt und Blogger Udo Vetter riet bereits im April zur Gelassenheit. Die Pinnwand sei kein eigenes Angebot des Facebook-Nutzers. Deshalb hafte er nicht für Inhalte Dritter. Eine Störerhaftung würde – wenn überhaupt – Facebook treffen. Selbst wenn man die Pinnwand rechtlich wie einen Blog oder ein Forum des Nutzers wertet, ist das Risiko einer kostenpflichten Abmahnung Vetter zufolge gering. Für diesen Fall gelte: Erst wenn der Nutzer über rechtswidrige Inhalte informiert wurde und sie trotz dieser Kenntnis nicht entfernt, kann ihn eine eigene Verantwortung treffen.
Abmahnungen auf Facebook: Wann ist etwas öffentlich?
Wichtiger noch als die „Störerhaftung“ mag für den Facebook-Nutzer die Frage sein, inwieweit er selbst Urheberrechtsverletzungen begeht, wenn er fremde Texte, Fotos, Videos und Musikstücke auf seiner Pinnwand einstellt oder verlinkt. Unklar bleibt, ob es sich in diesen Fällen um Veröffentlichungen im Sinne des Urheberrechts handelt. Der Nutzer könnte argumentieren, dass er Werke nur einem privaten Familien- und Freundeskreis zugänglich macht, indem er die Sichtbarkeit auf „Freunde“ beschränkt. Im privaten Rahmen wäre die Zugänglichmachung auch urheberrechtlich geschützter Werke nämlich legal.
Allerdings entscheiden Gerichte über die Abgrenzung des privaten Rahmens von Fall zu Fall. In Anwaltskreisen kursierte in analogen Zeiten die Faustregel: Maximal 100 Personen können glaubwürdiger Weise zum engen Familien- und Freundeskreis zählen. Doch halten Menschen in digitalen Zeiten – auch wegen der sozialen Netzwerke – mit weit mehr Menschen regelmäßig Kontakt. Hunderte Facebook-Freunde sind keine Seltenheit. Gerichtsentscheidungen darüber, wo der private Rahmen im digitalen Zeitalter endet, stehen noch aus.
Der Rechtsanwalt Christian Solmecke sieht jedenfalls massive Risiken: “Millionen Menschen, vor allem Jugendliche, unterhalten auf Facebook eine eigene ‘Homepage’. Da sie hier oft Inhalte für mehrere hundert Freunde veröffentlichen, kann von einer privaten Nutzung nicht mehr gesprochen werden.“Auch der Kölner Anwalt Arno Lampmann warnt: „Nutzer dürfen auf gar keinen Fall den Facebook-Freundeskreis automatisch mit einem privaten Rahmen im Sinne des Urheberrechts gleichsetzen.“ Solmecke fürchtete bereits eine „wahre Lawine“ an Abmahnungen. „Wenn man sich dann ansieht, wie unbekümmert urheberrechtsgeschützte Inhalte veröffentlicht werden, sage ich: Die typische Facebook-Pinnwand eines Teenagers ist für Abmahnanwälte bis zu 15.000 Euro wert.”
Abmahnflut bleibt aus
Tatsächlich ist die große Abmahnflut bislang ausgeblieben. Auch die Verbraucherzentralen haben bisher keine nennenswerten Erfahrungen mit Urheberrechtsverstößen bei Facebook, teilte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) auf Anfrage von iRights.info mit. Weil jedoch die Rechtslage – auch in Punkto privater Rahmen – so unklar ist, raten die Verbraucherschützer zur Vorsicht. Der Verbraucher solle nur eigene Inhalte hochladen, heißt es in der Stellungnahme. „Bei fremden Inhalten ist vorher die Einwilligung des Urhebers, also zum Beispiel der Fotograf eines Fotos, einzuholen.“ Wenn der Nutzer Links auf fremde Inhalte setzt – beispielsweise zu Youtube-Videos oder Zeitungsartikeln, rät der vzbv die oftmals automatisch erstellten Vorschaubilder auszuschalten. Denn in der Regel sind auch diese Bilder urheberrechtlich geschützt.
Für viele Nutzer würde das natürlich eine Beschränkung der bisherigen Praxis bedeuten. Eine solche Vorsicht scheint gewissermaßen dem Wesen sozialer Netzwerke zu widersprechen. Allerorten animieren „Like-Buttons“ dazu, Fotos, Artikel und Videos auf der eigenen Pinnwand zu teilen. Kann der Nutzer nicht davon ausgehen, dass der Rechteinhaber damit einverstanden ist, wenn er einen „Like-Button“ unter sein Werk setzt? Auf solche grundsätzlichen Unklarheiten geben Gerichtsurteile noch keine Antwort. Wie ein streng ausgelegtes und durchgesetztes Urheberrecht mit der Praxis sozialer Netzwerke zusammengehen kann, bleibt offen.
Zumindest eine Maßnahme scheint ratsam. Der Facebook-Nutzer sollte ohne die entsprechenden Rechte keine fremden Inhalte mit der Einstellung „öffentlich“ auf seiner Pinnwand einstellen. Das gilt besonders für das Profilbild, das immer für alle im Netz sichtbar ist. Manche Nutzer nehmen hier urheberrechtlich geschützte Bilder von Comicfiguren oder Fotos von Stars. Sollte die Abmahnindustrie Facebook doch noch als neues Betätigungsfeld entdecken, wäre die Praxis wohl ein erster Ansatzpunkt.
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