Grünes Urheberrecht
Das Stichwort vom „grünen Urheberrecht” gab Renate Künast gleich bei der Eröffnung. Mit netzpolitischen Aussagen erst in jüngster Zeit wahrnehmbar, streifte die grüne Fraktionsvorsitzende in ihrer Rede, was derzeit eben so zu streifen ist, von Street View bis zu Open Data. Das Urheberrecht war darin ein Thema unter anderen, als „grünes Urheberrecht“ aber eines mit eigenen Farbgebungsabsichten. Es müsse lernen, mit dem technischen Fortschritt mitzukommen. Zustimmend berief sie sich dabei auf Neelie Kroes. Die EU-Kommissarin hattte sich letzte Woche für einen „neuen Ansatz” ausgesprochen. Das Urheberrecht sei kein Zweck an sich, sagte Kroes und machte sich für europaweite Reformen stark.
Lebenslüge des Urheberrechts
Wie das grüne Urheberrecht dann konkret aussehen soll, wurde auf dem Kongress breit diskutiert. Den Anfang machte Reto Hilty, Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum. Es sei die „fatale Lebenslüge" des Urheberrechts, dass es um den schöpferisch Tätigen ginge. Es gehe vielmehr um das Geld der Verwerter. Das seit der Aufklärung fortgeschriebene Leitbild vom schöpferischen Menschen sei wunderschön – nur nicht die Realität des Rechts. Dessen primärer Zweck liege darin, Anreize für kreatives Schaffen und dessen Verwertung zu geben.
Das war programmatisch gemeint: als Abkehr vom deutschen Urheberrechtsmodell mit seiner Schöpfer-Idee und als Hinwendung zum angelsächsisch-pragmatischen Copyright, das Vervielfältigungen reguliert. Wo Schutzrechte über Investitionsanreize hinaus verstärkt würden, entwickelten sie negative Effekte. Verschärfungen verhinderten dann gerade den nötigen Wettbewerb.
Ein Beispiel dafür führte Hilty an: Das seit einiger Zeit von den Presseverlegern geforderte eigene Leistungsschutzrecht. Diese Forderung werde von den Verwertern eben dafür instrumentalisiert: nicht dem Wettbewerb ausgesetzt zu sein. Man könne zwar durchaus „über ein Leistungsschutzrecht nachdenken”, müsse dann aber mit ausgleichenden Maßnahmen gegensteuern: etwa mit sogenannten Zwangslizenzen, die es mehreren, parallelen Anbietern ermöglichen würden, die Inhalte anzubieten.
Radikales Umdenken nötig
Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin stimmte im anschließenden Podium der Diagnose Hiltys zu: Ein „radikales Umdenken“ sei tatsächlich nötig, doch man solle die Kräfte des Marktes auch nicht überschätzen. Die hätten es schließlich – etwa im Pharmabereich – auch nicht gut geregelt bekommen. Es gehe im Grundsatz eben auch darum, Wissen zirkulieren zu lassen und Kreative anständig zu entlohnen.
Wie ein solches Umdenken aussehen könnte, diskutierte dann ein Workshop am Samstag. „Jenseits der Körbeflechterei“, also jenseits der Detail-Nachbesserungen am bestehenden Recht, ging es um Modelle für einen neuen Ausgleich zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern. Man war bemüht, die Fronten zu entschärfen. Die Tische im Paul-Löbe-Haus des Bundestags waren rund, die Debatte sachlich. Vertreter der Verwerter waren ebenso dabei wie Kreative und Netzaktive. Markus Beckedahl (netzpolitik.org) warf eine „neue Kultur des Teilens” in die Runde. Die Folgefrage, was eine digitale Privatkopie eigentlich sei, wurde lang diskutiert. Den größten Beifall gab es für die eher kleinteilige Forderung aus der Runde, „den Abmahnleuten das Handwerk zu legen.“
Kulturflatrate weiter umstritten
Auch an der Idee einer Kulturflatrate, also einer Pauschalabgabe auf dann legalisiertes Filesharing, wurde in einer eigenen Runde weiterlaboriert. Mittlerweile schon lange diskutiert und ins grüne Wahlprogramm als Kann-Option aufgenommen, wurde das ultimative Modell auch hier wieder nicht gefunden. Christian Sommer, als GVU-Verteter ohnehin nicht als Befürworter am Tisch, stellte die Idee als „Pornoabgabe“ in die Schmuddelecke. Aber auch ehemalige Befürworter scheinen mittlerweile auf Distanz zu gehen: Helga Trüpel – die als grüne EU-Abgeordnete noch letztes Jahr eine der Flatrate wohlgesonnene Studie vorstellte – zeigte sich hier skeptisch. Womöglich schaffe sie mehr Probleme, als sie löse. Till Kreutzer von iRights.info sah sie allenfalls als Notlösung in einem weiter grundlegend reformbedürftigen Urheberrecht. Grünen-Vorstand Malte Spitz befürwortete sie weiter – als ein Modell unter anderen.
Die Diskussion ging hier erneut in zwei Richtungen: ein auf „nichtkommerzielle Nutzung“ beschränktes Abgabemodell auf der einen Seite, eine Flatrate als Angebot von Musikindustrie und Netzprovidern auf der anderen Seite, wie es etwa Motor-Chef Tim Renner vertrat. Die Grünen und die Kulturflatrate: „Es ist kompliziert”, hieß es bei Twitter.
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