Gesichtserkennung im Web: Technisch geht einiges, datenschutzrechtlich kaum etwas
Verfahren der automatischen Gesichtserkennung können heute von jedermann online und auch auf mobilen Geräten angewandt werden. Die Bild-Websuche Pictriev etwa fordert für Gesichtsvergleiche Frontalansichten an und rechnet aus, wie ähnlich ein Gesicht dem von Prominenten ist.
Große Internet-Konzerne wie Google und Facebook bieten internetbasierte Erkennungsdienste an, die es den Nutzern erleichtern sollen, Fotos mit den Namen der darauf abgebildeten Personen zu verknüpfen.
Auch chinesische und russische Internet-Plattformen haben ähnliche Lösungen implementiert. Nicht zuletzt interessieren sich auch staatliche Einrichtungen und Sicherheitsorgane dafür, Gesichtserkennung einzusetzen, etwa an Grenzstationen oder zur Verbrechensaufklärung.
Dabei stellen sich Verbrauchern, Unternehmen und Behörden letztlich die gleichen Fragen:
- Wie zuverlässig arbeitet die Software, wie hoch ist die Erkennungsrate?
- Welche datenschutzrechtlichen Vorgaben gibt es für die automatische Gesichtserkennung?
Die Erkennungsrate hängt von der Größe der Bilddatenbank ab
Wie leistungsfähig die Programme für automatische Gesichtserkennung derzeit sind, zeigt ein kürzlich durchgeführter, herstellerneutraler Vergleich: Forscher der Washington University hatten zwei verschiedene Datensets mit jeweils einer Million Bildern vorbereitet und damit zehn verschiedene Gesichtserkennungsprogramme getestet.
Das eine Set bestand aus den Gesichtern von Prominenten, aufgenommen aus verschiedenen Blickwinkeln. Im anderen Set waren Bilder von Personen mit einer breiten Altersspanne. Dazu wurden Gesichtsbilder aus der Fotoplattform Flickr mit Creative-Commons-Lizenz gemischt. Sie fungierten als sogenannte „Distractors“ (Ablenker) und sollten – als mitunter zufällig ähnliche Gesichter – die Herausforderung für die Software erhöhen.
Die Ergebnisse des Vergleichs brachten im Wesentlichen drei Erkenntnisse:
- Je größer die Datenbanken waren, mit denen die Erkennungsalgorithmen „lernen“ konnten, desto besser war ihre Leistung. Die Ausnahme von dieser Regel bildete der Algorithmus des chinesischen Unternehmens SIAT MMLab.
- Die Gesichtserkennung von verschiedenen Bildern eines Menschen aus seinen verschiedenen Altersphasen ist nach wie vor ein ungelöstes Problem. Einen Eindruck vermittelt Microsofts Webangebot How-old.net, das Personen auf selbst hochgeladenen Bildern nach ihrem Alter schätzt.
- Die Zusammenführung von identischen Gesichtern aus verschiedenen Blickwinkeln, etwa der Frontal- und der Seitenansicht, hapert noch.
Insbesondere bei den Testreihen mit dem zweiten Datenset zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Programmen, bei einigen nahmen die Erkennungsleistungen rapide ab bis auf unter 40 Prozent. Allein die Software „Facenet“ von Google zeigte in beiden Datensets bei der Analyse von einer Million Bildern eine vergleichsweise hohe Rate von über 70 Prozent richtig zugeordnete Bilder.
Facebook hat an dem „Megaface-Challenge“ genannten Vergleich der Washington University nicht teilgenommen. Doch das Unternehmen gibt zumindest Hinweise darauf, wie gut die Software „Deepface“ sein könnte, die Facebook 2013 vom israelischen Startup face.com eingekauft hatte.
So will das Programm ein und dieselbe Person aus verschiedenen Blickwinkel anhand eines errechneten 3D-Modells erkennen. Die Erkennungsgenauigkeit soll mit 97,25 Prozent bei vier Millionen Bildern nahezu der menschlichen entsprechen, die bei 97,5 Prozent liegen soll. Laut Security-Forscher Lee Munson will Facebook „Deepface“ nutzen, um seine Nutzer davon in Kenntnis zu setzen, falls andere Nutzer Bilder hochladen, die sie zeigen.
Manche Programme bieten keinerlei Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten
Das Moskauer Unternehmen Ntechlab, dessen Software Findface per Webseite und App allgemein verfügbar ist, schneidet im erwähnten Vergleich nur mittelmäßig ab. Der Einsatz dieser Gesichtserkennungssoftware seitens russischer Aktivisten führte bereits zu intensiven Diskussionen.
So zeigte der Fotograf Igor Tswetkow in seinem Projekt „Your Face Is Big Data“, dass 70 Prozent der Menschen, die er in der U-Bahn fotografiert hatte, im Internet dank des Gesichtserkennungsalgorithmus wiedergefunden werden konnten. Erleichtert wird dies dadurch, dass Findface inzwischen in die russische Social-Network-Plattform Vkontakte integriert wurde.
Was einem Fotografen möglich ist, dürfte auch für Sicherheitsbehörden kein Problem sein. In Moskau sollen bereits 150.000 Videokameras mit der Software aufgerüstet worden sein, wobei sie von der Polizei zur Aufklärung von Verbrechen genutzt werden soll. Theoretisch möglich wären auch staatspolizeiliche Einsätze, um beispielsweise Teilnehmer politischer Demonstrationen zu identifizieren.
Die chinesische Suchmaschine Weibo verfügt mit Faceall über einen Gesichtserkennungsalgorithmus, der laut Megaface-Challenge in etwa derselben Leistungskategorie wie FindFace anzusiedeln ist. Allerdings haben Betroffene keinerlei Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten, was im übrigen auch beim russischen FindFace zutrifft.
Datenschutz: Identifizierung von Personen ist nur eingeschränkt erlaubt
Aus Sicht des Datenschutzes darf die Gesichtserkennung als Identifizierungsverfahren nur eingeschränkt verwendet werden. Der entscheidende Punkt ist die Einwilligung der Betroffenen. Das bedeutet: Nur wenn ich zustimme, darf ich auch identifiziert werden – ansonsten bleibe ich inkognito.
Ein klassisches Beispiel sind Authentifizierungsverfahren: Ich zeige mein Gesicht und darf durch die Tür, darf auf Daten zugreifen oder darf bezahlen. Entsprechende Bezahlmechanismen sind derzeit bei Mastercard und Amazon in Vorbereitung, ein Selfie soll dann die PIN ersetzen können.
Alle anderen Verfahren, etwa die Identifizierung einer unbekannten Person per Suchabgleich im Web, sind im Moment illegal. Anders gesagt gibt es nur ganz wenige Einsatzmöglichkeiten von Gesichtserkennung, die nach europäischem Verständnis rechtmäßig sind.
Aus diesem Grund musste beispielsweise Facebook vor vier Jahren die Gesichtserkennung („Tagging“) seines Web-Angebots für europäische Nutzer sperren, nachdem sich der irische Datenschutzbeauftragte eingeschaltet hatte.
Facebook stellte auf manuelle Zuordnung um, Googles Dienst hier nicht nutzbar
Seit diesem Jahr gibt es mit der „Moments“-App von Facebook auch für Europa wieder einen Gesichtserkennungsdienst, allerdings klassischer Art: Der Nutzer ordnet hier manuell den Fotos Namen zu, gespeichert werden die Daten lokal. Statt einer biometrischen Gesichtserkennung kommt nur eine weniger präzise arbeitende Objekterkennung zum Einsatz.
Google orientiert sich, wie Facebook, inzwischen ein bisschen an der europäischen Rechtslage: So ist die Gesichtserkennungsfunktion von Googles Photos in Deutschland beziehungsweise EU-Ländern nicht nutzbar.
Auch die automatische Gesichtserkennung über eine Videoüberwachung von besonderen Orten und Ereignissen ist nach europäischem Verständnis nicht rechtmäßig. Würde man beispielsweise an Bahnhöfen eine Art virtuelle Grenzkontrolle per Gesichtserkennung einführen wollen, bräuchte es dafür eine grundrechtskonforme gesetzliche Regelung.
Dabei liegt das Beispiel Grenzkontrolle nahe: So liebäugeln die EU und ihr Grenzsicherungsdienstleister Frontex mit der Einführung der automatischen Gesichtserkennung. Und auch die Bundesregierung lotet Möglichkeiten aus, die Gesichtserkennung im Rahmen EU-weiter Personendatenbanken nutzbarer zu machen.
Bald sollen auch Stimmungslagen der Menschen erkennbar sein
Seit Jahren arbeiten Forscher auch an der automatischen Gefühlserkennung: In welcher Stimmung befindet sich die Person auf dem Bild oder Video? Microsoft bietet mit der „Emotion API“ eine Spielwiese für Profi- und Hobby-Entwickler, wie auch Fraunhofer-Forscher mit Shore. Anwendungsmöglichkeiten gibt es viele: So könnten Kunden beim Shoppen beobachtet werden oder auch Bevölkerungsansammlungen in der Stadt.
Unter dem Stichwort Crowdcontrol könnte ein „Happyness Index“ gepflegt werden, der Hinweise auf die Bevölkerungsstimmung gibt. Die besten Ergebnisse sollen solche Arten der Gesichtsauswertung aber dann zeigen, wenn die betreffenden Personen Grimassen schneiden, die einer bestimmten Gefühlslage entsprechen.
Fazit
Auch wenn die Programme und Algorithmen für automatische Gesichtserkennung technisch bereits sehr weit zu sein scheinen, stoßen sie gleichwohl noch an mehrere Grenzen.
So funktionieren sie am ehesten mit Frontalfotos und die Erkennungsrate ist stark vom Datenbestand abhängig.
Die viel größere Hürde sind – zumindest in der EU – die Datenschutzbestimmungen, die vor allem die Einwilligungen der Personen erfordern und die Identifizierung einer unbekannten Person per Suchabgleich im Web verbieten.
Was sagen Sie dazu?