Fremde Werke in Virtual und Augmented Reality nutzen

OyundariZorigtbaatar, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Im ersten Teil ging es um die Frage, wie VR- und AR-Anwendungen urheberrechtlich einzuordnen sind. Dieser zweite Teil beschäftigt sich mit der Einbindung fremder urheberrechtlich geschützter Werke in VR- und AR-Anwendungen, den damit verbundenen Nutzungsrechten und der Frage, ob Nutzer an selbst geschaffenen Inhalten in diesen Anwendungen Urheberrechte geltend machen können.
Nutzungsrechte an fremden eingebundenen Werken
Nutzung fremder Werke in VR und AR
Virtuelle Elemente in einer Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) bestehen aus zahlreichen unterschiedlichen Medieninhalten. Darunter Bilder, Animationen und Tonelemente. Für die VR-Schöpfer kann selbst ein Urheberrecht entstehen, wenn sie diese Inhalte entwickelt haben (siehe Teil 1).
Es ist jedoch auch möglich, fremde Werke in VR-Welten einzubinden. Diese Inhalte können urheberrechtlich geschützte Werke darstellen, sofern sie die erforderliche Schöpfungshöhe aufweisen. In diesem Fall ist ihre Integration nur mit Zustimmung der Werkurheber möglich.
Bei der Nutzung fremder Werke in VR und AR bedarf es daher einer genauen Betrachtung der vorgenommenen Handlungen. Das Einblenden von geschützten Bildern oder Gemälden, die Nachbildung von Skulpturen oder Bauwerken, oder das Einfügen geschützter Songs als Hintergrundmusik in eine VR/AR-Anwendung – diese Handlungen stellen alle urheberrechtlich relevante Vervielfältigungen dar. Der Verkauf einer solchen VR/AR-Anwendung stellt zusätzlich eine urheberrechtlich relevante Verbreitung der geschützten Inhalte dar.
Kommen VR- und AR-Anwendungen in der Öffentlichkeit zum Einsatz (zum Beispiel bei einer Verwendung in Museen oder Messen), kann das auch noch das Recht zur öffentlichen Wiedergabe des Urhebers verletzen.
Solche Handlungen sind somit von der Zustimmung des Rechteinhabers bzw. des Urhebers abhängig. Das bedeutet, dass sich VR-Anbieter die Nutzungsrechte an den einzelnen Werken vertraglich einräumen lassen müssen. Wie bereits im ersten Teil festgestellt, würde die Einordnung des Ausgabeproduktes in einer VR- oder AR-Welt als Multimediawerk nichts an dem Schutz der einzelnen Werke ändern.
Auch wenn Nutzer die Anwendung selbst modifizieren (beispielsweise durch Integration eigener Inhalte), ist das urheberrechtlich relevant. Denn die Modifikation des Quellcode eines Softwareprogramms stellt eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung/Umgestaltung des Werks dar. Sie darf deshalb nur mit der Zustimmung des Softwarebetreibers verändert werden. Will zum Beispiel ein Museum eine AR anbieten und ein Werbebanner dauerhaft einblenden, ist die Änderung des Quellcodes nötig – und damit auch die Zustimmung des Softwarebetreibers erforderlich.
Zulässige Nutzungen von Werken in VR und AR
Nachbildung von Gebäuden: Panoramafreiheit
Unter bestimmten Voraussetzungen kann es rechtlich gestattet sein, fremde Werke auch ohne Zustimmung des Urhebers in eine VR/AR zu integrieren.
Häufig simulieren VR-Welten Schauplätze der Öffentlichkeit, wenn etwa in einem Computerspiel eine Stadt detailgetreu nachgebildet wird. An dieser Stelle kann die Schrankenregelung der sogenannten Panoramafreiheit greifen.
Die Panoramafreiheit ist eine Ausnahmeregelung des Urheberrechts. Sie erlaubt es, Werke, die sich dauerhaft an öffentlichen Orten befinden, durch Malerei, Grafik, Fotografie oder Film zu vervielfältigen. Besonders relevant ist diese Regelung bei Bauwerken wie Gebäuden. Dabei gilt die Panoramafreiheit jedoch ausschließlich für deren äußere Ansicht. Zulässig sind hierbei nur solche Darstellungen, die einem durchschnittlichen Betrachter im öffentlichen Raum zugänglich wären, etwa Ansichten vom Straßenniveau – Luftaufnahmen, etwa aus Drohnen oder Flugzeugen, fallen hingegen nicht darunter.
Die Übertragung dieser Schrankenregelung auf VR-Welten in dreidimensionaler Form wirft rechtliche Fragen auf. Die digitale Nachbildung von Gebäuden und öffentlichen Plätzen in VR ist möglicherweise nicht vollständig durch die Panoramafreiheit abgedeckt. Denn diese stellt keine typische und gesetzlich zugelassene „grafische“ Vervielfältigung dar. Dennoch sollte die Schrankenregelung im Sinne einer zeitgemäßen Auslegung auch moderne Darstellungsformen wie digitale Nachbildungen in VR-Welten umfassen, um den Schutzzweck zu bewahren. Entscheidend bleibt jedoch, dass VR-Darstellungen nur solche Perspektiven darstellen dürfen, die auch einem normalen Passanten auf Straßenebene zugänglich wären, ähnlich wie bei Google Street View. Ansichten wie bei Google Earth, die aus der Vogelperspektive aufgenommen sind, würden das rechtlich gestattete Maß überschreiten.
Mischwelten in der AR: Virtuelle Modifizierung bestehender Werke
Bei AR-Anwendungen könnten sich besondere Probleme mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht ergeben. Dieses könnte beispielsweise verletzt sein, wenn ein Museum eine Skulptur über eine AR-Brille wesentlich verändert (etwa durch andere Farbgebung) und dadurch entstellt. Als Entstellungen gelten Eingriffe, die das Werk in einen neuen Kontext stellen oder sein Verständnis so verändern, dass sie den Intentionen des Urhebers widersprechen könnten. Eine solche Darstellung des Werkes durch AR erhöht das Risiko einer Entstellung wesentlich, auch wenn gerichtliche Entscheidungen zu virtuellen Veränderungen dieser Art bislang ausstehen.
In solchen Fällen ist jedoch eine Interessenabwägung erforderlich. Denn auch die Parodie-, Pastiche-, Kunst- und Meinungsfreiheit sind zu berücksichtigen. Dabei ist zu prüfen, ob der Urheber eine derartige Veränderung möglicherweise hinnehmen muss. Besonders bei kritischen Auseinandersetzungen mit einem Werk kann die Meinungsfreiheit Vorrang haben. Währenddessen könnten rein ästhetische Effekte zur Besucherunterhaltung – wie ein bloßer „Wow-Effekt“ – eher hinter den Schutzinteressen des Urhebers zurücktreten.
Open Content: Offen lizenzierte und gemeinfreie Inhalte
Grundsätzlich besteht immer die Möglichkeit, auf offen lizenzierte Inhalte („Open Content”) zurückzugreifen. Darunter sind Werke zu verstehen, die unter einer offenen Lizenz wie CC BY oder CC0 veröffentlicht sind. Auch gemeinfreie Werke sind hierfür dienlich. Das sind Werke ohne Urheberrechtsschutz, etwa weil dieser bereits abgelaufen ist oder weil grundsätzlich kein Urheberrechtsschutz entstanden ist, etwa weil keine Schöpfungshöhe vorliegt.
Urheberschaft an geschaffenen Werken in VR und AR
In der VR oder AR können regelmäßig selbst Inhalte geschaffen werden. Dazu gehören etwa das Kreieren von Avataren, die Ausstattung von Räumen oder das Malen von Gemälden. Daraus ergibt sich die Frage, ob der Nutzer, der diese Inhalte in der virtuellen Welt kreiert, selbst urheberrechtlichen Schutz an den Werken beanspruchen kann.
Kein vertraglicher Ausschluss von Urheberrechten möglich
Grundsätzlich gilt: Die Urheberschaft lässt sich nicht durch Rechtevereinbarung mit dem Softwarebetreiber ausschließen. Derjenige, der ein Werk schafft, ist gesetzlich automatisch der Urheber. Dagegen bestünde prinzipiell die Möglichkeit, Nutzungsrechte an den geschaffenen Inhalten direkt an den Softwarebetreiber zu übertragen, sodass nur dieser über die weitere Nutzung entscheiden kann.
Kreative Eigenleistung entscheidend
Um Urheberrechte zu beanspruchen, muss ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze des Urheberrechts: Ein Werk ist jede persönliche und geistige Schöpfung, welche von Originalität geprägt ist und eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht.
An dieser Stelle sind die Wirkungsmöglichkeiten des Nutzers zu beachten: Üblicherweise mangelt es an Originalität und eigener Schöpfung, wenn im Programm bereits eine gewisse Grundstruktur angelegt ist, die die Gestaltungsmöglichkeiten vorprogrammiert. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: In einem Videospiel soll ein Avatar mit solchen Kleidungsstücken eingekleidet werden, die durch die Programmierung vorbestimmt sind. Die Auswahl der Kleider stellt keine ausreichende Handlung dar, die einen eigenen Urheberrechtsschutz am erstellten Avatar rechtfertigt. Stehen in der VR-Anwendung hingegen virtuelle Pinsel und Leinwand zur Verfügung und der Nutzer malt mit virtuellen Mitteln sein eigenes Gemälde, kann darin ein ausreichender Schaffensbeitrag und damit eine originelle Werkschöpfung vorliegen. Dass dafür ein Programm als Hilfsmittel dient, ist dabei unschädlich; und der Nutzer selbst ist als Urheber des Werkes zu qualifizieren.
Aus diesen Gründen ist bei der Einordnung der vom Endnutzer geschaffenen Inhalte entscheidend, in welchem Maße er eine kreative Eigenleistung eingebracht hat, die nicht durch die Vorgaben der Programmierung zu stark eingeschränkt war.
Zusammenfassung
In VR- und AR-Anwendungen werden oft fremde Werke wie Bilder, Animationen oder Musik eingebunden, die urheberrechtlich geschützt sein können und daher die Zustimmung der Urheber für ihre Nutzung erfordern. Die Vervielfältigung oder öffentliche Zugänglichmachung dieser Inhalte – etwa in Museen – bedarf einer vertraglich gesicherten Rechtevereinbarung, da ohne Zustimmung der Urheberrechtsschutz verletzt wird (sofern es sich nicht um offen lizenzierte oder gemeinfreie Werke handelt). Auch die Panoramafreiheit, die bei realen Gebäuden an öffentlichen Orten greift, ist in VR-Welten nicht uneingeschränkt anwendbar. Zudem können AR-Elemente, die Kunstwerke visuell verändern, wie das Einfärben einer Skulptur, als Entstellung und damit als Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht gelten.
In VR- und AR-Anwendungen können durchaus Werke durch den Nutzer geschaffen werden, die eigene Urheberrechte begründen. Dafür ist es erforderlich, dass der Nutzer einen ausreichenden kreativen und originellen Eigenbeitrag leistet.
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