Freiwild oder Artenschutz: Ausbeutung durch AGB
Vielen Menschen ist gar nicht klar, dass sie täglich Verträge schließen. Dazu zählen auch freischaffende Kreative. Ein Vertrag ist eine rechtlich verbindliche Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Parteien. Er muss weder schriftlich noch überhaupt ausdrücklich geschlossen werden. Auch durch „konkludentes Verhalten”, wie die Juristen sagen, können Verträge geschlossen werden. Ein klassisches Beispiel: ein freier Journalist schickt einem Zeitungsverlag seinen Artikel; der Verlag druckt ihn. Auch wenn das Wort „Vertrag” nie gefallen ist, keine Unterschriften geleistet und über Einzelheiten nicht geredet wurde, ist ein Vertrag geschlossen worden. Ein Vertrag, durch den der Urheber dem Verlag Nutzungsrechte an seinem Beitrag übertragen hat – und den man auch Lizenzvertrag nennt.
Welche Nutzungsrechte das sind, wird häufig in den AGB des Verlags geregelt sein. Und gegen die können freie Journalistinnen, Grafiker oder Übersetzer meist nicht erfolgreich opponieren, auch wenn sie noch so weit gehen. Denn nur sehr wenige, in aller Regel nur sehr berühmte, Urheber stehen auf dem Markt mit kreativen Leistungen mit den mächtigen Verwertungsunternehmen auf einer Stufe, wenn es um Vertragsverhandlungen geht. Hier kommt das „AGB-Recht” ins Spiel. Das dient unter anderem dazu, die Schwachen davor zu schützen, dass ihre Vertragspartner beliebig diktieren können, was miteinander vereinbart wird.
Was sind AGB im rechtlichen Sinne?
Unter AGB stellt man sich typischerweise Standardklauseln (das „Kleingedruckte”) vor, wie Nutzungsbedingungen von Online-Diensten, die Fußnoten bei Angeboten über Handy-Verträge oder die Regelungen auf der Rückseite von Auftragsformularen. Bei einem Vertrag, auf dem beide Parteien eine Unterschrift leisten, würde man im allgemeinen Sprachgebrauch im Zweifel nicht von AGB sprechen. Aus rechtlicher Sicht spielt es dagegen keine Rolle, wie Vertragsklauseln formal ausgestaltet sind1. Um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt es sich vielmehr unter zwei Voraussetzungen:
Einer der Vertragspartner (der „Verwender”) hat die Vertragsklauseln vorformuliert, um sie mehrfach (mindestens dreimal) bei Vertragsschlüssen zu verwenden. Ob sie dann tatsächlich für mehrere Vertragsschlüsse verwendet werden, ist unerheblich. Die Klauseln werden vom Verwender „gestellt” und deren Inhalt wurde nicht mit dem Vertragspartner ausgehandelt.
Der zweite Aspekt zeigt deutlich die Zielrichtung des AGB-Rechts. Es geht nicht darum, ob ein Vertrag schriftlich, per Mail oder online geschlossen wird, ob die Klauseln groß oder klein gedruckt sind oder ob sie sich auf der Rückseite eines auszufüllenden Formulars oder einer Webseite finden. Auch der Standard-Künstlervertrag des Musikproduzenten, ein Buchverlagsvertrag oder das von einem Softwareunternehmen für die Beschäftigung freier Programmierer vorgesehene und zu unterschreibende Auftragsformular, sind im rechtlichen Sinn AGB. Verträge können auch teilweise aus AGB und teilweise aus individuellen Vereinbarungen bestehen. Wenn etwa über die Kündigungsklausel verhandelt wurde und man sich auf eine abweichende Formulierung geeinigt hat, gilt dafür kein AGB-Recht, während es auf die anderen Standardklauseln, die nicht durch die Vereinbarung abgeändert wurden, angewendet wird.
Entscheidend ist, dass der Verwender die Bedingungen des Vertrags vorgibt und sein Vertragspartner darauf keinen Einfluss hat. Wie das eben häufig bei Verträgen zwischen Urhebern und Verwertern der Fall ist.
Einbeziehung von AGB
Ob und inwieweit AGB verbindlicher Inhalt eines Vertrages zwischen Urheber und Verwerter werden, hängt von zweierlei ab: Zum einen, ob sie wirksam einbezogen wurden; zum anderen, ob ihr Inhalt zulässig ist.
In den Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen, die sich in den Paragrafen 305 bis 310 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) finden, ist bestimmt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nur Vertragsbestandteil werden, wenn deren Verwender vor oder beim Vertragsschluss darauf hingewiesen hat. Es liegt auf der Hand, dass sich niemand auf Vertragsbedingungen berufen kann, von deren Existenz und Inhalt der andere in dem Moment, in dem er dem Kontrakt zugestimmt hat, nichts wusste.
Wer unternehmerisch tätig ist, muss besser aufpassen
Wie deutlich solche Hinweise sein müssen, hängt nach dem Gesetz davon ab, wer den Vertrag schließt. Es differenziert grundlegend zwischen Verträgen zwischen Unternehmern (business to business – B2B) und Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern (business to consumer – B2C). Verbraucher sind – so die Grundwertung des AGB-Rechts – schützenswerter als Unternehmer, weil sie im Allgemeinen über weniger Erfahrung im Geschäftsverkehr verfügen.
Weil die Regelungen über Verbraucherverträge so streng sind, wird dieser Begriff allerdings eng, der Unternehmerbegriff dagegen weit ausgelegt. Unternehmer ist, wer den jeweiligen Vertrag in Ausübung seiner „gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit“2 schließt. Dazu zählen jedenfalls alle Verträge, die freiberuflich tätige Kreative mit ihren Auftraggebern abschließen3. Um solche „unternehmensbezogenen Geschäfte” handelt es sich im Übrigen auch bei solchen, die zur Vorbereitung einer zukünftigen unternehmerischen Tätigkeit abgeschlossen werden4.
Auch in B2B-Konstellationen gilt zunächst, dass dem Vertragspartner klar sein muss und er damit einverstanden ist, dass der Verwender seine AGB zur Vertragsgrundlage machen will. Zudem muss der Verwender dem anderen ermöglichen, davon „in zumutbarer Weise” Kenntnis zu nehmen. Das kann (muss aber – anders als bei Verbraucherverträgen – nicht) dadurch geschehen, dass sie während des Vertragsschlusses vorgelegt oder im Zuge der betreffenden Korrespondenz (Angebot, Annahmeschreiben) mitgeschickt werden. Bei Unternehmerverträgen genügt es darüber hinaus auch, auf deren Fundort (insbesondere im Internet) hinzuweisen5oder sogar, dem Vertragspartner mitzuteilen, dass er sie auf Wunsch übersendet bekommt.
Wer also als Freiberufler mit Medienunternehmen Verträge schließt, muss sich – wenn der Verwerter auf die Geltung seiner AGB hinweist – unter Umständen selbst darum kümmern, dass er Zugang zu den Vertragsunterlagen erhält. Sie müssen gegebenenfalls angefordert und dann natürlich auch gelesen werden.
Grundregeln im Umgang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Weil Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht frei ausgehandelt werden und der Vertragspartner des Verwenders dadurch benachteiligt werden kann, unterliegen sie in verschiedener Hinsicht einer gesetzlichen Kontrolle. Es kann daher sein, dass, auch wenn sich der Vertragspartner mit den AGB bei Vertragsschluss einverstanden erklärt hat, einzelne oder alle Klauseln keine Wirkung entfalten.
In den Paragrafen 305 bis 310 BGB ist geregelt, welche Inhalte AGB-Klauseln nicht enthalten dürfen, wie zu verfahren ist, wenn sie in Verträge einbezogen werden sollen und andere Einzelheiten zum Umgang mit formularmäßigen Vertragsbestimmungen. Es gelten die folgenden allgemeinen Grundsätze:
Individuelle Vereinbarungen gehen vor6: Selbst wenn es AGB gibt, gelten sie nicht, wenn die Parteien in diesem Punkt etwas anderes ausgehandelt haben. In Bezug auf individuell ausgehandelte Vereinbarungen gilt jedoch auch das AGB-Recht nicht. Davon kann aber nur die Rede sein, wenn der Verwender der AGB seine Vertragsbestimmungen ernsthaft zur Disposition gestellt hat. Bloße Erläuterungen der Inhalte oder dergleichen entsprechen dem nicht. Wenn der Verwender jedoch tatsächlich Verhandlungsmöglichkeiten über einzelne oder gar alle Klauseln eröffnet hat (was der Verwender im Zweifel beweisen müsste7), gelten die letztlich getroffenen vertraglichen Vereinbarungen als Individualabreden (selbst wenn an den Allgemeinen Geschäftsbedingungen letztlich gar nichts geändert wurde). Es wird daher für den Urheber im Zweifel günstiger sein, über eindeutig unzulässige AGB-Klauseln (wenn es so etwas gibt) nicht zu verhandeln, da sie sonst aus dem Schutzraster der AGB-Kontrolle herausfallen könnten.
„Überraschende Klauseln” sind unwirksam8: Im Kleingedruckten kann dem Vertragspartner nichts untergeschoben werden, womit er nicht zu rechnen brauchte. Klassisches Beispiel ist das Angebot eines einzelnen Klingeltons für 99 Cent, bei dessen Bestellung (laut Kleingedrucktem) ein Monatsabonnement für 3,99 Euro abgeschlossen wird. Aber Achtung: Unternehmern (wie eben auch Freiberuflern) wird hier deutlich mehr Sorgfalt zugemutet als Verbrauchern! In der Branche übliche Klausel sind in der Regel nicht überraschend in diesem Sinne9.
Keine „geltungserhaltende Reduktion”: Ist eine Klausel unwirksam, weil sie zum Beispiel gegen das AGB-Recht verstößt, entfällt sie vollständig. Es gelten die gesetzlichen Regelungen und nicht etwa das, was in AGB maximal möglich vereinbart werden kann. Beispiel: Die Haftung des AGB-Verwenders für vorsätzlich herbeigeführte Schäden kann nicht ausgeschlossen werden. Eine Klausel, die einen solchen Haftungsausschluss dennoch vorsieht, ist nichtig, sie entfällt – und der Verwender haftet, so wie es das Gesetz vorsieht, bereits für leichte Fahrlässigkeit. Sie wird nicht etwa dahingehend ausgelegt, dass nur ab grober Fahrlässigkeit gehaftet wird. Unwirksam ist jedoch nur diese Klausel, der Rest des Vertrags bleibt in der Regel bestehen10.
Nochmal: Vertragsklauseln, die gegen AGB-Recht verstoßen, sind unwirksam
Die letztgenannte Grundregel des AGB-Rechts kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden: Wenn ein Verwerter unzulässige Klauseln (einzelne oder gar alle) verwendet, ist der Urheber daran nicht gebunden. Beispiel: Einem freiberuflichen Programmierer wird durch die AGB des Auftraggebers vorgeschrieben, neben dem Programmcode auch noch einen Computer zu dessen Installation zu liefern, ohne dass darüber vorher gesprochen wurde. Oder: Ein Musiker wird durch die AGB des Produzenten verpflichtet wird, auch noch Jahre nach Ende des Vertrages für kostenlose Werbemaßnahmen zur Verfügung zu stehen.
In solchen Konstellationen spricht viel dafür, dass die – durchaus strengen – Anforderungen an überraschende Klauseln und möglicherweise weitere rechtliche Verbote erfüllt sind und die Regelungen jeweils unwirksam sind. Wenn dem so ist, hätten die Auftragnehmer sich nicht wirksam verpflichtet, müssten entsprechenden Forderungen also auch nicht nachkommen.
Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Bei Verträgen zwischen Kreativen und Verwertern über die Übertragung von Nutzungsrechten handelt es sich in aller Regel nicht um Verbraucherverträge. Die Urheber werden in solchen Verhältnissen vom Gesetz als Unternehmer angesehen, was bedeutet, dass der vom AGB-Recht vermittelte Schutz nur eingeschränkt besteht.
Dennoch gilt auch hier unter anderem der Grundsatz, dass Klauseln, die den Vertragspartner „unangemessen benachteiligen”, unwirksam sind – und damit nichtig11. Das Gesetz geht in Paragraf 307 BGB von einer unangemessenen Benachteiligung aus,
- wenn eine Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
- wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
Was das im Einzelnen heißt und welche Klauseln in AGB unwirksam sind, die gegenüber freischaffenden Kreativen verwendet werden, kann – wenn überhaupt – nur an konkreten Beispielen überprüft werden.
Das Transparenzgebot
Aus Paragraf 307 BGB ergibt sich zudem ein weiterer wichtiger Grundsatz des AGB-Rechts: Das Transparenzgebot. Es wird im Gesetz wie folgt umschrieben: „Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.” Das Transparenzgebot korrespondiert mit dem Verbot überraschender Klauseln. Wer seine AGB nicht klar und verständlich formuliert, sondern – möglicherweise absichtlich – so, dass der Vertragspartner nicht oder nicht ohne weiteres erkennen kann, welche Rechte und Pflichten ihn treffen, geht also das Risiko ein, dass seine Klauseln als unwirksam anzusehen sind12. Das ist der Fall, wenn eine AGB zu einer Benachteiligung der Rechtsstellung des Vertragspartners führt und dies durch die gewählte Formulierung nicht in ausreichendem Maße deutlich wird. Das Transparenzgebot führt dazu, dass der Verwender das Risiko intransparenter Klauseln trägt. Er hat dafür zu sorgen, dass seine Vertragsbedingungen verständlich formuliert sind.
Gerade die Lizenzklauseln, mit denen sich Verwerter möglichst umfassend alle Rechte an den Arbeitsergebnissen sichern wollen, die die Urheber geschaffen haben, sind meist sehr komplex und umfangreich. Daher ist dieses Transparenzprinzip hier von besonderem Interesse. Solche Lizenzklauseln sehen häufig wie folgt aus13:
a) Der Vertragspartner räumt dem SFB die ausschließlichen, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten Rechte ein, das Werk in unveränderter, bearbeiteter oder umgestalteter Form ganz oder teilweise, beliebig oft für alle Zwecke des Rundfunks sowie die unter Benutzung des Werkes hergestellte Produktion im gleichen Umfang für alle Zwecke des Films und der audiovisuellen Verwertung zu nutzen.”;
b) Die Nutzung zu Filmzwecken umfasst insbesondere die Verwendung der unter Benutzung des Werkes hergestellten Produktionen zur Herstellung von Filmen aller Formate oder von anderen Bild- und Tonträgern und deren Verkauf, Vermietung oder Verleih zu gewerblichen oder nicht gewerblichen Vorführungen in Lichtspieltheatern oder an anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Stellen (Kinoauswertung); zur Herstellung von Filmen aller Formate und deren Verkauf, Vermietung und Verleih zur gewerblichen oder nicht gewerblichen öffentlichen oder nicht öffentlichen Wiedergabe mittels Filmprojektor und Leinwand (Schmalfilmauswertung). Die Regelungen der Ziffer 2 Buchstabe e) bis g) gelten entsprechend. Die audiovisuelle Verwertung umfasst insbesondere die Verwendung der unter Benutzung des Werkes hergestellten Produktionen zur Herstellung von Bild- und Tonträgern aller Art (z.B. Filme, Platten, Kassetten) und deren Verkauf, Vermietung oder Verleih zur gewerblichen oder nicht gewerblichen öffentlichen oder nichtöffentlichen Wiedergabe mittels Wiedergabegeräten aller Art. Die Herstellung umfasst auch die Aufnahme von Funksendungen sowie deren Vervielfältigung. Die Regelungen der Ziff. 2 e) bis g) gelten entsprechend.”;
c) Durch das vereinbarte Gesamthonorar (Ausarbeitungs- und Sendehonorar) sind alle Ansprüche des Vertragspartners aus diesem Vertrag abgegolten. Ist dieser Vertrag mit der Vertragsarten-Nr. 21 gekennzeichnet, so gilt zusätzlich Folgendes:… Bei entgeltlicher Abgabe des auf Bild- und Tonträger aufgenommenen Werkes außerhalb der in den Buchstaben a) bis k) genannten Fälle wird der Vertragspartner an dem hierbei erzielten Erlös im Verhältnis seines Honorars zu den gesamten Herstellungskosten der Produktion, mindestens jedoch mit 7,5 % am Erlös beteiligt. Als Erlös gelten die Brutto-Lizenzeinnahmen abzuüglich der Kosten der Auswertung, die mit 20 % der Brutto-Lizenzeinnahmen pauschaliert werden. Die Abrechnung erfolgt halbjährlich, jeweils nach Eintritt der Voraussetzungen. Etwaige Einsicht in die Abrechnungsunterlagen kann nur einem vereidigten Wirtschaftspru_fer auf Kosten des Vertragspartners gewährt werden. Im Falle des Abs. 1 erhält der Vertragspartner kein Übernahme- oder Wiederholungshonorar.
d) Die Nutzung zu Rundfunkzwecken umfasst insbesondere die Sendung und Weitersendung durch… Kabelfernsehen, Satelliten und Videotext. … Durch das vereinbarte Gesamthonorar (Ausarbeitungs- und Sendehonorar) sind alle Anspru_che des Vertragspartners aus diesem Vertrag abgegolten.
e) Die Nutzung zu Rundfunkzwecken umfasst insbesondere… die Wiederverfilmung.
f)”Die Nutzung zu Rundfunkzwecken umfasst insbesondere die Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung von schriftlichem Begleitmaterial zu Sendungen”… und “die Abgabe von Abdrucken des Sendemanuskriptes an Interessenten zum persönlichen Gebrauch.”
Die gesamte, hier nur auszugsweise zitierte, Lizenzklausel ist noch wesentlich länger, sie füllt mehrere DIN-A4-Seiten.
Es ist evident, dass kein Freiberufler – es sei denn, er ist zufällig ein auf Urheberrecht spezialisierter Jurist – den Umfang der Nutzungsrechte, die durch derartige Klauseln eingeräumt werden, in ihrer vollen Tragweite erfassen kann – geschweige denn in der Lage ist, die Details der damit eingegangenen Verpflichtungen genau zu analysieren. Im Zweifel wird es also erforderlich sein, einen Anwalt einzuschalten, der überprüft, was damit im Einzelnen gemeint ist.
Das wirft wiederum die Frage auf, ob derartige Klauseln nicht gegen das Transparenzgebot verstoßen und damit unwirksam sind. Das zu beurteilen ist jedoch nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls möglich, also in Form einer Prüfung der jeweiligen Klausel bezogen auf die jeweilige Konstellation, in der sich Urheber und Verwerter geeinigt haben. Eine abstrakte Aussage, dass diese oder jene Nutzungsrechtsklausel in AGB wegen ihrer Intransparenz unzulässig ist, ist daher nicht möglich.
Der Umstand, dass AGB-Klauseln immer nur im Einzelfall auf ihre Wirksamkeit überprüft werden können, ist aus Sicht der Vertragspartner unbefriedigend, die von unzulässigen Klauseln betroffen sind. Wollen sie von ihrem Recht Gebrauch machen, unwirksame Vertragsklauseln nicht zu beachten, gehen sie in der Regel ein erhebliches Risiko ein. Angenommen, ein Journalist reicht bei einem Zeitungsverlag in Kenntnis dessen AGB einen Artikel ein, der in der Printausgabe der Zeitung veröffentlicht werden soll. In den AGB will der Verlag unter anderem regeln, dass der Autor auch sämtliche Online-Rechte, zudem die exklusiven Vertonungsrechte überträgt. Der Journalist wird jedoch nicht schlau aus der diesbezüglichen Klausel, die unverständlich und in sich unschlüssig ist. Er nimmt nach gründlicher Überlegung an, dass der Verlag danach weder Online- noch Vertonungsrechte erhält.
Selbst wenn das zutreffen sollte und die Klausel tatsächlich gegen das Transparenzgebot verstößt und damit unwirksam ist, kann sich der Journalist kaum ohne weiteren Rechtsrat darüber sicher sein. Bietet er die Online- und Vertonungsrechte einem anderen Verlag an, geht er ein erhebliches Risiko ein, von seinem ersten Vertragspartner rechtlich belangt zu werden. Weil es so schwierig ist, die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Einzelfall zu beurteilen, ist das Instrument der AGB-Kontrolle daher für Freiberufler schon an sich nur mit Aufwand und Rechtsunsicherheiten zu handhaben14. Doch deren Schutz geht ohnehin nicht sonderlich weit.
„Unzulässige Benachteiligung” des Urhebers durch zu weitreichende Lizenzklauseln und Buy-out-Verträge?
Neben Verstößen gegen das Transparenzgebot oder das Verbot überraschender Klauseln, können AGB-Klauseln wegen ihres Inhalts unwirksam sein. Im Urhebervertragsrecht findet sich zum Beispiel eine Vielzahl an Regelungen, nach denen es nicht möglich ist, bestimmte Ansprüche oder Nutzungsrechte zu übertragen. Danach hat der Urheber auch einen unverzichtbaren und unabtretbaren „Anspruch auf eine angemessene Vergütung”.
Aus Sicht des AGB-Rechts ist vor allem fraglich, ob die Lizenzklauseln in Buy-out-Verträgen, die meist weit über den eigentlichen Vertragszweck hinausgehen, die Urheber „unangemessen benachteiligen”, wie es in Paragraf 307 BGB heißt. Wäre dies der Fall, wären sie unwirksam, der Urheber hätte die überschießenden Rechte nicht wirksam übertragen und könnte sie weiterhin selbst wahrnehmen oder auch einem anderen Verwerter einräumen.
In der Tat erscheint es naheliegend, dass das AGB-Recht gewisse Schutzwirkungen entfaltet oder jedenfalls entfalten sollte: die Verhandlungssituation zwischen Urheber und Verwerter ist häufig ungleich, woraus der Zwang folgt, die Regelungen des Vertragspartners zu akzeptieren.
Buy-out-Klauseln könnten mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen (aus dem Urheberrechtsgesetz) zum Beispiel insofern unvereinbar sein, da sie in der Regel gegen den so genannten Beteiligungsgrundsatz verstoßen werden. Nach diesem Grundprinzip ist der Urheber an jeder wirtschaftlich relevanten Nutzung seines Werkes zu beteiligen15. Dies gilt natürlich insbesondere für die wichtigen Nutzungsformen. So ist heutzutage beispielsweise die Online-Verwertung von Presseartikeln, zum Teil auch von Fachliteratur, neben den klassischen Print-Veröffentlichungen eine wichtige, vielleicht sogar bereits eine Primär-Nutzungsart.
Der Umstand aber, dass Journalisten oder Fachautoren in aller Regel keine weitere Vergütung dafür bekommen, dass sie neben den (anderen) Primärverwertungsrechten (also insbesondere dem Verlagsrecht) auch die Online-Rechte an die Verlage übertragen, lässt daran zweifeln, dass der Beteiligungsgrundsatz insofern gewahrt ist. Ist dies nicht der Fall und die Rechteübertragung erfolgt durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, wäre denkbar, dass die entsprechende Klausel den Urheber „unangemessen benachteiligt” und daher nach dem AGB-Recht unwirksam ist.
Auch mit dem „Zweckübertragungsgrundsatz”16, nach dem die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz haben, soweit wie möglich bei dem Urheber zu verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgnissen seines Werkes beteiligt wird17, sind überzogene, weit über den eigentlichen Vertragszweck hinausgehende Rechtekataloge nur schwer vereinbar18.
Dennoch: Schon der Gesetzgeber hat in der Begründung des neuen Urhebervertragsrechts, das im Jahr 2002 in Kraft getretenen ist, gesagt, dass Buy-out-Verträge und einmalige Pauschalvergütungen nicht schon für sich genommen unzulässig sind19. Ob dies der Fall ist, ist damit letztlich immer eine Frage der Umstände im Einzelfall.
Die Juristen streiten sich
Dass das AGB-Recht solchen Praktiken Grenzen setzt, wird in der Rechtsliteratur nicht selten vertreten. Rechteklauseln soll(t)en danach der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, um die Urheber vor unangemessenen Buy-out-Verträgen zu schützen20. Faktisch handelt es sich dabei jedoch eher um eine rechtspolitische Forderung als um eine Interpretation des geltenden Rechts. Die Rechtsprechung, vor allem des Bundesgerichtshofs (BGH), erkennt eine AGB-Kontrolle von Rechtekatalogen in Lizenzverträgen generell nicht an. In einer diesbezüglich wegweisenden Entscheidung aus dem Jahr 198221hat sich das höchste deutsche Zivilgericht dazu wie folgt geäußert:
Der abstrakten Prüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bekl[agten] sind auch insoweit Grenzen gesetzt, als die vom Gesetzgeber erwartete umfassende Regelung des Urhebervertragsrechts bislang ausgeblieben ist; es besteht vielmehr eine nahezu unbegrenzte Vertragsfreiheit. Im geltenden Recht finden sich nur vereinzelt Leitgedanken, die auch für das Urhebervertragsrecht gelten …
Der Bundesgerichtshof vertrat damals die Auffassung, dass es sich bei den formularmäßigen Rechtekatalogen nur um eine Beschreibung der vertraglichen Hauptleistungspflichten handele, die gemäß Paragraf 307 Absatz 3 BGB22 nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliege. Im Übrigen verstießen die Klauseln nicht gegen urheberrechtliche Leitbilder, da es sich bei den – in jenem Verfahren relevanten – Bestimmungen nur um Auslegungsregelungen handele, die keine „wesentlichen Grundgedanken” des Urhebervertragsrechts regeln würden.
Hat das neue Urhebervertragsrecht von 2002 etwas geändert?
Ob der BGH die Entscheidung so auch heute noch treffen würde, ist zunächst nicht zwingend gesagt. Tatsächlich gibt es keine neueren Entscheidungen des höchsten Gerichts über diese Frage.
Allerdings wurde das Urheberrecht mittlerweile mehrfach geändert. Durch die Neuregelung des Urhebervertragsrechts im Jahr 2002 wurde etwa auch im Gesetz der Grundsatz festgeschrieben, dass das Urheberrecht dazu dient, dem Urheber eine wirtschaftliche Beteiligung zu sichern („Beteilungsgrundsatz”)23. Der Gesetzgeber selbst hat in den Gesetzesmaterialien zur Reform des Urhebervertragsrechts darauf hingewiesen, dass dem Beteiligungsgrundsatz (siehe Paragraf 11 Satz 2 UrhG) Leitbildfunktion zukomme und er daher im Rahmen einer AGB-Kontrolle zu berücksichtigen ist24.
Ferner wurde 2002 ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung neu eingeführt, der unabtretbar und unverzichtbar ist25. Man könnte daher gegebenenfalls argumentieren, dass Buy-out-Klauseln, jedenfalls wenn sie über den eigentlichen Vertragszweck weit hinausgehen und wenn für die Rechteübertragung lediglich pauschale Vergütungen gezahlt werden, mit den daraus hervorgehenden Prinzipien unvereinbar sind. Denn solche Vertragsbestimmungen werden im Zweifel zwangsläufig dazu führen, dass der Urheber jedenfalls nicht für alle übertragenen Rechte vergütet, geschweige denn angemessen vergütet wird26.
Trotzdem: AGB-Kontrolle hat Grenzen
Allerdings ist eine AGB-Kontrolle generell weder für die Höhe der Vergütung noch – wie gesagt – für den Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte möglich, da diese beiden Faktoren unmittelbar die Leistungen des Urhebers (Rechteeinräumung) einerseits und des Verwerters (Vergütung) andererseits definieren. Dass der Umfang von Leistung und Gegenleistung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht zugänglich ist, wird mit drei Aspekten begründet27:
- Es fehlt eine gesetzliche Vorgabe, mithin ein Kontrollmaßstab, an denen man die Klausel messen könnte.
- Der Vertragspartner ist aus AGB-rechtlicher Sicht wenig schutzwürdig, da er in Bezug auf seine Hauptleistungspflicht aufmerksam und damit weniger gefährdet ist, überrumpelt zu werden.
- Vor allem: Es soll nicht in das freie Spiel von Angebot und Nachfrage eingegriffen werden, in dem eines der Grundprinzipien der Marktwirtschaft liegt.
Diese Grundsätze gelten auch heute noch unverändert, das AGB-Recht hat sich insofern nicht verändert. Daher ist auch nach den neueren Urheberrechtsreformen das rechtlich-formale Argument, es handele sich bei Rechte- und Vergütungsklauseln nur um Leistungsbeschreibungen, die der Inhaltskontrolle entzogen seien, kaum zu überwinden28.
Alternative Ansätze der Rechtswissenschaft
Zwar fordert ein großer Teil der Rechtsliteratur mit unterschiedlichen Ansätzen29, die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle dennoch anzuwenden, um überbordende Rechteklauseln einzugrenzen und dadurch die Urheber vor Ausbeutung und Übervorteilung zu schützen30. Weder ist dies jedoch einhellige Meinung, noch konnte sich diese Auffassung bislang in der Rechtsprechung (vor allem nicht des Bundesgerichtshofs) durchsetzen.
Ein Meilenstein? LG Berlin entscheidet nach Klage des DJV zugunsten freier Journalisten gegen die AGB von Springer
Immerhin: Zunächst in einem Eilverfahren, im Anschluss auch im Klageverfahren entschied das Landgericht (LG) Berlin 2008 in erster Instanz, dass die Honorarregelungen für Zeitungen31 bzw. Zeitschriften32 des Axel Springer Verlags teilweise unwirksam sind, weil sie gegen das AGB-rechtliche Verbot unangemessener Benachteiligung verstoßen33. Geklagt hatte der Deutsche Journalistenverband (DJV), der als Interessenverband gesetzlich befugt ist, gewissermaßen stellvertretend für seine Mitglieder so genannte „Unterlassungsklagen” (nach dem Unterlassungsklagengesetz, UKlaG) gegen die Verwender unzulässiger AGB zu führen. Solche Unterlassungsklagen haben gegenüber individuellen Maßnahmen, etwa eines einzelnen Journalisten, den Vorteil, dass sie sich gegen die Verwendung der AGB an sich richten können. Wird diese vom Gericht untersagt, hat das Urteil faktisch allgemeinverbindliche Wirkung. Man nennt diese Form des Rechtsschutzes daher auch „abstrakte Inhaltskontrolle”.
Aufgrund der Seltenheit solcher Entscheidungen34 und ihres Modellcharakters hat das Urteil einige Bedeutung, obwohl es sich nur um ein erstinstanzliches Urteil handelt, das bislang offenbar nicht rechtskräftig ist35. Es soll hier daher ausführlicher erläutert werden.
Das LG Berlin entschied letztlich jedenfalls in Teilen zugunsten des DJV und erklärte manche AGB-Klauseln des Springer-Verlags für unwirksam. Unzulässig sind danach Klauseln, die offenlassen, ob ein zusätzliches Honorar gezahlt werden muss, wenn der Verlag Beiträge freier Journalisten zusätzlich nutzt. So hatte sich der Verlag einerseits ausbedungen, die Beiträge zum Beispiel erneut zu veröffentlichen oder sie auch für Werbung zu nutzen36. Zusätzliche Honorare sollten jedoch nur „nach Absprache” gezahlt werden. Alle Rechte durften nach den AGB im Übrigen vom Verlag auch weiterübertragen werden. Der Verlag hatte damit die rechtlichen Grundlagen geschaffen, durch Weiterveräußerung selbst weitere Erlöse zu erzielen, ohne sich gleichzeitig zu verpflichten, die Urheber zu beteiligen oder zumindest weitere Honorare zu zahlen.
Das LG Berlin monierte, dass der Axel Springer Verlag durch diese AGB-Formulierungen zusätzliche Vergütungen für zusätzliche Nutzungen faktisch ins eigene Belieben gestellt hatte. Nicht einmal eine Pflicht, die Urheber bei erneuten Nutzungen zu benachrichtigen, war in den AGB vorgesehen. Die Journalisten hätten daher im Zweifel nichts davon erfahren, was natürlich notwendig gewesen wäre, um den Verlag auffordern zu können, über ein weiteres Honorar zu verhandeln.
Das LG Berlin entschied, dass diese Regelungen gegen den Beteiligungsgrundsatz nach § 11 UrhG verstießen. Da die Urheber im Sinne des AGB-Rechts unangemessen benachteiligt würden, seien die entsprechenden Klauseln unwirksam. Denn der Beteiligungsgrundsatz sei ein wesentlicher Grundgedanke, ein Leitbild des Urheberrechts, von dem durch AGB nicht abgewichen werden dürfe. Da der Gesetzgeber diesen 2002 ausdrücklich gesetzlich geregelt habe, unterscheide sich die Rechtslage von derjenigen, anhand derer der BGH im Jahr 1982 seine (anderslautende) Entscheidung getroffen hatte.
Für ebenfalls unwirksam hielt das LG Berlin eine Klausel, nach der auch die Autorennennung offenbar – der Text war nicht eindeutig formuliert – praktisch ins Belieben des Verlags gestellt wurde, die Journalisten jedenfalls keine Ansprüche hätten stellen können, wenn sie nicht genannt werden. Dies widerspreche den Grundgedanken des Urheberrechts37 und stelle – aufgrund der unklaren Formulierung – auch einen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar.
Ebenfalls für unwirksam hielt das LG Berlin den Passus in den AGB über Ausfallhonorare38. Dieser besagte, dass der Journalist nur die Hälfte des vereinbarten Honorars erhalten solle, wenn der Verlag den Beitrag nicht wie geplant veröffentlicht. Das LG Berlin sah darin eine unangemessene Benachteiligung, da eine solch pauschale und keinen objektiven Einschränkungen unterworfene Möglichkeit, das vereinbarte Honorar um die Hälfte zu kürzen, gegen den Anspruch des Urhebers auf die vertraglich vereinbarte Vergütung verstoße. Die angebliche Befugnis des Urhebers, bei einem Ausfall den Beitrag selbst anderweitig nutzen zu können (die im Übrigen aus den AGB nicht hervorging), hielt das Gericht nicht für einen angemessenen Ausgleich.
Abgesehen von diesen und anderen Klauseln der Honorarbedingungen Springers, die nach Ansicht des Gerichts unzulässig waren, lehnten die Richter jedoch eine Vielzahl weiterer Beanstandungen des DJV ab. Allgemein teilte es die oben kurz beschriebene Auffassung in der Rechtsliteratur nicht, dass über den eigentlichen Vertragszweck hinausgehende Rechtekataloge unwirksam seien, weil sie gegen den Zweckübertragungsgrundsatz verstoßen (und damit gegen Paragraf 307 Absatz 2 Nummer 1 BGB). Soweit es um die Reichweite der auf Basis der AGB eingeräumten Nutzungsrechte gehe, und nicht um die Frage nach der Vergütung, gelte nach wie vor die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1982.
Danach ist es AGB-rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Verlag sich Rechte zur Bearbeitung, Übersetzung, werblichen Nutzung und die Befugnis, die erworbenen Rechte weiterzuveräußern, einräumen lässt. Einerseits sehe das Urheberrechtsgesetz ausdrücklich vor, dass Nutzungsrechte mit Zustimmung des Urhebers weiterübertragen werden können. Andererseits begrenze es die Reichweite von Rechteübertragungen nicht, eine zu weitgehende Nutzungsrechtsklausel könne daher auch nicht gegen ein urheberrechtliches Leitbild verstoßen. Der Zweckübertragungsgrundsatz sei – wie es der BGH seinerzeit entschieden hat – kein solches Leitbild, sondern nur eine Auslegungsregel.
Fazit aus der Entscheidung
Unter dem Strich hinterlässt die Entscheidung des LG Berlins ein gemischtes Bild. Das Gericht hat letztlich nur solche Klauseln für unwirksam erklärt, die die Frage, ob für (manche) Nutzungen überhaupt Honorare bezahlt werden müssen, ins Belieben des Verlags gestellt haben. Abgelehnt hat es dagegen, den Rechtekatalog einzuschränken und zu überprüfen, ob für bestimmte Nutzungsrechte vorgesehene Honorare der Höhe nach angemessen waren. Derartige Aspekte entzögen sich der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Sie seien – wenn überhaupt – nur in individuellen rechtlichen Schritten einzelner Urheber nach den urhebervertragsrechtlichen Regeln möglich, etwa im Rahmen einer Klage auf angemessene Vergütung gem. Paragraf 32 UrhG.
Was bleibt: Schutz durch das Urhebervertragsrecht
Auch heute noch scheint es also mit der AGB-rechtlichen Überprüfbarkeit von Nutzungsrechtklauseln nicht weit her. Neben dem – recht vagen – Schutz aus dem Transparenzgebot und dem Verbot überraschender Klauseln bleiben den Urheberinnen als Schutznormen daher im Zweifel nur die urhebervertragsrechtlichen Regelungen. Diese haben zwar den Vorteil gegenüber den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen, konkreter und auf urheberrechtliche Fragestellungen zugeschnitten zu sein. Eine (ergänzende) Anwendung des AGB-Rechts wäre jedoch aus Sicht der Urheber in vielen Fällen vorzugswürdig. Denn nur diese Regelungen ermöglichen die abstrakte Klauselkontrolle durch Verbände wie den DJV. Nur sie können die Kreativen zudem davor schützen, unfreiwillig und ohne Einflussmöglichkeit alle Rechte durch Formularverträge abzugeben.
Ein Anspruch auf angemessene Vergütung beispielsweise ermöglicht der Urheberin nicht, Zweitverwertungsrechte trotz Buy-out-Klausel selbst auszuwerten oder einem Dritten zu übertragen und dafür ein weiteres Honorar auszuhandeln. Ist die Vergütung – wie so oft – nicht angemessen, nützt dieser Anspruch dem Kreativen außerdem – naturgemäß – nur etwas, wenn er ihn gegenüber dem Verwerter auch geltend macht. Gerade dies wird angesichts der Marktsituation vielen Übersetzern, Journalisten, Grafikern oder Programmierern aber ebenso wenig möglich sein, wie beim Vertragsschluss den AGB zu widersprechen39.
Der Zweckübertragungsgrundsatz schützt die Kreativen ebenfalls nur bedingt. Er hilft gegen AGB, die detailliert alle Nutzungsarten aufführen, nicht weiter, da er nur eine Auslegungshilfe für den Fall bietet, dass die Nutzungsrechtsklausel interpretationsbedürftig ist.
Schlussbemerkung
Davon, dass das seit 2002 geltende Urhebervertragsrecht gemeinsam mit dem AGB-Recht einen „lückenlosen Schutz” bietet, wie es sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung auf die Schulter klopfend selbst attestiert40, kann nach alledem keine Rede sein.
Fußnoten
1 Siehe § 305 Absatz 1 BGB: „Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.”
3 Siehe Acker/Thum, Zulässigkeit der Vereinbarung der freien Weiterübertragbarkeit von urheberrechtlichen Nutzungsrechten durch AGB, GRUR 2008, 671/672; Berger/Wündisch-Schierholz, Handbuch Urhebervertragsrecht (2008), § 34, Rn. 14. Eine Unternehmereigenschaft des Urhebers wird zwar gerade im „Mitmach-Web (2.0)” sehr häufig fraglich sein. Da sich dieser Text jedoch vor allem an freiberuflich tätige Kreative richtet, wird darauf nicht näher eingegangen.
4 So der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005, siehe tinyurl.com/aherzs. Dies soll jedoch wiederum nicht für Geschäfte dienen, die der Entscheidungsfindung darüber dienen, ob überhaupt ein Unternehmen gegründet bzw. eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen wird, siehe BGH unter tinyurl.com/cu3z8b. Der BGH unterscheidet also zwischen der Vorgründungs- und der eigentlichen Gründungsphase.
5 Siehe etwa Castendyk, Lizenzverträge und AGB-Recht, ZUM 2007, S. 169, 171.
6 Siehe § 305b BGB.
7 Castendyk (s. o., En. 5), S. 171-172.
8 Siehe § 305c Absatz 1 BGB.
9 Die Rechtsprechung ist bei der Annahme überraschender Klauseln im Medienumfeld in der Vergangenheit sehr zurückhaltend gewesen. Nachweise bei Castendyk (s. o., En. 5), S. 171.
10 In aller Regel folgt aus der Unwirksamkeit einer einzelnen Klausel nicht die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags. Dies ist nur dann der Fall, wenn es für eine der Vertragsparteien unzumutbar wäre, ohne diese Klausel am Vertrag festzuhalten (siehe § 306 BGB).
12 Ein anschauliches Beispiel für eine AGB-Klausel, die gegen das Transparenzgebot verstößt (hier: eine des iTunes Musicstore) wird bei Kreutzer, Verbraucherschutz bei digitalen Medien, S. 80-81 (www.vzbv.de/mediapics/anlage_pm_digitale_medien_06_2006_copy.pdf), kommentiert und auf ihre rechtliche Wirksamkeit untersucht.
13 Hierbei handelt es sich um Auszüge aus alten Honorarbedingungen des Sender Freies Berlin, die Anfang der 80ziger Jahre für Fernsehurheber eingesetzt wurden. Diese Klauseln waren Gegenstand einer Grundsatzentscheidung des BGH zur AGB-rechtlichen Überprüfung von Nutzungsrechtsklauseln (Urteil vom 18. 2. 1982 – I ZR 81/ 80 – Honorarbedingungen: Sendevertrag = GRUR 1984, S. 45).
14 Kritisch daher auch Kreutzer, a. a. O., S. 10, in Bezug auf die AGB-rechtliche Situation bei Verbraucherverträgen: „Ob einzelne Klauseln in Nutzungs- und Lizenzbedingungen nach den Verbraucherschutzbestimmungen unwirksam sind, ist für den Nutzer aufgrund der komplexen Rechtslage in der Regel nicht erkennbar. In solchen Fällen fehlt ihm die Grundlage für eine Entscheidung, ob er sich an die jeweilige Vertragsklausel halten muss oder ob ihm bei Verstößen rechtliche Schritte drohen.”
15 In § 11 Satz 2 UrhG ist bestimmt, dass das Urheberrecht der angemessenen Vergütung des Urhebers dient.
16 Dieser ist in § 31 Absatz 5 UrhG geregelt.
17 So die ständige Rechtsprechung des BGH (z. B. GRUR 1979, 637, 638 f. – White Christmas; BGH, Urteil vom 27. 9. 1995 – I ZR 215/ 93 – Pauschale Rechtseinräumung = GRUR 1996, 121, 122).
18 Gleicher Ansicht: Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Kommentar zum UrhG, 3. Auflage 2008, § 31, Rn. 40-43.
19 Siehe den Regierungsentwurf zum „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern” aus dem Jahr 2002 (BT-Drcks. 14/6433, S. 12): „ Das Gebot angemessener Vergütung schließt die Vereinbarung von Einmalzahlungen in buy-out-Verträgen nicht grundsätzlich aus. Vielmehr hängt die Angemessenheit einer Vergütung weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab, wie in den Erläuterungen der Vorschrift im Einzelnen dargelegt ist.”
20 Schricker in Schricker, UrhG, 3. Auflage 2006, vor §§ 28ff., Rn. 14; Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, § 31, Rn. 42-43; Berberich, Die Doppelfunktion der Zweckübertragungslehre bei der AGB-Kontrolle, ZUM 2006, S. 205, 207;
21 BGH, Urteil vom 18. 2. 1982 – I ZR 81/ 80 – Honorarbedingungen: Sendevertrag = GRUR 1984, S. 45, 48.
22 Zum Zeitpunkt der Entscheidung war dies in § 8 des alten AGB-Gesetzes geregelt, dessen Inhalt nunmehr in § 307 Absatz 3 BGB zu finden ist.
23 Siehe § 11 Satz 2 UrhG.
24 In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses im Bundestag zum „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern” aus dem Jahr 2002 heißt es in Bezug auf die neue Regelung in § 11 Satz 2 UrhG (siehe BT-Drcks. 14/8058, S. 17-18): „Sie vervollständigt das Programm des Urheberrechtsgesetzes und ermöglicht es der Rechtsprechung, die Vorschriften des Gesetzes – auch im Rahmen der AGB-Kontrolle – nach diesem Normzweck auszulegen, denn das Prinzip der angemessenen Vergütung hat künftig Leitbildfunktion.”
26 So auch Berberich (s. o., Endnote 20), S. 207.
27 Siehe Berberich (s. o., Endnote 20), S. 209, der einige durchaus bedenkenswerte Argumente vorbringt, warum diese drei Aspekte einer Inhaltskontrolle von Lizenzverträgen mit Urhebern gerade nicht entgegenstehen sollen. Er hebt zur Begründung seiner These die Besonderheiten solcher Vertragskonstellationen hervor. So argumentiert er in Bezug auf den dritten Aspekt (freie Marktwirtschaft), dass im Verhältnis zwischen Urhebern und Verwertern der Markt wegen der ungleichen Verhandlungsstärke ohnehin nicht funktioniere. Von selbstbestimmten Entscheidungen und damit einer freien Marktwirtschaft könne hier keine Rede mehr sein. Da es hier darum gehe, die Schwächeren zu schützen, müsse Freiheit der Marktwirtschaft eingeschränkt werden.
28 So auch zum Beispiel Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Auflage 2007, Rn. 959; Kuck, Kontrolle von Musterverträgen im Urheberrecht, GRUR 2000, S. 285, 288.
29 Siehe vor allem die Theorie von Berberich (oben, Endnote 26).
30 Dafür etwa Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, vor §§ 31 ff., Rn. 108-109 und die bei Castendyk (s. o., En. 5), Fußnote 26 genannten Stimmen. Eingeschränkt dagegen Castendyk selbst, siehe ebd., S. 169, 174 der zudem (in Fn. 30 und 31) auf die Gegenstimmen in Literatur und Rechtsprechung hinweist. Dagegen argumentieren zudem die oben in En. 28 genannten Autoren. Auch Wandtke/Grunert weisen darauf hin, dass die Rechtsprechung diesbezüglich „eher zurückhaltend” sei.
31 Siehe tinyurl.com/dzz5jy.
32 Siehe tinyurl.com/cm4hpq.
33 Das Urteil scheint online nicht veröffentlicht worden zu sein (zu finden ist es in ZUM-RD 2008, 18). Siehe dazu die Erläuterung des DJV, Honorarbedingungen bei Springer: Was im Urteil wirklich steht tinyurl.com/dgtoj5.
34 Bekannt ist zudem noch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken, das über die Rechteübertragungsklausel in Komponistenverträgen des ZDF zu urteilen hatte. Es hielt eine Klausel, nach der es dem ZDF erlaubt wurde, die von den Komponisten eingeräumten Nutzungsrechte auf einen (dem ZDF gehörenden) Musikverlag weiter zu übertragen, für unwirksam. Das Urteil ist im Volltext nicht kostenlos online erhältlich. Es wurde in ZUM 2001, S. 346 veröffentlicht.
35 Es ging um den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die der DJV beantragt hatte. In einem solchen Eilverfahren, das auf vorläufigen Rechtsschutz abzielt, prüft das Gericht die relevanten Rechtsfragen nur „summarisch”, also nicht in voller Tiefe. Dies schmälert in der Regel den Aussagegehalt von Urteilen, die in Verfügungsverfahren ergehen. Die Entscheidung des LG Berlins ist jedoch ausführlich und nachvollziehbar begründet worden, so dass sie von einigem Interesse ist, auch wenn der Verlag dagegen Berufung eingelegt hat, über die noch nicht entschieden wurde (siehe das Interview des DJV mit dessen Justiziar Pöppelmann: Ein Jahr einstweilige Verfügung gegen Axel Springer – der Sachstand, vom 5.7.2008, www.djv.de/05-06-2008-Ein-Jahr-Urteil-ge.2594.0.html. Hiernach hat der DJV bereits 2008 das Hauptsacheverfahren vor dem LG Berlin eingeleitet (also zusätzlich zur einstweiligen Verfügung Klage erhoben), während der Springer Verlag gegen das Urteil im Verfügungsverfahren Berufung zum Kammergericht Berlin eingelegt hatte. Im Juni 2008 gab es zu der Berufung noch keine Neuigkeiten. In der Hauptsache hat das LG Berlin nunmehr erneut über die Sache entschieden und kam offenbar zum gleichen Ergebnis (siehe Mediafon: Gewerkschaften gewinnen erneut gegen Springer AGB, Meldung vom 10.1.2009, www.mediafon.net/meldung_volltext.php3).
36 Siehe Ziff. II.2.b und d sowie II.4 der Honorarbedingungen Zeitungen (Fundstelle, s. o., En. 31).
38 Siehe Ziff. II.8.c der Honorarbedingungen Zeitschriften (Fundstelle, s. o., En. 32).
39 Wenn dagegen aufgrund der AGB-Inhaltskontrolle die Rechteübertragungsklausel unwirksam wäre, könnte der Urheber ohne sich mit seinem Vertragspartner darüber auseinandersetzen zu müssen, die nicht wirksam übertragenen Rechte weiterhin selbst ausüben. Auch wenn den Kreativen daraus natürlich ebenfalls Probleme entstehen können, ist immerhin keine unmittelbare Konfrontation erforderlich. Im Übrigen müsste, wenn er dagegen vorgehen will, in diesem Fall der Verwerter die Initiative ergreifen und gegebenenfalls seinerseits rechtliche Schritte einleiten.
40 In der Beschlussfassung (BT-Drcks. 14/8058, S. 17-18) heißt es euphemistisch: „Damit gewährt das Urheberrecht lückenlosen Schutz: § 32 und § 32a sichern die angemessene Vergütung dort, wo eine Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht möglich ist (§ 8 AGBG bzw. § 307 Abs. 3 BGB in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung).”
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