Freedom-House-Bericht: Bürgerliche Freiheiten auf dem Rückzug

Screenshot: freedomhouse.org
Weltweit gesehen befinden sich die bürgerlichen Freiheiten bereits im vierten Jahr in Folge auf dem Rückzug, so das Ergebnis des Berichts “Freedom on the Net 2014”, den die US-Organisation Freedom House Anfang Dezember veröffentlicht hat. Das Internet in Deutschland ist im wesentlichen “frei”, dennoch gibt es problematische Entwicklungen. Für den Teilbericht über Deutschland haben Philipp Otto und ich in diesem Jahr die Lage eingeschätzt.
Der Bericht untersucht die Lage bei Bürgerrechten und politischen Freiheiten im Internet anhand einer Analyse in drei Bereichen: „Zugangshindernisse“ (obstacles to access), „Inhaltsbeschränkungen“ (limits on content) und „Verletzungen von Nutzerrechten“ (violations of user rights). Neben der Beschreibung der Situation wird ein numerischer Index gebildet, auf dessen Grundlage ein Land in die Kategorie “frei”, “teilweise frei” oder “unfrei” einsortiert wird (Erläuterungen zur Methode).
Deutschland im Vergleich gut, dennoch Grund zur Sorge
In Deutschland ist es um die Freiheit im Internet im Großen und Ganzen recht gut bestellt. Formale Zugangsbeschränkungen gibt es so gut wie keine, beim Infrastrukturausbau auf dem Land sind zumindest Fortschritte zu beobachten. Der Abschnitt zu Beschränkungen beim Zugang zu Inhalten findet mehr Anlass zu Kritik:
- Sorge bereitet die noch immer unklare politische Lage zur Netzneutralität. Trotz Ankündigungen im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung noch immer nicht eindeutig und uneingeschränkt zur Wahrung der Gleichbehandlung aller Daten bekannt.
- Negativ ins Gewicht fällt auch das 2013 in Kraft getretene Leistungsschutzrecht für Presseverleger wegen möglicher Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit.
Auch die Rechtsprechung in Deutschland ist im Blickfeld der Untersuchung:
- Besonders die richterliche Behandlung der Störerhaftung von Diensteanbietern wirkt freiheitsbeschränkend. Der Bericht bemängelt die damit einhergehende Rechtsunsicherheit für Bürger und Unternehmen.
Bei der Verletzung von Nutzerrechten registriert der Bericht besonders die Auswirkungen des NSA-Skandals und die Reaktion der deutschen Behörden.
- Kritisiert wird die Rolle des Bundesnachrichtendienstes, der jahrelang Daten deutscher Staatsbürger an die NSA weiterleitete, aber auch die allzu zögerliche Reaktion der Bundesregierung auf die Enthüllungen.
- Berichtet wird außerdem von Plänen der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslose über Internetdienste wie Ebay oder soziale Netzwerke zu überwachen.
Positiv dagegen fällt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ins Gewicht, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im April 2014 für ungültig zu erklären.
Die in Washington ansässige Nichtregierungsorganisation Freedom House wurde 1941 mit dem Ziel gegründet, den Zustand der demokratischen Rechte und politischen Freiheiten in den Ländern der Welt zu beobachten. Der Bericht “Freedom in the World“ erscheint seit 1972 jährlich, seit vier Jahren zusätzlich der Bericht “Freedom on the Net” speziell zum Internet. Freedom House finanziert sich im wesentlichen über Bundeszuschüsse etwa des US-Außenministeriums und private Spenden.
Der gesamte Bericht lässt sich online oder als PDF nachlesen.
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