Frank Bergmann: Digitale Generation nicht diffamieren und kriminalisieren
“Papa, darf ich Max mein neues iPod-Spiel ausleihen?”
“Ich will meine MP3-Sammlung auf dem Flohmarkt verkaufen. Was kann ich denn dafür wohl nehmen?”
Was würden Sie Ihrem Kind auf diese Fragen antworten? Wie würden Sie ihm erklären, dass man zwar früher seine Schallplatten auf dem Flohmarkt verkaufen konnte, aber heute die MP3-Sammlung nicht so einfach zu Geld machen kann. Für Kinder, die in der digitalen Welt aufwachsen, ist die Kopie das Original und das Original die Kopie. Aber warum kann man das Spiel auf dem iPod nicht verleihen wie früher das Quartettspiel?
Das Urheberrecht wurde nicht in der erforderlichen Weise an die gesellschaftlichen und technischen Veränderungen angepasst.
Der Grund liegt auch darin, dass das Urheberrecht ein Recht für wenige Experten ist. Vor der Digitalisierung war das kein Problem: Die Rollen waren klar verteilt: Urheber, Produzenten, Verwerter und Nutzer. Heute kann schon mein Kind alles in einer Person sein. An einem kreativen Nachmittag kann es mit einem Computer so viele Urheberrechtsverletzungen begehen, dass mir schwindelig wird. Wenn ich daran denke, dass dies anschließend auch noch in kürzester Zeit an hunderte Freunde verteilt wird, ist es eine gute Idee, die Liste der befreundeten Anwälte aktuell zu halten.
Auf Mixing, Mash-Ups und User Generated Content hat das geltende Recht keine hinreichende Antwort. Kreativität, die nur entsteht, weil Inhalte überall und jederzeit verfügbar sind, konnten sich die Schöpfer des bisherigen Rechts nicht vorstellen. Die digitale Generation meiner Kinder zu diffamieren und zu kriminalisieren, wird aber gesellschaftlich nicht akzeptiert. Weder von ihnen selbst, noch von der Generation ihrer Eltern und Großeltern. Eine Reform des Urheberrechts, die die Interessen nicht nur der klassischen Urheber berücksichtigt, ist nötig, erfordert aber noch Zeit und Überzeugungsarbeit.
Dabei müssen die Profi-Kreativen, die mit ihrem Schaffen Geld verdienen wollen, nicht benachteiligt werden. Ich bin überzeugt: Die Kreativität der Massen wird den finanziellen Ertrag der Künstler nicht negativ beeinträchtigen, wohl aber wenn sie von einigen als Hehler oder Mitglieder von Banden verfolgt werden.
Zur Person
Frank Bergmann (@hildwin), 44, ist Vater von zwei pubertierenden Kindern, die ihn immer wieder mit praktischen Problemen des Urheberrechts konfrontieren. Er bezeichnet sich selbst als Digital Native, da er bereits als Schüler mit 8-Zoll-Disketten unterm Parka herumlief. Beruflich beschäftigt er sich im Deutschen Bundestag mit Internet und Politik. Dieser Text steht nicht im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit und ist seine Privatmeinung.
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