Fair Share: Warum Verlage gegen Google schlechte Karten haben
Zur Autorin:
Andrea Lohse ist Professorin für Wirtschaftsrecht an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der Expertengruppe des Bundesministeriums für Wirtschaft zur 8. Kartellrechtsnovelle. Sie befasst sich wissenschaftlich mit dem Bereich Internetkartellrecht und dem Fair-Share-Beschwerdeverfahren. Sie ist weder für die Verlage noch für Google beratend tätig.
Nach meiner Einschätzung haben die Fair-Share-Beschwerden der deutschen Verleger gegen Google kartellrechtlich kaum Aussicht auf Erfolg, auch nicht auf EU-Ebene. Es handelt sich um einen Fall, der überdies weniger ins Kartellrecht als in das Urheber- und Lauterkeitsrecht gehört. Es geht bei diesem Streit im Kern um die Frage, ob Google für Google News urheberrechtlich nicht geschützte Textauszüge, die sogenannten Snippets, von den Webseiten der Online-Nachrichtenportale der Verlage übernehmen darf, ohne dafür zu zahlen.
Die Ansicht der Verleger, es liege ein kartellrechtlicher Ausbeutungsmissbrauch vor, weil Google die Snippets ohne Gegenleistung übernehme, ohne dass die Verlage sich dem entziehen könnten, ist – ungeachtet der sich hier stellenden schwierigen Rechtsfragen – schon in tatsächlicher Hinsicht schwer haltbar. Inzwischen können die Verleger mit dem sogenannten Robot Exclusion Protocol sehr detaillierte Vorgaben dazu machen, wie Verweise auf ihre Artikel in Google News und (unabhängig davon) in Google Web Search angezeigt werden sollen. Die italienische Wettbewerbsbehörde hat deshalb in einem vergleichbar liegenden Verfahren ihre Untersuchungen gegen Google am 22. Dezember 2010 eingestellt (AGCM, A420 – FIEG/Google).
Wie wichtig ist Google News?
Die weitere Argumentation der Verleger, es liege ein kartellrechtlicher Behinderungsmissbrauch vor, weil Google News den größten Teil der Informationsnachfrage erfülle und dadurch die sogenannte Click-Through-Rate auf ihre Webseiten reduziere, wirft – ungeachtet der sich hier ebenfalls stellenden schwierigen Rechtsfragen – erhebliche Beweisfragen auf. Denn nach den mir vorliegenden Informationen steigt einerseits der von Google News für deutsche Verlage generierte Besucherverkehr seit 2007 stetig an, und generieren die Verlage andererseits nur 15–20 Prozent ihres Besucherverkehrs über Google News und Google Web Search.
Weg über ein neues Leistungsschutzrecht?
Was das Urheber- und Lauterkeitsrecht angeht, haben die Verleger mit ihren Forderungen einen schweren Stand. Nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in den Fällen „Paperboy“ (I ZR 259/00) und „Vorschaubilder“ (I ZR 69/08) spricht viel dafür, dass das Verhalten von Google weder urheberrechtlich noch lauterkeitsrechtlich zu beanstanden ist. Daher ist es verständlich, dass die Verleger versuchen, ein neues Leistungsschutzrecht für Verlage im Rahmen einer Urheberrechtsnovelle in Deutschland durchzusetzen, um sich auch kleinste Informationsteile schützen zu lassen. Das wäre der richtige Weg, falls man die Fair Share-Forderung als gerechtfertigt ansieht, eine Frage, die allerdings vom deutschen Gesetzgeber entschieden werden muss.
Kartellrecht vs. Urheberrecht
Auch wenn die Einführung eines neues Leistungsschutzrechts derzeit politisch schwierig scheint, begegnet eine kartellrechtliche Beschwerde mit demselben Ziel (Übernahme von Verlagsinhalten gegen Vergütung) zudem ganz grundsätzlichen Bedenken. Das Kartellrecht steht in einem Spannungsverhältnis zum Urheber- und Patentrecht, weil das Kartellrecht gerade auch auch den Imitationswettbewerb schützt: Es ist – anders als das Urheber- und Patentrecht – kein Instrument, um den Imitationswettbewerb einzuschränken, sondern um seine Beschränkung durch die Unternehmen zu verhindern. Die wettbewerbspolitische Berechtigung des Patent- und Urheberrechtschutzes ist daher bis heute umstritten, auch wenn sie überwiegend für einen Kernbereich anerkannt wird.
Beschwerde entgegen der kartellrechtlichen Schutzrichtung
Welche Kräfte der Imitationswettbewerb entfalten kann, zeigt sich etwa, wenn Patente für Medikamente ablaufen und preisgünstige Generika auf dem Markt erscheinen. Die europäische Kartellbehörde hat die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht daher auch und gerade dazu eingesetzt, die Inhaber von Patent- und Urheberrechten gegen ihren Willen zu zwingen, ihre Rechte – da geschützt, natürlich gegen ein angemessenes Entgelt – zu lizenzieren (kartellrechtliche Zwangslizenzen), etwa Microsoft gezwungen, Wettbewerbern die Windows-Schnittstellen zur Verfügung zu stellen, damit sie kompatible Server entwickeln können. Und sie hat drei irische Fersehsender verpflichtet, dem Unternehmen Magill ihre Programminformationen zur Verfügung zu stellen, damit es eine alle Programme umfassende Fernsehzeitschrift herausgeben kann.
Die Fair-Share-Beschwerde der Verleger verfolgt ein dieser kartellrechtlichen Schutzrichtung diametral entgegengesetztes Ziel, wenn sie die unentgeltliche Übernahme urheberrechtlich nicht geschützter Textauszüge durch einen möglichen Wettbewerber verhindern lassen wollen. Und das wird es ihnen erheblich erschweren, die europäische Kartellbehörde davon zu überzeugen, ihrer Beschwerde zu folgen.
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