Facebook und GIPHY: Bilder, die Millionen bewegen
Wer mit einem Messenger-Dienst wie WhatsApp oder Telegram eine Nachricht verschickt, kann seinen Text nicht nur mit zahlreichen Emojis schmücken, sondern ihm kleine Animationen hinzufügen. Diese Videos – bekannt als „GIFs“ (siehe Kasten) – sind nur wenige Sekunden lang und wiederholen sich in einer Dauerschleife.
GIFs sind beliebt und werden täglich von Millionen von Menschen in der digitalen Kommunikation eingesetzt. Große Anbieter wie GIPHY oder Tenor stellen laufend neue GIFs für die Integration in Messenger-Diensten, Email-Programmen, Social Media oder Videoplattformen bereit.
Bei GIPHY bestehen viele GIFs aus user-generated content, werden also von den Nutzer*innen selbst erstellt und hochgeladen. Daneben geht das Unternehmen auch Partnerschaften mit großen Medienunternehmen wie Disney oder Universal Pictures ein, um maßgeschneiderte GIFs für Kinofilme anzubieten und diese damit zu vermarkten. Mitte Mai wurde GIPHY an Facebook verkauft – für 400 Millionen Dollar.
Da stellen sich natürlich Fragen: Was ist eigentlich so besonders an den bewegten Bildern? Was will Facebook mit GIPHY? Und was gilt es rechtlich beim Einsatz von GIFs zu beachten?
Ein GIF sagt mehr als Worte: Hilfsmittel der digitalen Kommunikation
In der digitalen Kommunikation setzen Menschen GIF-Animationen ein, um ein bestimmtes Gefühl oder eine Stimmung zu bebildern: Wenn man müde ist, kann man zum Beispiel eine Katze auswählen, die sich gemütlich auf der Fensterbank zusammenrollt. Wer ausdrücken möchte, dass er sich gerade über etwas freut, findet in GIF-Sammlungen übertrieben jubelnde oder fröhlich tanzende Menschen. Und für Fremdscham oder Unverständnis gibt es amüsante Bewegtbildchen von kopfschüttelnden oder augenrollenden Figuren.
Die Bezeichnung „GIF“ stammt von der Dateiendung .gif und bedeutet ausgeschrieben „Graphics Interchange Format“, auf deutsch etwa „Format zum Austauschen von Grafiken“. Das Format existiert schon seit den späten 1980er Jahren. Eingeführt wurde es als Kompressionsverfahren zur platzsparenden Speicherung von Bildern mit maximal 256 Farben.
Ein GIF funktioniert ähnlich wie ein Daumenkino, speichert also mehrere Bilder in einer Datei, die beim Öffnen abgespielt und wiederholt werden. Man spricht daher auch von animierten GIFs. Tonspuren können GIFs dagegen nicht wiedergeben.
Mit einem GIF lassen sich Bildabfolgen in kleinen Dateigrößen abspeichern. In den 1990er Jahren, als das Internet noch vergleichsweise langsame Datenverbindungen hatte, war das ein großer Vorteil: Denn im Gegensatz zu großen Videodateien ließen sich GIFs schnell verschicken und im Browser anzeigen.
GIFs stehen damit stellvertretend für die Internet-Kommunikation und die Bildästhetik der frühen Netzkultur. Die digitale Kompression und die Endlosschleife der Bilder führen oft zu einer bestimmten Ästhetik, die an Wackelbilder oder einfache Animationen erinnert. Seit etwa 2010 erleben animierte GIFs ein Comeback.
Die Medienwissenschaftlerin Daniela Wentz erklärt, dass animierte GIFs eine Leerstelle in der textbasierten digitalen Kommunikation füllen. Denn GIFs bieten Gesten und non-verbale Ausdrucksformen, die in der schriftlichen Kommunikation wie in Chats sonst fehlen würden oder nur sehr schwer zu vermitteln sind.
„Happy Michelle Obama Gif”, Quelle: GIPHY.
Auf dem Marktplatz der bewegten Bilder
Die Nachfrage nach GIFs ist enorm: Nach eigener Angabe versorgt der Großanbieter GIPHY jeden Tag mehr als 700 Millionen User mit Bildmaterial, darunter Ausschnitte aus Fernsehsendungen, Filmen oder Videoclips, die ihrem Zusammenhang entnommen, auf wenige Bilder reduziert und als kurze Schleifen abgespeichert werden – und das alles ohne Tonspur, denn GIFs sind reine Bildformate.
Mehr als zehn Milliarden stumme Bildbotschaften werden so täglich über GIPHY in Messengern, Social Media und Emails verschickt. Dafür müssen die bewegten Bilder nicht einmal von GIPHY herunter- und anschließend wieder hochgeladen werden: GIPHY hostet die Bilder und bettet sie über Links in die jeweiligen Dienste ein, was das Verwenden für die Nutzer*innen bequem macht.
Die riesigen Mengen an Bildmaterial müssen aber auch irgendwoher kommen. GIPHY selbst bezieht einen Gutteil seines Materials aus user-generated content, also von den Nutzer*innen selbst, die es bei der Plattform hochladen.
GIPHY räumt sich weitreichende Nutzungsrechte ein
Dafür gelten Geschäftsbedingungen, wie sie so ähnlich auch von anderen Websites bekannt sind: GIPHY verlangt von allen Nutzer*innen, die etwas auf die Plattform hochladen, dass sie sämtliche Bildrechte geklärt haben beziehungsweise ihnen das Bildmaterial gehört. Damit sichert sich GIPHY bei etwaigen Rechtsverletzungen hab.
Gleichzeitig räumt sich die Plattform weitreichende Nutzungs- und Verwertungsrechte der hochgeladenen Bilder ein. Mit anderen Worten: Kein rechtliches Risiko für GIPHY und keinerlei Beteiligung der Nutzer*innen, die ihr Material geben. Wer sich auf diese Geschäftsbedingungen nicht einlassen möchte, muss auf einen Upload verzichten.
GIPHY arbeitet also wie eine große Sammelstelle für GIFs: Die Website speichert zahlreiche Bildbotschaften zu diversen Themen, bereitet sie mit Schlagworten auf und stellt sie per Suchfunktion wieder zur Verfügung. Aufgrund seiner Arbeitsweise wird GIPHY daher auch als GIF-Aggregator bezeichnet. Doch warum bezahlt Facebook für so einen Dienst 400 Millionen Dollar?
Facebook vs. Google, GIPHY vs. Tenor
Für den Branchenriesen Facebook (Börsenwert 2019: 582 Milliarden Dollar) war die große Beliebtheit von GIPHY ein wichtiges Kriterium für die Übernahme. Beobachter*innen vermuten, dass Facebook vor allem an den Daten interessiert ist, die über die Verwendung von GIPHY Aufschluss geben – und damit über die User selbst.
Denn mit dem Erwerb von GIPHY bekommt Facebook nicht nur Zugriff auf die GIF-Plattform, sondern könnte auch das Nutzungsverhalten analysieren – innerhalb wie außerhalb von Facebook. Außerdem zieht Facebook mit der GIPHY-Übernahme nun gegenüber dem Rivalen Google gleich, der sich im Frühjahr 2018 den GIF-Anbieter Tenor sicherte.
Sowohl Tenor wie auch GIPHY bieten spezielle Apps, mit denen sich unzählige GIFs in die digitalen Tastaturen von Smartphones integrieren lassen. GIPHY ist zudem bereits in zahlreichen Diensten und Apps integriert. Die meisten davon gehören gar nicht zu Facebook. Aber die GIFS, die über GIPHY geteilt werden, enthalten Links: Öffnet ein User eine Nachricht mit einem GIF von GIPHY, wird das Bild über den Link geladen und als eingebettetes Bild angezeigt.
Maßgeschneiderte Werbeanzeigen und detaillierte Stimmungsbilder
Durch gezieltes Tracking und Auslesen der GIPHY-Links könnte Facebook so das Verhalten von Leuten auswerten, die gar nicht bei Facebook angemeldet sind. Durch Kombination mit anderen Metadaten wie dem Standort, den verwendeten Apps und anderen Informationen ergäbe sich so ein aufschlussreiches Bild der Nutzer*innen.
Auch Trends, wie zum Beispiel die massenhafte Nutzung bestimmter Apps, wären mit den GIPHY-Daten für Facebook leichter zu erkennen. Zudem transportieren GIFs ja Gefühle, Stimmungen und Emotionen genauer, als dies mit den Like-Funktionen von Facebook abbildbar ist.
Aggregiert Facebook diese Daten mit den Suchanfragen und anderen Metadaten, ließen sich detaillierte Stimmungsbilder ausgeben. Diese Informationen könnte Facebook dafür nutzen, maßgeschneiderte Werbung auszuspielen: auf Facebook selbst wie auch auf Instagram, das ja wie Whatsapp zu Facebook gehört.
Wenn GIFs zu Memes werden
Facebook erwirbt aber nicht nur ein Medienunternehmen, sondern sichert sich mit GIPHY auch einen zentralen Akteur der digitalen Kommunikation. Der Internetgigant festigt damit gegenüber Google seine Stellung als Kommunikationsplattform.
Denn die Praxis, GIFs zu erstellen und mit ihnen Gefühle, Meinungen und Stimmungen auszudrücken, ist Teil von zwei größeren Internettrends, nämlich der Kommunaktion über Memes und der Remixkultur.
GIFs können zu Memes werden. Das ist dann der Fall, wenn viele Menschen das Bild oder Video teilen beziehungsweise in der Folge selbst bearbeiten oder remixen – etwa mit einem eigenen Text versehen – und diese Variationen ebenfalls im Internet veröffentlichen.
Bekannte Beispiele sind die griesgrämige Katze „Grumpy Cat“, die verzweifelt-genervte Geste des Captains aus Raumschiff Enterprise Jean-Luc Picard oder das GIF mit dem „Game of Thrones“-Darsteller Sean Bean und dem Satzanfang „One does not simply …“. Kennzeichnend für Memes ist, dass sie schnell die Runde machen, massenhaft variiert und dabei bekannt werden.
Durch die massenhafte Verwendung und Veränderung brennen sie sich ein ins kollektive Gedächtnis – und sind die moderne, visuelle Form eines geflügelten Wortes oder einer Redensart.
„Party Over Gif“, Quelle: Tenor.
Die Ursprünge der Remixkultur in der Musik
Einer der Ausgangspunkte für die heutige Bedeutung von GIFs ist die Remixkultur. Menschen können mit Computern und Mobilgeräten schnell und einfach die Werke anderer kreativ bearbeiten, kombinieren und eigene Versionen erschaffen. So entstehen GIFs und Memes.
Techniken des Samplings, von Mashups oder Remixen waren schon vor der Digitalisierung beliebt – Collagen gibt es in der bildenden Kunst schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts. In der Musik sind sie heute insbesondere bei Hip Hop und Techno verbreitet.
Ähnlich wie Remixe in der Musik sind aber auch GIFs und Memes urheberrechtlich nicht unproblematisch. Denn in den allermeisten Fällen sind die dabei verwendeten Bilder oder Bildsequenzen durch das Urheberrecht geschützt. Daher stellt sich die Frage, ob man GIFs und Memes überhaupt bedenkenlos erstellen beziehungsweise teilen und verbreiten darf.
Diese Frage lässt sich bisher nicht so einfach beantworten. In Deutschland gibt es weder eine klare Regelung zu Memes oder GIFs, noch liegt ein Gerichtsurteil vor, das man als Leitlinie heranziehen könnte. Vielmehr bewegen sie sich in einer juristischen Grauzone.
Memes, GIFs und das Urheberrecht
Der gesetzliche Urheberrechtsschutz umfasst nicht nur komplette Werke, sondern auch Teile davon. Das bedeutet, dass auch kurze Ausschnitte oder sogar einzelne Standbilder aus einem Video geschützt sein können und man Verwertungsrechte oder Lizenzen einholen muss, um eine verwendete oder bearbeitete Sequenz zu veröffentlichen.
Manche Medienunternehmen, die von Musiker*innen, Drehbuchautor*innen und Schauspieler*innen sogenannte Verwertungsrechte erwerben und Filme oder Fernsehsendungen produzieren, pochen auch für kleinste Filmsequenzen oder Bildfolgen auf den gesetzlichen urheberrechtlichen Schutz.
Das europäische und das deutsche Urheberrecht kennt zwar Ausnahmen von dieser Erlaubnispflicht, wie beispielsweise für das Zitieren aus Werken oder für Parodien. Allerdings bezweifeln Rechtsexpert*innen, dass das Zitatrecht oder die Ausnahmen für Satire bei Memes greifen, weil sie meist den Originalen zu ähnlich seien und sie auch nicht weiter erläutern.
Der besondere Reiz von Memes besteht allerdings gerade darin, dass die Nutzer*innen die Vorlage erkennen und die Bildaussage fortwährend umdeuten und weiterentwickeln. Leonhard Dobusch charakterisiert Memes daher auch als „niederschwellige, in Alltagskreativität fußende Volkskultur“. Soll heißen: Memes haben oft keine eindeutigen Urheber*innen, sondern entstehen durch allgemeine Kommunikation gewöhnlicher Menschen.
Genau für diese besondere Qualität der Kommunikation hat die Rechtsprechung aber noch keine klaren urheberrechtlichen Bewertungen oder Einordnungen gefunden. Die 2019 beschlossene EU-Urheberrechtsreform adressiert Memes nicht wirklich und stellt daher keine Grundlage für eindeutige Bewertungen.
Auch der Anfang 2020 veröffentlichte Diskussionsentwurf des deutschen Justizministeriums schaffte keine Klarheit: Hier war lediglich die Rede davon, dass Bildanbieter (etwa die Suchmaschine Google, möglicherweise aber auch private Blogs) kostenlose Vorschaubilder nur in einer maximalen Auflösung 128 mal 128 Pixeln anbieten dürfen. Das wäre ein Kleinformat mit geringer Bildqualität, das an die GIFs der frühen Internetkommunikation erinnern würde, und technisch ein deutlicher Rückschritt.
Noch ist aber nichts endgültig entschieden: Die EU-Mitgliedsstaaten haben Zeit bis Juni 2021, die Vorgaben der EU-Urheberrechtsreform in nationales Recht umzusetzen.
Können GIFs und Memes die Nachfrage nach Originalen steigern?
Auf der anderen Seite lässt sich die Meinung vertreten, GIFs oder Memes schadeten dem Originalwerk eigentlich nicht. Würde beispielsweise eine kurze Szene aus einem Spielfilm zu einem GIFs zusammengeschnitten, führte das nicht dazu, dass sich weniger Leute den Originalfilm ansehen.
Manche vertreten sogar die Auffassung, Meme und GIFs können die Nachfrage nach den Originalen in gewissen Fällen steigern: Die kurzen Ausschnitte seien vergleichbar mit Werbung, die Lust darauf machen würde, sich den ganzen Film anzusehen. Ähnlich wie Merchandise, also Werbeartikel wie zum Beispiel Plüschtiere von Filmfiguren, würden GIFs und Memes eher dazu dienen, einen Film zu begleiten, zu vermarkten und die Konsument*innen an ihn zu erinnern.
Mit dem Kauf von GIPHY könnte sich Facebook die Nachfrage nach frischen GIFs zunutze machen und zukünftig noch stärker mit der Filmbranche zusammenarbeiten, um GIFs aus aktuellen Filmen zu nutzen und dadurch die Filme zu bewerben. Das würde die Nachfrage nach den originalen Filmen nicht abschwächen, sondern sogar ankurbeln.
Urheberrecht: Was könnte einem passieren?
Solange man vorhandene GIFs und Memes etwa in Messengerdiensten eingebettet an andere Nutzer verschickt, wird es vermutlich keinerlei Probleme geben. Es ist zu erwarten, dass sich bei einer solchen Nutzung das Recht auf Privatkopie, also die sogenannte Privatkopieschranke anwenden ließe.
Schwieriger könnte es werden, wenn man GIFs, die urheberrechtlich geschützte Werke enthalten, für die man keine Rechte hat, öffentlich ins Netz stellt. Allerdings tolerieren es die Rechteinhaber*innen oft, wenn solche Inhalte in den sozialen Medien geteilt werden.
Normalerweise ist das Schlimmste, was einem passieren könnte, die Sperrung des hochgeladenen Inhalts. Theoretisch ist es zwar denkbar, dass man für ein Meme oder GIF abgemahnt wird, doch dieser Fall tritt selten ein.
Fazit
Spätestens mit dem Einzug der Messenger und Social Media-Plattformen gehören GIFs und Memes zur alltäglichen Kommunikation. Sie haben die wichtige Funktion, Stimmungen, Gefühle und Ironie zu transportieren, die sonst in schriftbasierten Chats auf der Strecke blieben.
Obwohl gerade Memes, die nicht aus GIF-Aggregatoren wie GIPHY stammen, urheberrechtlich oft in einer Grauzone sind, sind bei der privaten Kommunikation eher keine Probleme zu erwarten. In der Regel werden auch öffentlich geteilte Bilder von den Rechteinhaber*innen toleriert.
Etwas komplizierter ist es, wenn man selbst Inhalte auf GIPHY hochlädt: Denn GIPHY lebt, ähnlich wie Facebook und andere Internetplattformen, von der Nutzung und Verwertung von nutzergenerierten Inhalten. Das heißt, dass man sich als Nutzer*in auf die Geschäftsbedingungen von GIPHY einlassen und weitreichend Rechte abgeben muss. Gleichzeitig ergeben sich auch Pflichten für die Nutzer*innen, wie zum Beispiel die Einverständniserklärung, keine Urheberrechte an hochgeladenen Inhalten zu verletzen.
Die Übernahmen von GIPHY durch Facebook sowie die von Tenor durch Google vor zwei Jahren zeigen, dass Plattformen die bunten Bewegtbilder und die dahinter stehenden Internettrends ernst nehmen, ja sie sogar als mögliche Wertschöpfungsquelle betrachten: besonders wenn es an die Auswertung von digitalen, miteinander kombinierten Datensätzen der Nutzer*innen geht.
Was sagen Sie dazu?