Experten im Bundesrat fordern strengere Regelungen gegen Urheberrechtsverletzungen
Aktualisierung (10. März 2007): Der Bundesrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung den Empfehlungen der Fachaussschüsse angeschlossen. Link zur Pressemitteilung am Ende des Textes.
Die so genannte „Durchsetzungsrichtlinie“ der EU („Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums“) soll die Interessen der Rechtsinhaber an Werken, Patenten, Marken und anderen Immaterialgütern stärken. Damit die darin festgelegten Regelungen in Deutschland gelten, muss die Richtlinie allerdings erst in deutsches Recht umgesetzt werden. Dafür hat die Bundesregierungen einen Entwurf vorgelegt, den der Rechtsausschuss des Bundesrates für ungenügend hält. „Bei einigen Regelungen im Gesetzentwurf hat der Bundesrat aber die Besorgnis, dass das Ziel der Richtlinie nicht erreicht und der Schutz für die Rechteinhaber nicht verbessert wird“, heißt es in den Empfehlungen der Fachausschüsse. Am 9. März, in seiner nächsten Sitzung, wird der Bundesrat diesen Bericht seiner Experten vermutlich verabschieden.
Kein Richtervorbehalt bei Auskunftsansprüchen
Der Rechtsausschuss kritisiert zunächst, dass die neuen Auskunftsansprüche der Rechtsinhaber gegen Online-Provider nach dem Regierungsentwurf in vielen Fällen erst geltend gemacht werden können, wenn dem ein Richter zuvor zugestimmt hat.
Bei diesen Auskunftsansprüchen handelt es sich um den wohl umstrittensten Aspekt der Gesetzesnovelle. Sie sollen eingeführt werden, damit Film-, Musik- oder Software-Industrie zukünftig Tauschbörsennutzer ermittelt kann, ohne die Staatsanwaltschaft einschalten zu müssen. Nach geltendem Recht dürfen die Online-Provider nur die Strafverfolgungsbehörden darüber informieren, welchem Nutzer zu einer bestimmten Zeit eine IP-Adresse zugeteilt war. Diese Auskunft ist notwendig, damit Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen verfolgt werden können, weil sich die Nutzer anders nicht ermittelt lassen. Um sich den zeitaufwändigen Umweg über die Staatsanwaltschaft sparen zu können, verlangen die Rechteinhaber eigene Auskunftsansprüche.
Diesem Verlangen ist die Bundesregierung zwar nachgekommen, aber bevor die Nutzerdaten verlangt werden können, muss dem Regierungsentwurf zufolge ein Richter darüber entscheiden, ob der Anspruch besteht. Auf diese Weise soll dem Datenschutzinteresse der Internet-Nutzer Rechnung getragen werden.
Die Ausschüsse im Bundesrat halten das nicht für notwendig. Der Richtervorbehalt sei „dem deutschen Zivilprozess fremd, belastet die Gerichte in hohem Maße und bürdet den Verletzten erhebliche Kosten auf“, so die Stellungnahme.
Privatnutzer im Visier
Nach dem Regierungsentwurf sollen Auskunftsansprüche nur bestehen, wenn sie dazu dienen, gewerbliche Rechtsverletzungen zu verfolgen. Ob der Auskunftsanspruch tatsächlich derart beschränkt wird, geht aus de Gesetzesentwurf allerdings nicht hervor. Der Bundesrat kritisiert diese Unklarheit und will Tauschbörsenvergehen eindeutig einbezogen wissen. Da Tauschbörsennutzer in aller Regel nicht „im geschäftlichen Verkehr“, also in kommerziellem Interesse handeln, würde der Auskunftsanspruch gerade in seinem „Hauptanwendungsfall“ leer laufen und die Rechteinhaber dadurch schutzlos, moniert die Länderkammer.
Schadensersatz gleich doppelt
Ein weiterer Änderungsvorschlag betrifft den Schadensersatz. Anders als im US-amerikanischen Recht gibt es hierzulande keinen „Strafschadensersatz“. Fälle wie Millionenentschädigungen für Verbrennungen wegen eines umgeworfenen McDonalds-Kaffeebechers, auf dem nicht stand: „Vorsicht heiß!“, sind in Deutschland daher ausgeschlossen. Ersetzt wird stets nur der (finanzielle) Schaden, der wirklich entstanden ist.
Dies gilt auch für Urheberrechts- oder Markenrechtsverletzungen. Verkauft etwa jemand ohne Zustimmung des Markenrechtsinhabers T-Shirts mit einem geschützten Logo, kann der Rechteinhaber wählen, wie der Schaden berechnet wird. Eine Berechnungsmethode liegt darin, den Gewinn, den der Produktpirat gemacht hat, herauszuverlangen. Um diesen Gewinn zu errechnen, ist zu berücksichtigen, was der Rechteinhaber als „angemessene Vergütung“ hätte verlangen können, wenn er seine Zustimmung dazu erteilt hätte, seine Marke oder sein Werk zu nutzen.
Diesen Grundsatz sieht der Bundesrat wiederum als nicht ausreichend an, um die Interessen der Rechteinhaber zu schützen. Rechtsverletzungen seien hiernach „relativ risikolos“. Denn der Verletzer müsse nur bezahlen, was er bei ordnungsgemäßer Lizenzierung ohnehin hätte bezahlen müssen. Daher fordern die Ländervertreter, dass grundsätzlich eine „doppelte angemessene Vergütung“ bei der Berechnung des Schadensersatzes zugrunde gelegt wird. Dies solle nur in solchen Fällen nicht gelten, in denen der Verletzer nachweisen könne, dass ein Gewinn nicht entstanden oder niedriger ist.
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