EuGH: Plattformen haften nicht direkt für Urheberrechtsverletzungen

Foto: G. Fessy/ Gerichtshof der Europäischen Union
Wenn Nutzer*innen auf Plattformen wie Youtube oder Uploaded geschützte Inhalte widerrechtlich hochladen, dann haften dafür nach derzeitigem EU-Recht nicht die Betreiber. Vielmehr gelte für die Plattformen das Haftungsprivileg, das unter anderem in der sogenannten „E-Commerce“-Richtlinie der EU von 2000 festgelegt ist.
Dieser Auffassung ist der Rechtsgutachter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe. Darüber informiert eine Pressemitteilung. Mit zwei Schlussanträgen geht er auf Verfahren ein, in deren Mittelpunkt die Haftungsfrage stand, und die der Bundesgerichtshof (BGH) dem EuGH vorgelegt hatte.
Geltenden EU-Richtlinien zufolge, so Saugmandsgaard Øe, haften für Urheberrechtsverstöße zuerst diejenigen, die geschützte Inhalte ohne Berechtigungen der Urheber*innen oder Rechteinaber*innen hochladen. Die Plattformbetreiber sind jedoch verpflichtet, auf Hinweise und Eingaben bezüglich Urheberrechtsverletzungen zu reagieren und die rechtswidrig geladenen Inhalte zu entfernen („Notice and takedown“).
Zudem argumentiert der EuGH-Generalanwalt, dass Betreiber wie YouTube und Cyando in den vorgelegten Fällen grundsätzlich selbst keine „öffentliche Wiedergabe“ der hochgeladenen Werke vornähmen. Vielmehr würden sie in der Rolle eines Vermittlers die technischen Einrichtungen bereitstellen, die den Nutzern die „öffentliche Wiedergabe“ ermögliche. Das betreffende Prozedere sei automatisiert und die Plattformen träfen keine inhaltlich ausgerichtete Auswahl darüber, was zur öffentlichen Wiedergabe hochgeladen wird, sie spielten hierbei keine „aktive Rolle“. Deshalb hafteten in der Regel allein die Nutzer zuerst.
Bedeutung für die Umsetzung der EU-Urheberrechts-Richtline …
Es ist nicht gesagt, dass der EuGH in seinen Entscheidungen den Schlussanträgen eines Generalanwalts folgt – das passiert häufig, aber nicht immer.
So oder so kommt aber dem explizit adressierten Haftungsprivileg, der Rolle der Plattformen und dem bisherigen Verständnis des Rechts der öffentlichen Wiedergabe beziehungsweise der öffentlichen Zugänglichmachung große Bedeutung zu.
Denn diese Aspekte bilden den Kern der Mitte 2019 beschlossenen und von den Mitgliedsstaaten bis Juni 2021 in nationales Recht umzusetzenden EU-Richtlinie für den Digitalen Binnenmarkt (englisch: Digital Single Market, auch DSM-RL oder EU-Urheberrechts-Richtlinie bekannt.
… und für den vorliegenden Diskussions-Entwurf des BMJV
Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz und den Verbraucherschutz (BMJV) konstituiere die EU-Urheberrechts-Richtlinie in Artikel 17 ein „neuartiges Rechtsregime, das sich grundlegend von dem bisherigen Verständnis des Rechts der öffentlichen Wiedergabe beziehungsweise der öffentlichen Zugänglichmachung unterscheidet“, wie es in den Erläuterungen seines Diskussions-Entwurfs vom 24.6.2020 heißt.
Demnach stehe künftig nicht mehr – wie bisher – dem Urheber das ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe beziehungsweise der öffentlichen Zugänglichmachung zu. Vielmehr könnten auch Plattformen beziehungsweise Diensteanbieter hier tätig werden, würden dann aber als Akteure neuen Typs betrachtet werden, die dafür zu Erlaubnissen oder Lizenzen verpflichtet sind.
Diesen Erwägungen folgend legte das BMJV zugleich den Entwurf eines neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) vor. Darin finden sich sowohl verpflichtende Lizenzierungsregelungen für diese Plattformen neuartigen Typs als auch gesetzliche Erlaubnisse für Nutzer*innen.
Sie erlauben den Plattformen-Nutzer*innen genehmigungsfreie Uploads, wenn diese „kleine Teile von Werken oder Werke geringen Umfangs zu nicht kommerziellen Zwecken“ umfassen. Nur: Für solche „Bagatellnutzungen”, wie der Entwurf des BMJV sie vorsieht, existiert bislang keine Schranke im europäischen Urheberrecht. Nach dem Konzept des BMJV ist dies auch gar nicht nötig. Sollte nun der EuGH entscheiden, dass Plattformen nach der InfoSoc-Richtlinie nicht direkt haften, wäre der Ansatz des BMJV gestärkt.
Neben den Regelungen für die „Bagatellnutzungen“ sollen auch transformative Werknutzungen im Sinne des Pastiches möglich sein. Letztere sind aber – anders als die Bagetellnutzungen – im europäischen Schrankensystem und auch in Artikel 17 der DSM-RL vorgesehen.
Entscheidet also der EuGH im Sinne der Schlussanträge von Generalanwalt Saugmandsgaard Øe, könnte dies den Erwägungen des BMJV entgegenkommen, mit der Umsetzung der EU-Urheberrechts-Richtlinie den Weg zu einem Interessenausgleich zwischen Urheber*innen und Nutzer*innen zu ebnen.
1 Kommentar
1 Christian Netta-Fritz am 20. Juli, 2020 um 14:14
Werden die Plattform-Betreiber dazu verpflichtet die Namen der Nutzer an die Urheber, deren Rechte verletzt wurden, herauszugeben?
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