EU-Parlament: Bedenkpause für Upload-Filter und Presse-Leistungsschutz

Foto: "European Union 2013 - European Parliament", CC BY-NC-ND
Die Abgeordneten des EU-Parlaments sind mit der bisherigen Gestalt der europäischen Urheberrechtsreform nicht einverstanden. Mit einer Mehrheit von 318 zu 278 Stimmen stimmten sie auf ihrer heutigen Sitzung dagegen, ein Mandat für weitere Beratungen mit den Mitgliedstaaten zu erteilen, das auf den Entwürfen des Rechtsausschusses beruht.
Der Entwurf des Berichterstatters Axel Voss (CDU) zur geplanten Richtlinie, über die der Rechtsausschuss am 20. Juni abgestimmt hatte, sieht unter anderen ein EU-weites Leistungsschutzrecht für Presseverleger vor. Es soll kurze Ausschnitte von Nachrichtentexten bei Suchmaschinen und anderen Onlinediensten zahlungspflichtig machen. Nicht weniger umstritten sind die Regelungen für Plattformen, auf denen Nutzer Inhalte posten und teilen können. Sie sollen Lizenzen erwerben oder Urheberrechtsverletzungen vorab verhindern.
Eigentlich folgt das EU-Parlament den Empfehlungen des federführenden Ausschusses häufig. Allerdings gehen die Bruchlinien bei der Reform auch durch die Parteien und EU-Staaten. Zugleich hatte die öffentliche Debatte samt Lobbyschlacht im Vorfeld der Abstimmung breite Kreise gezogen. Befürworter und Kritiker hatten noch einmal sämtliche Kräfte mobilisiert. Zahlreiche Organisationen hatten Erklärungen veröffentlicht, unter anderem Verbände der Kulturwirtschaft, die parteinahen Digitalvereine, Netzaktivisten sowie Organisationen aus Internetbranche und Zivilgesellschaft.
Copyright pic.twitter.com/HOOmlZx3IB
— Petr Ježek (@JezekCZ) 5. Juli 2018
Erhitzte Debatte um „Mythen“ der Reform
Befürworter wie Kritiker warfen sich zuletzt gegenseitig Mythenbildung über die geplante Richtlinie vor. Berichterstatter Axel Voss (CDU) sprach von einer „Fake-News-Kampagne“, die von „den großen Plattformen“ geführt werde. Im Parlament wiederholte er heute seinen Vorwurf. „Das alles beruht auf Lügen“, so Voss.
Tatsächlich sieht die Richtlinie auch keine unmittelbare Pflicht für Plattformen vor, Filtersysteme gegen Urheberrechtsverletzungen zu installieren. Mittelbar ist sie jedoch darin angelegt. Der Entwurf setzt darauf, den Druck auf Plattformen für nutzergenerierte Inhalte zu erhöhen, um diese zum Abschluss von Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern zu drängen.
Gibt es keine solchen Vereinbarungen, wären sie in der Pflicht, unbefugte Uploads mit technischen Mitteln zu verhindern, um einer verschärften Haftung zu entgehen. Die Reform könnte somit zu mehr Lizenzverträgen, aber auch zu einem breitflächigen Einsatz von Filtersystemen führen.
Zensur durch Filter?
Auch eine Zensur im strengen Sinn ist mit der Richtlinie nicht geplant. Es ist aber bekannt, dass von Filtersystemen wie Youtubes Content-ID schon bislang auch legitime Meinungsäußerungen und Inhalte vorab gesperrt werden. Algorithmische Systeme, die urheberrechtliche Abwägungen treffen können, sind dagegen nicht bekannt.
Zwar können die Filter Ähnlichkeiten mit geschütztem Material und offenkundig unautorisierte Kopien identifizieren. Allerdings landen immer wieder auch solche Inhalte im Beifang, die fremdes Material auf zulässige Weise verwenden. Nutzer und Kreativschaffende, deren Werke vom Zitatrecht, der freien Benutzung oder anderen Befugnissen Gebrauch machen, müssten sich bei den Plattformen beschweren, um ihre Werke wieder freischalten zu lassen. Befürworter der Pläne argumentieren, die Befürchtungen vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit seien unbegründet, da in der Richtlinie Beschwerdemechanismen vorgesehen sind.
Dennoch laufen die Entwürfe darauf hinaus, der Abwägung der Interessen im Urheberrecht ein technisches System vorzuschalten, in dem die alleinige Kontrolle von Rechteinhabern über kulturelle Inhalte die Standardeinstellung ist. Der UN-Sonderberichterstatter zur Meinungsfreiheit David Kaye befürchtet, dass auch der Beschwerdeweg erschwert sein könnte, wenn die Plattformen sich bei gesperrten Inhalten nicht auf gesetzliche Vorgaben, sondern ihre Nutzungsbedingungen berufen.
Ringen um die Reform geht weiter
Mit dem heutigen Votum des EU-Parlaments sind noch keine Änderungen an der geplanten Gestalt der Richtlinie verbunden. Die Parlamentarier können entsprechende Anträge nun jedoch einbringen, bevor sie ein Mandat zur weiteren Beratung mit den EU-Institutionen erteilen. Wie das EU-Parlament mitteilte, soll nach der Sommerpause im September dazu beraten und abgestimmt werden.
Wie das Ringen um die EU-Urheberrechtsreform ausgeht, ist somit wieder ein Stück weit offen. Sollte das Europäische Parlament noch für weitreichende Änderungen stimmen, müsste es sich gleichwohl mit den Vertretern der EU-Staaten und der Kommission auf einen Kompromiss einigen. Beide haben ihre Haltung bereits festgelegt.
Ein möglicher Kompromiss könnte etwa darin bestehen, besonders umstrittene Regelungen zu Upload-Filtern oder dem Presse-Leistungsschutzrecht als Kann- statt als Muss-Bestimmung für die EU-Staaten einzuführen. Ähnliche Vorschläge hatten Vertreter Bulgariens und der Niederlande bereits in den Verhandlungen eingebracht.
Würden sich die EU-Institutionen auf einen solchen Kompromiss einigen, wäre die Urheberrechtsreform zwar als politische Initiative gerettet. Mit einem digitalen Binnenmarkt durch einheitliche Regeln, wie ihn die EU-Kommission sich eigentlich erhofft hatte, hätte das Ergebnis aber nur noch wenig zu tun.
Was sagen Sie dazu?