EU-Parlament fordert Gesetz für Online-Musik
Das Europäische Parlament äußert diese Kritik in einem Bericht des Rechtsausschusses, der die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und Leistungsschutzrechten für Musik untersucht hatte. In dem Bericht sprechen sich die Rechtspolitiker gegen das Vorgehen der EU-Kommission aus, die im Mai 2005 empfohlen hatte, die nationalen Monopole der Musik-Verwertungsgesellschaften aufzubrechen.
Kommission: „One-Stop-Shops“ schaffen
Die EU-Kommission hatte in einer Empfehlung vorgeschlagen, dass verschiedene Verwertungsgesellschaften so genannte „One-Stop-Shops“ einrichten sollten, um Rechte für den grenzüberschreitenden Online-Vertrieb zu lizenzieren. Kommerzielle Online-Angebote könnten dann bei einem Anbieter alle notwendigen Lizenzen für ein europaweites Angebot erhalten, so dass nicht aufwändig mit vielen einzelnen Verwertungsgesellschaften verhandelt werden müsste.
Dieses Instrument der Empfehlung ist nicht rechtsverbindlich, aber die Kommission hält es für ausreichend. Wie die „One-Stop-Shops“ aussehen sollen, soll den jeweiligen Verwertungsgesellschaften überlassen werden, wobei die EU-Mitgliedstaaten sie unterstützen sollten. Eine ganze Reihe von Verwertungsgesellschaften hat bereits damit begonnen, die Empfehlung in die Tat umzusetzen. So bietet Celas, eine Kooperation der deutschen GEMA mit der britischen MCPS/PRS Alliance, seit Anfang des Jahres europaweite Lizenzen für den anglo-amerikanischen Katalog von EMI an.
Rechtsausschuss: Vielfalt schützen
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments kritisiert nun in seinem Report das Vorgehen der EU-Kommission mit harschen Worten: „Die urknallartige Einführung des Wettbewerbs auf dem Gebiet der kollektiven Rechtewahrnehmung sollte vermieden werden, da ansonsten das Risiko besteht, dass die kulturelle Vielfalt in Europa irreparabel geschädigt wird.“ Würde der Markt ohne ausreichende Vorkehrungen plötzlich geöffnet, drohe „eine Konzentration in den Händen weniger großer Rechteinhaber“, führt die Berichterstatterin für das EU-Parlament, Katalin Levai von den ungarischen Sozialisten, weiter aus. Auf der Strecke bleiben würden die regionalen und spezialisierten Angebote, die typisch für die europäische Kultur seien.
Aus diesen Gründen fordern die Parlamentarier die Kommission auf, für einen „kontrollierten Wettbewerb zu sorgen“. Dazu erklärte Willem Wanrooij, Sprecher der niederländischen Verwertungsgesellschaft Buma/Stemra, gegenüber dem EUobserver: „Damit wäre der Vielfalt der europäischen Kultur sehr gedient. Es ist diese Vielfalt, die die europäische Kultur so interessant macht. Wir müssen auf die Vielfalt setzen, wenn wir im Wettbewerb mit den USA und Japan bestehen wollen.“ Der Vorsitzende der Buma/Stemra, Cees Vervoord, unterstützte Levai ebenfalls und betonte, dass „Musikprodukte nicht mit Kühlschränken oder Autos vergleichbar sind“.
Hektischer Lobbyismus im Vorfeld
Am 13. März hat das EU-Parlament über den Levai-Bericht abgestimmt und ihn mit großer Mehrheit angenommen. Die EU-Kommission wurde aufgefordert, eine verbindliche Rechtsgrundlage für den Online-Vertrieb von Musik zu schaffen. Der Fertigstellung und Verabschiedung des Berichts des Rechtsausschusses, der von Katalin Levai erarbeitet worden war, waren hektische Lobby-Aktivitäten vorausgegangen. Noch am 8. März hatte der internationale Verband der Musikverlage (ICMP/CIEM) den EU-Parlamentariern eine Petition zukommen lassen, in der mehr als 350 Songschreiber und Komponisten ihre Ablehnung des Levai-Berichts zum Ausdruck gebracht hatten.
Nach Bekanntwerden der Petition hatten einzelne Unterzeichner ihre Unterstützung widerrufen oder sogar erklärt, dass ihre Namen missbraucht worden wären. So hat der französische Sänger und Komponist Dominique Pankratoff schriftlich abgestritten, seinen Namen unter die Petition gesetzt zu haben. Der Manager des britischen Folkmusikers Billy Bragg hatte erklärt, der Musiker hätte seine Zustimmung unbewusst erteilt. Die ICMP/CIEM zog die Petition schließlich zurück und entschuldigte sich für ihren Fehler.
EU-Kommission weiter skeptisch
Am Vorabend der Verabschiedung des Levai-Berichts hatte der EU-Kommissar für Arbeit, Soziales und Chancengleichheit, VladimÃr Å pidla, vor dem EU-Parlament seine Skepsis gegenüber einer gesetzlichen Regelung zum Ausdruck gebracht: „Die Kommission weist darauf hin, dass der Online-Markt gerade erst im Entstehen begriffen ist. Wir müssen sehr vorsichtig sein, seine Potenziale nicht durch zu unflexible Regelungen zu beschränken.“
Die EU-Parlamentarier beließen es am Dienstag nicht bei der Kritik an der Kommission. Sie forderten darüber hinaus eine Modernisierung der nationalen Verwertungsgesellschaften. Diese müssten in Zukunft „im Interesse der Autoren“ demokratischer und transparenter arbeiten.
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