EU-Kommission tastet sich zum Leistungsschutzrecht
Für dieses Jahr hat die EU-Kommission Reformen am Urheberrecht angekündigt. Dabei machte sie im Frühjahr auch Überlegungen öffentlich, ein Leistungsschutzrecht für Verleger einzuführen. Während dessen mögliche Gestalt noch unklar bleibt, würde es sich um ein verwandtes Schutzrecht handeln, auch als „neighbouring right“ bekannt. Solche Rechte bestehen in einigen Bereichen neben den eigentlichen Urheberrechten. Während einige Zeitungs- und Zeitschriftenverbände ein solches fordern, sehen es Buchverlage und ihre Verbände eher kritisch.
Einige Verlage und Verlegerverbände üben schon seit längerem Druck auf die deutsche und die europäische Politik aus. Ihrer Ansicht nach machten es dramatisch gesunkene Erträge und die proklamierte Übermacht von Internet-Unternehmen wie Google erforderlich, ihnen ein neues Schutzrecht zu verleihen. Zwei europäische Länder haben bereits nationale Regelungen eingeführt: Ende 2013 trat in Deutschland ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Kraft, seit Januar 2015 gilt eine ähnliche Regelung in Spanien.
Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Das im August 2013 in Kraft getretene Presse-Leistungsschutzrecht gibt Verlagen das „ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen“. Es zielt auf kurze Text-Anreißer (Snippets) in Suchmaschinen wie Google und bei Aggregator-Diensten, die „Inhalte entsprechend aufbereiten“. Umstritten ist unter anderem, wer wann dafür zahlen muss und wer als „Presseverleger“ gilt.
Eine weitere Entwicklung sind die Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs gegen die pauschale Beteiligung von Verlagen an Kopiervergütungen. So schickten Justizminister Heiko Maas und Kulturstaatsministerin Monika Grütters im April einen Entwurfstext zur Neuregelung am EU-Urheberrecht an EU-Kommissar Günther Oettinger. Dieser Textbaustein soll die Verlagsbeteiligung wieder legalisieren, allerdings ohne ein eigenes Leistungsschutzrecht.
Die EU-Kommission startete auch eine öffentliche Konsultation und befragte Bürger, Verbände und Organisationen über die Regelungen zur Panoramafreiheit und zur „Rolle der Verleger in der urheberrechtlichen Wertschöpfungskette“. Die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht, dafür aber bereits einige Stellungnahmen und Positionen.
Leistungsschutzrecht: Was ist das eigentlich? Und wem nützt's?
Wenn es ums Urheberrecht geht, sind meist die Rechte von Autor*innen an ihrem Werk gemeint. Doch das ist nicht alles: Leistungsschutzrechte schützen die Darbietung und Aufführung eines Werks sowie die wirtschaftlich-technischen Aufwände von Medienunternehmen. Was heißt das im Einzelnen? » mehr
Stellungnahmen und Positionen
Auf einer eigens eingerichteten Website sprechen sich vier europäische Zeitschriften- und Zeitungsverlegerverbände gemeinsam für ein EU-weites Leistungsschutzrecht aus. Presseverlage erbrächten für digitale Plattformen umfangreiche Leistungen. Ihre Leistung sei vergleichbar mit Musik-, Film- und Fernsehproduzenten. Dabei solle das Recht die Vervielfältigung, Veröffentlichung und den Vertrieb von Publikationen umfassen.
Auch die von Zeitungsverlagen dominierte Verwertungsgesellschaft VG Media argumentiert in ihrer Stellungnahme zur EU-Konsultation hauptsächlich damit, dass Verleger Leistungen wie andere Medienproduzenten erbringen würden. Zudem hätten Presseverlage nicht mehr wie bei gedruckten Zeitungen „die gesamte Kontrolle über die Wertschöpfungskette ihrer Produkte inne“. Außerdem soll die EU zusätzlich eine sogenannte „Außenseiterregelung“ einführen, die es den Verwertungsgesellschaften ermöglichen soll, „über ein Gesamtrepertoire zu verhandeln, auch wenn nicht sämtliche Rechteinhaber ihre Rechte ausdrücklich in die Verwertungsgesellschaft eingebracht haben.“
Die European Copyright Society (ECS), ein Zusammenschluss renommierter Urheberrechtsprofessoren, kritisiert zunächst, dass die EU-Kommission offen gelassen habe, um was für ein EU-Leistungsschutzrecht für Verleger es gehe. Zentraler Kritikpunkt der ECS ist, dass die Leistung von Verlegern eben nicht mit anderen Bereichen vergleichbar sei, etwa Musikproduzenten, die ähnliche Rechte besitzen. Es sei daher nicht zu rechtfertigen, vorhandene Schutzrechte auf Verleger auszudehnen. Die verlegerische Leistung fließe zum großen Teil „in die Aggregation der Inhalte, in Branding und Marketing – doch für solche Aktivitäten gab es noch nie Leistungsschutzrechte, und das sollte auch so bleiben“. Ein zusätzliches eigenes Leistungsschutzrecht werde zudem die Rechte der eigentlichen Urheber überlagern und ihnen schaden.
Auch die deutsche Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) kritisiert in ihrer ausführlichen Bewertung, dass es für ein Verlegerschutzrecht keine Rechtfertigung gebe. Die einzig denkbaren Varianten wie etwa ein Layout-Schutzrecht würden den Verlegern kaum etwas nützen und wären daher überflüssig. Alle darüber hinaus gehenden Rechte würden massiven Schaden anrichten. (Die Initiative wurde von Till Kreutzer gegründet, der auch zu den Herausgebern von iRights.info gehört).
In einem Blogbeitrag auf der Webseite des internationalen Fachverlags Wolters Kluwer betrachtet der Rechtswissenschaftler Remy Chavannes ein Leistungsschutzrecht als „falsche Lösung für ein ernstes Problem“. [Update, 25.6.2016: In einer früheren Version dieses Artikels wiesen wir den Beitrag irrtümlich als Aussage von Wolters Kluwer aus] Da Verlage dann Rechte auch an kurzen Texten oder Werkbestandteilen geltend machen könnten, werde das erhebliche Unsicherheit, Kosten und Risiken mit sich bringen, nicht nur für Autoren und Verleger, sondern auch für Plattformbetreiber, Intermediäre und andere Dienstleister.
Für den IT-Branchenverband Bitkom überträgt ein europäisches Leistungsschutzrecht viele Probleme auf die EU, die die deutsche Regelung bislang gebracht habe. Neben vielen Rechtsstreitigkeiten und Rechtsunsicherheiten habe das deutsche Leistungsschutzrecht auch dazu geführt, „dass den Nutzern von Suchmaschinen die Suchergebnisse nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung gestellt werden“, was wiederum die Meinungs- und Informationsvielfalt beeinträchtigt habe.
Für den Börsenverein des deutschen Buchhandels legte dessen Justiziar Christian Sprang dar, dass ein Leistungsschutzrecht für Verlage in mehrerer Hinsicht problematisch sei. So würden alle Lösungen für ein Verlegerrecht, die allein bei Investitionen von Verlagen ansetzen, „notwendigerweise in teilweise erhebliche Widersprüche zur geltenden urheberrechtlichen Rechtslage führen, etwa bei Investitionen in gemeinfreie oder aus sonstigen Gründen nicht schutzfähige Werke.“
Für das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft formulierte dessen Sprecher Rainer Kuhlen ein Posititionspapier, das ein europäisches Leistungsschutzrecht strikt ablehnt. So seien die „Nachteile für die Öffentlichkeit und in längerer Sicht für die Verlage selber weitaus größer sind als die vermeintlichen kurzfristigen Vorteile“, sofern es sie überhaupt gebe.
Aus Sicht der Europa-Abgeordneten Julia Reda (Piratenfraktion) wäre ein verwandtes Schutzrecht für Verleger „eine mächtige Waffe“, mit dem diese zum mehr Kontrolle darüber ausüben könnten, wie Inhalte im Web geteilt werden. Daher sei es auch aus Sicher der Nutzerinnen und Nutzer abzulehnen.
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