Etikettenschwindel: Wie publikationsfreiheit.de seine Unterstützer hinters Licht führt

Screenshot: publikationsfreiheit.de
Die Verleger Matthias Ulmer (Verlag Eugen Ulmer) und Albrecht Hauff (Thieme-Gruppe) haben mit maßgeblicher Unterstützung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels Anfang Februar die Website publikationsfreiheit.de eingerichtet. „Die Bildungsrepublik braucht freie Autorinnen und Autoren und eine vielfältige Verlagslandschaft mehr denn je“, heißt es dort.
Anlass für den Appell ist das Vorhaben aus der Bundesregierung, das Wissenschaftsurheberrecht zu reformieren. Das Justiz- und Verbraucherschutzministerium hat dazu einen Referentenentwurf vorgelegt. Im Aufruf auf publikationsfreiheit.de wird nun unter anderem behauptet, dass durch diesen Entwurf und andere Initiativen der Bundesregierung eine gravierende und umfassende Einschränkung der Rechte von Autorinnen und Autoren geplant sei. Ihre Rechte würden „hemmungslos geschwächt“.
Weiter heißt es in dem Appell, das Bildungsministerium wolle es Wissenschaftlern aufzwingen, „wie und wo sie ihre Erkenntnisse künftig veröffentlichen müssen.“ Das habe für sie den „unmittelbaren Verlust eines ihrer Grundrechte zur Folge“. Verlagspublikationen für Unterricht und Wissenschaft könnten lizenz- und zum Teil auch vergütungsfrei von Hochschulen, Bibliotheken und anderen Bildungseinrichtungen genutzt werden.
Allerdings: Das entspricht ganz und gar nicht dem Inhalt der von den Verlegern zitierten Papiere. Und der Appell vermischt zwei ganz unterschiedliche Themen in unzulässiger Weise: Das erste Thema lautet Urheberrechtsreform und das zweite Open Access, der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen.
Falsche Behauptungen zum Urheberrechts-Entwurf
im Vergleich zur aktuellen Rechtslage werden die Rechte von Autorinnen und Autoren durch den Gesetzesentwurf zum Wissenschaftsurheberrecht nicht zusätzlich eingeschränkt. Auch nach dem Entwurf können, dürfen und sollen Autorinnen und Autoren veröffentlichen, wo sie wollen.
Auch die Behauptung, dass Bildungsmedien für Schulen und Hochschulen „uneingeschränkt analog oder digital vervielfältigt werden können“, ist falsch. Der Referentenentwurf beschränkt die Nutzung in den verschiedenen Regelungsgebieten explizit auf einen genau festgelegten Umfang.
Eine Verschlechterung der zentralen Rahmenbedingungen wissenschaftlicher und ausbildungsbezogener publizistischer Arbeit und ein Schaden für das Bildungswesen sind durch die Reformvorschläge gerade nicht zu erwarten. Diese werden vielmehr einen besseren Zugang zu wissenschaftlichen Informationen ermöglichen und damit zur Verbesserung des Bildungswesens beitragen. Nicht zuletzt zieht auch jede Autorin und jeder Autor Nutzen aus dem erleichterten Zugang zu dem publizierten Wissen anderer Autorinnen und Autoren.
Rätselhafte Aussagen zur Open-Access-Strategie
Auch die Open-Access-Strategie des Bildungs- und Forschungsministeriums schränkt die Publikationsfreiheit nicht ein. Wie Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Texte zu Autoren „zweiter Klasse“ degradiert werden sollen und sie darüber hinaus ihre Grundrechte verlieren würden, bleibt einzig und allein das Geheimnis der beiden Verleger.
Unterstützung erhalten die beiden Verleger von dem Konstanzer Bibliothekar Uwe Jochum. In einem Blogbeitrag mit dem Titel „Donald Trump und der bibliothekarisch-bürokratische Allianzkomplex“ diskreditiert er in abenteuerlicher Weise die Bemühungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen besser zugänglich zu machen. Die Öffnung der Bildung für alle gesellschaftlichen Schichten bezeichnet er als „volkspädagogischen Umbau von Wissenschaft“. Was soll man dazu noch sagen?
Es bleibt zu hoffen, dass der freie Zugang zu Informationen hilft, diese allzu durchsichtige Strategie zu entlarven. Verlage werden auch zukünftig beim wissenschaftlichen Informationsaustausch benötigt. Allerdings dürfen sie sich nicht neuen Informationstechniken verschließen und darauf vertrauen, dass sie mit veralteten Geschäftsmodellen auf Dauer überleben können.
Zu unterstützen sind vielmehr die Bemühungen des Justizministeriums, eine den Interessen von Nutzern, Verwertern und Urhebern dienende Reform des Urheberrechts auf den Weg zu bringen. Mit dem Entwurf für ein Urheberrecht in der Wissensgesellschaft wird ein längst überfälliger Schritt in diese Richtung unternommen.
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