Enjott Schneider: „Das Urheberrecht war einst Garant für freie Meinung und Persönlichkeitsschutz.”
iRights.info: Welche Änderungen des Urheberrechts sind aus Ihrer Sicht als GEMA-Aufsichtsratsvorsitzender die dringlichsten?

Enjott Schneider ist Aufsichts-ratsvorsitzender der GEMA und seit 2013 Präsident des Deutschen Komponisten-verbandes. Als Komponist schrieb über 600 Filmmusiken und erhielt zahlreiche Preise, darunter den Emmy und den Deutschen Fernsehpreis.
Enjott Schneider: Das Urheberrecht als Schutz des geistigen Eigentums muss in seiner generellen Formulierung nicht reformiert werden. Sonst ist zu befürchten, dass kostenlose Nutzungen im digitalen Umfeld weiter liberalisiert werden. Das könnte dazu führen, dass die Vergütung der Urheber weiter sinkt, obwohl sie dem Gesetz nach angemessen sein soll.
Wir benötigen aber in den Ausführungsbestimmungen – ein Dritter Korb hätte hier längst regulieren können – Klarheit und Leitplanken wie zum Beispiel eine Unterscheidung von kommerzieller Nutzung und nichtkommerzieller beziehungsweise privater Nutzung. So könnten sich Abmahnanwälte dann nicht mehr satt verdienen. Zudem ist eine Haftung für die einschlägigen Datenkonzerne erforderlich, die mit den Rechten Dritter – die nicht vergütet werden – massive Werbeeinnahmen erzielen.
Nicht zuletzt brauchen wir staatliche Aufklärung, von der Grundschule bis zur Universität, über die Spielregeln einer Gesellschaft, die maßgeblich von Ideenreichtum und nicht-physischer Wertschöpfung geprägt ist. Im Einzelnen würde ich mich über einige Lockerungen im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz freuen. Es legt in Deutschland den Verwertungsgesellschaften „harte Bandagen“ an, die im europäischen Kontext deutlich zu Wettbewerbsnachteilen führen.
iRights.info: Worin sehen Sie aus der Perspektive des Komponisten und Musikers die größte Herausforderung hinsichtlich Ihrer Urheberrechte?
Enjott Schneider: Das hemmungslose Aneignen von fremdem Eigentum ist – noch – Wildwest pur. Statt „Schwarzfahren“ brauchen wir in unserem digitalen Verkehrsnetz die Freiwilligkeit des Bezahlens von Fahrscheinen, egal ob Einzelfahrkarte oder Abo, wie es ja im Nahverkehrsnetz jeder Metropole funktioniert.
Vor allem aber: Mich beunruhigt der aggressive Machtzuwachs von Datenkonzernen und Majors, wie Google, Apple, Amazon, die zunehmend nicht nur Ästhetik, Verhalten, Lifestyle, sondern auch den Zugang zu Wissen und Information kanalisieren. Individualität, Freiheit und kulturelle Vielfalt gehen in dieser Monokultur von Massenware verloren: täglich sterben durch industrialisierte Weltbegradigung nicht nur die vielfältigsten Tierarten aus, sondern auch jene menschlichen Spezies, die sich noch durch Eigenart, Gestaltungsfreiraum und Individualität definieren können. Das Urheberrecht war einst Garant für freie Meinung und Persönlichkeitsschutz.
iRights.info: Was halten Sie von Bestrebungen, für die Musikbranche alternative Verwertungsgesellschaften zu etablieren, wie es die C3S tut?
Enjott Schneider: Heutzutage gibt es vielfältige Musiknutzungen, vom internationalen Download über Streaming, Hörfunk und Fernsehen, wo täglich auf 60 Kanälen rund um die Uhr abzurechnende Musik läuft, bis hin zur Livemusik. Um dies alles als Verwertungsgesellschaft registrieren und vergüten zu können, braucht es unglaubliche Datenbanken und IT-Technologie, und das erfordert Investitionen im mindestens zweistelligen Millionenbereich. So etwas zu stemmen, traue ich momentan beispielsweise der C3S mit ihrem Geschäftsmodell auf Spendenbasis kaum zu. Es sind tolle Träume, die von der Realität eines Besseren belehrt werden: selbst etablierten Verwertungsgesellschaften kleinerer oder südeuropäischer Länder haben gerade größte Mühe, dem fluiden und nichtphysischen Musikmarkt noch Herr zu werden.
Statt Zersplitterung sind vielmehr joint ventures angesagt, wie sie beispielsweise die GEMA mit PRS England und STIM Schweden vorbereitet – nicht zuletzt, um der bereits zitierten Übermacht der Datenkonzerne mit einer autorenfreundlichen Wahrung von Kultur kontern zu können. Im Haifischbecken des Neo-Kapitalismus überleben leider nur die großen Fische.
*In eigener Sache: Am 6. September veranstaltet die Initiative Urheberrecht zusammen mit dem iRights Lab den Urheberkongress 2013. In dieser Reihe befragt iRights.info Referentinnen und Referenten des Kongresses zur Zukunft des Urheberrechts.
3 Kommentare
1 Stefan am 3. September, 2013 um 17:37
Man könnte hier an vielen Stellen widersprechen, ich möchte mich allerdings auf eine beschränken:
Die C3S hat keineswegs ein “Geschäftsmodell auf Spendenbasis”, diese Aussage ist grundlegend falsch. Korrekt ist: die C3S finanziert die Kosten für ihre Gründung durch Crowdfunding.
Die GEMA fällt in letzter Zeit leider immer wieder damit auf, inkorrekte Aussagen zur C3S zu machen. Wer inhaltlich richtige Informationen haben möchte, informiert sich bei der C3S selbst:
http://c3s.cc/#home
Aufklärung kann auch ein anderer Artikel hier auf irights bringen:
https://irights.info/2013/08/14/creative-commons-und-c3s-die-widerspruche-der-gema/16695
2 Sven am 3. September, 2013 um 17:39
“Geschäftsmodell auf Spendenbasis”??? Seit wann ist das Zeichnen eines Genossenschaftsanteils eine “Spende”? Und was ist dann ein Mitgliedsbeitrag für einen Verein? m(
3 Sven am 3. September, 2013 um 17:44
Überhaupt, Genossenschaften. Gibts ja erst seit dem 18. Jahrhundert. Wenn man die Vorläufer aus dem Mittelalter mal beiseite lässt. Diese verrückten Modelle immer. Wird sich nie durchsetzen, dieser neumodische Kram.
Was sagen Sie dazu?