Eine EU-weite Regelung für das Leistungsschutzrecht wäre am besten
Ein Debattenbeitrag im Rahmen der Sendereihe „U-Ton. Urheberrecht im Digitalen Zeitalter“.
Google geriert sich als Schutzengel des Internets, der über die Freiheit im Netz wacht. Der mächtige Weltkonzern nutzt seine Macht, um zum Widerstand aufzurufen: „Verteidige dein Netz“, lautet der Appell an die Nutzer. Verteidige unsere Geschäftsinteressen, wäre der ehrlichere Aufruf, denn genau darum geht es. Suchmaschinen wie Google und Co. haben ein Modell entwickelt, das darauf abzielt, die Leistungen anderer aufzubereiten und für ihre eigenen Zwecke zu benutzen. Zahlen wollen sie dafür nichts, profitieren schon.
Journalisten, Schriftsteller und andere Kulturschaffende verlangen zu Recht einen Obolus für etwas, was es ohne ihre Anstrengung nicht gäbe. Es geht ihnen aber genauso um das Recht, darüber bestimmen zu können, was mit ihren Inhalten oder Werken geschieht. Es geht um den Kontext, in dem Texte oder andere schöpferische Werke veröffentlicht werden.
Geistiges Eigentum ist schwerer zu schützen als materielles. In einem Rechtsstaat muss der Schutz allen legitimen Ansprüchen gelten. Das Recht darf vor transnationalen Konzernen nicht haltmachen. Nicht alles, was möglich ist, ist auch erlaubt. Das gilt für Konzerne gleichermaßen wie für die Produzenten einer privaten Homepage.
Aggregatoren bedienen sich kostenlos
Es geht nicht darum, einen Schuldigen für die viel zitierte Zeitungskrise zu finden, wie Google behauptet. Die Entwicklung des Internets und der verschiedenen Kommunikationsformen hat zu einer Aushöhlung des Urheberrechtes geführt. Die Gesetzgebung hinkt hinterher. Dass sich Politiker, Verleger und Kulturschaffende endlich mit dem Thema beschäftigen, ist höchste Zeit.
Warum die Debatte in Europa eine größere Rolle spielt als etwa in den USA, erklären Zahlen des neuesten „Digital News Reports“ des Reuters Institutes, die Anfang September in Oxford präsentiert wurden. In Deutschland und Spanien nutzen 40 Prozent der Befragten regelmäßig Suchmaschinen, um Nachrichten im Netz aufzufinden. In Frankreich sind es 45, in Italien sogar 49 Prozent. Zum Vergleich: In den USA spielen diese sogenannten Aggregatoren mit einem Wert von 33 Prozent eine deutlich geringere Rolle.
Die allermeisten Aggregatoren zahlen den Urhebern und ihren Verlagen heute kein Geld, sondern bedienen sich kostenlos auf deren Webseiten. Manche Aggregatoren liefern den Verlagen Besucher, weil man sich von ihnen auf die Originalseiten durchklicken kann. Andere versuchen, das Publikum bei sich zu behalten, andere verkaufen die kopierten Artikel sogar weiter an Kunden in der Wirtschaft, denen das Durchsuchen des Webs nach Beiträgen über ihre Firma oder Branche zu mühsam wäre.
Eine EU-weite Regelung ist nötig
Google reagiert auf Druck, wie Beispiele in Belgien und Frankreich zeigen, wo Vereinbarungen mit Verlegern getroffen wurden. In Deutschland ist eine Einigung zwischen Youtube und der Verwertungsgesellschaft GEMA in Sicht. In Österreich wird im Justizministerium – nach deutschem Vorbild – an einem Leistungsschutzrecht gebastelt. Vor der Wahl ist es zu keiner Einigung gekommen.
Bis das Thema aufs Tapet kommt, wird es auch nach dem Urnengang dauern, da es anders als in Deutschland keine besondere Priorität hat. Selbst der Verband der Österreichischen Zeitungsverleger (VÖZ) ist mit deutlich weniger Vehemenz als die deutschen Kollegen am Werk. Am meisten Druck machen noch Schriftsteller und Künstler selbst mit ihrer Initiative „Kunst hat Recht“. Aber wie bei anderen Anliegen auch, finden ihre Stimmen wenig Gehör aufseiten der Politiker. Am besten wäre es, zumindest eine einheitliche EU-weite Regelung zu finden, denn dieses Problem betrifft alle Staaten. Aber auf dieser Ebene wird zwar diskutiert, mit einer raschen Entscheidung ist indes nicht zu rechnen.
Es geht um Fairness für alle Beteiligten. Die Informationsfreiheit im Netz wird nicht eingeschränkt, wenn Google für die Nutzung von Inhalten oder Werken etwas zahlt und wenn die Urheber wissen, was mit ihren Texten eigentlich geschieht. Über die Form der finanziellen Abgeltung kann man streiten. Aber über das Grundrecht, dass geistige Arbeit auch finanziell etwas wert ist und dies auch im Netz gelten muss, nicht.
Dr. Alexandra Föderl-Schmid ist Mitherausgeberin und Chefredakteurin der Tageszeitung „Der Standard“.
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