Ein Viertel der Welt unter Beobachtung
Jedes Jahr teilt das Büro des United States Trade Representative (USTR), des Beauftragten für Außenhandel der USA, der Welt mit, welche Länder die Urheberrechte ausreichend schützen und welche nicht. Zu diesem Zweck stellt der USTR Ranglisten auf: Länder können als „Priority countries“ eingestuft sein, was Strafmaßnahmen nach sich ziehen kann, oder sie können unter Beobachtung gestellt werden, je nach Dringlichkeit auf einer „Priority watch list“ oder einer „Watch list“.
Die Gründe, weshalb ein Land auf einer der Listen landet, sind unterschiedlich: Entweder hinkt ein Land bei der Umsetzung internationaler Abkommen zum geistigen Eigentum (vor allem des TRIPS-Abkommens) in das nationale Recht hinterher oder es geht unzureichend gegen die Piraterie urheberrechtlich geschützten Materials vor. Der Prozess stützt sich auf Paragraph 301 des US-Handelsgesetzes und kann zu bilateralen Handelssanktionen führen. Um mögliche Hürden für den US-Außenhandel zu beseitigen, greifen die USA verstärkt auf die Konfliktbehebungs- und Sanktionierungsmöglichkeiten der Welthandelsorganisation zurück, sofern der Widersacher Mitglied der WTO ist.
Auch die Europäische Gemeinschaft befindet sich seit einiger Zeit auf der Beobachtungsliste der US-Handelsorganisation – im letzten Jahr sogar auf der „Priority Watch List“ –, und zwar nicht wegen Urheberrechtsproblemen, sondern weil es Meinungsverschiedenheiten über einige EU-Richtlinien zu Agrarprodukten gab. In diesem Jahr wurde die EU auf die gewöhnliche „Watch list“ heruntergestuft: Die Schiedsstelle der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organisation) entschied zu Gunsten der USA, die nun die Änderung der umstrittenen Regelungen erwartet.
Wie schon im letzten Jahr ist die Ukraine „Priority country“. Sowohl die gesetzlichen Regelungen als auch der Kampf gegen Piraterie lassen laut USTR zu wünschen übrig. Außerdem ist das Land eine wichtige Vertriebs- und Lagerregion für raubkopierte CDs aus Russland. China und Paraguay wiederum fallen unter den Paragraphen 306 des US-Handelsgesetzes, was bedeutet, dass sie verstärkt unter Beobachtung stehen und mit US-amerikanischen Untersuchungskommissionen im Land rechnen müssen.
Neben einigen südamerikanischen Ländern sind es vor allem die ehemaligen Ostblock-Staaten, die beobachten werden: Polen, Ungarn, die baltischen Staaten – alle sind verdächtigt, es nicht allzu genau mit dem Schutz des geistigen Eigentums zu nehmen. Aber auch Kanada, eines der beiden Nachbarländer der Vereinigten Staaten, wird gerügt: Die Entscheidung eines kanadischen Gerichts, dass das Anbieten von Dateien in Tauschbörsen nach kanadischem Recht nicht strafrechtlich verfolgt werden kann, zeige, dass Kanada sein Urheberrecht entsprechend der „WIPO Internet“-Abkommen reformieren muss. Insgesamt haben die USA gut fünfzig Länder unilateral unter Beobachtung gestellt – 192 anerkannte souveräne Staaten gibt es auf der Welt.
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