Ein schmaler Grat: Springer gegen Burda
Der Springer-Verlag zieht gegen den Burda-Verlag vor Gericht. Nach ausführlichen Untersuchungen von Focus Online habe er festgestellt, dass dort systematisch und oft unmittelbar nach der Veröffentlichung Artikel erscheinen, die direkt von Bildplus übernommen worden seien, dem Bezahlangebot der Bildzeitung im Web.
Bei diesem Fall ist zunächst einmal klarzustellen, dass an Informationen und damit auch an dem Inhalt einer Nachricht kein geistiges Eigentum bestehen kann. Informationen und faktische Inhalte, die in Artikeln vorkommen, sind urheberrechtlich nicht geschützt. Erst ihre sprachliche Darstellung, also die Ausformulierung der Informationen, kann geschützt sein.
Das Wehklagen und die Phrasen, die mitunter zu hören sind, es gehe um geistigen Diebstahl und Hehlerei, laufen in dieser Hinsicht ins Leere. Wenn etwas nicht geschützt ist, kann man es auch nicht stehlen.
Springer: Wettbewerbsrecht und Datenbankschutz
Allerdings: Der Springer-Verlag weiß das und beruft sich in seiner Klage im Kern nicht auf das Urheberrecht an einzelnen Artikeln, sondern auf das Wettbewerbsrecht. Er sieht in der systematischen Übernahme von Inhalten eine gezielte Behinderung des Geschäftsmodells von Bildplus. Das sei unlauterer Wettbewerb.
Zudem verletze Burda einen Schutz der Springer-Angebote als Datenbank: Auch die Sammlung von Artikeln auf dem Angebot Bildplus sei als solche eigens geschützt. Ähnlich hatte der Springer-Verlag bereits in einem Verfahren gegen den Werbeblocker-Hersteller Eyeo argumentiert und darin vor dem Oberlandesgericht Köln Recht bekommen.
Ob das nun angerufene Landgericht Köln dem Datenbankansatz folgt, bleibt abzuwarten. Entscheidender scheint die Frage nach dem Wettbewerbsrecht. Wenn Focus Online tatsächlich systematisch Informationen und Inhalte von Bildplus-Artikeln übernimmt – wohlgemerkt nicht die Texte selbst – könnte man darin ein unerlaubtes „parasitäres Ausnutzen“ des Bildplus-Angebots sehen. Doch das hängt stark von den Einzelheiten und Tatsachen der aufgeführten Fälle ab. Folgt das Gericht dem Springer-Verlag, könnte Focus Online auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz verpflichtet werden.
Informationsfreiheit: Die Luft zum Atmen
Gleichwohl bewegt sich die Klage auf einem schmalen Grat: Die Freiheit von Informationen und Inhalten ist eines der wichtigsten Güter für die Pressefreiheit und eine demokratische Gesellschaft. Informationen sind wie die Luft zum Atmen: Sie gehören allen. Daher muss man außerordentlich behutsam vorgehen, wenn es darum geht festzustellen, ob es sich hier womöglich um einen Fall handelt, bei dem Burda in Anwendung der Informationsfreiheit zu weit gegangen ist.
Neben die rechtliche Frage tritt die moralische Frage, auch wenn beide Betrachtungsweisen zu unterscheiden sind: Will man ein Verhalten wie das von Focus Online – wenn es denn so systematisch ist – gutheißen? In einer Zeit, in der noch immer diskutiert werden muss, wie sich Journalismus in der digitalen Welt finanzieren kann, stellt sich diese Frage auch aus kaufmännischer und wirtschaftlicher Sicht.
Es sollte zudem nicht vergessen werden, dass sich auch Burda stark gemacht hat für das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das angeblich den Qualitätsjournalismus schützen sollte. Wenn dieses Recht so funktionieren würde, wie es die beteiligten Verlage ursprünglich einführen wollten, dann würde der Burda-Verlag mit seinen Übernahmen reihenweise dagegen verstoßen.
Was Burda da womöglich macht, ist gleichwohl sehr hart an der Grenze dessen, was man moralisch als angemessen empfinden würde. Solange es nicht verboten ist, können Verlage oder ihre Redaktionen das vielleicht so machen. Aber die andere Frage ist: Sollte man es machen? Insbesondere, wenn man zu einem Verlag wie dem Burda-Verlag gehört, der für sich reklamiert, Qualitätsmedien herzustellen.
2 Kommentare
1 nk am 26. Januar, 2017 um 17:55
Datenbank-Schutz. Lächerlich gehts nicht mehr. Die Herren Boulevardmacher sollen sich mal angucken, was eine echte Datenbank leistet. Demnächst genießt noch ‘n Einkaufszettel Urheberrecht..
2 Calvero am 28. Januar, 2017 um 12:23
“Insbesondere, wenn man zu einem Verlag wie dem Burda-Verlag gehört, der für sich reklamiert, Qualitätsmedien herzustellen.”
Damit sind vermutlich jene “Qualitätsmedien” gemeint, die noch nicht mal einen Beitrag ihres Verlegers fehlerfrei online stellen können. Und denselben Fehler (2006) sogar 2x beim Copy&Paste machen.
http://www.focus.de/kultur/medien/auszug-aus-seinem-buch-digitale-horizonte-dr-hubert-burda-bin-fest-davon-ueberzeugt-dass-journalismus-und-qualitaetsmedien-krisensicher-sind_id_6388167.html
http://www.huffingtonpost.de/dr-hubert-burda/hubert-burda-digitale-horizonte_b_13763238.html
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