Was darf ein Drohnenjournalist?
Auf technologische Neuheiten reagieren wir oft mit einem bestimmten Reflex: Wir nehmen an, es handle sich um eine völlig neuartige und daher „rechtsfreie Zone“, in der alles möglich sei. Alternativ: um ein Gebiet, in dem dringend eine neue Regulierung erforderlich sei.
Tatsächlich aber ist es nichts grundlegend Neues, wenn Journalisten Aufnahmen aus der Luft anfertigen und Drohnen mit Kameras oder anderer Sensorik einsetzen. Neu ist jedoch, dass Drohnen als Hilfsmittel sich immer weiter verbreiten – und die daraus resultierende Notwendigkeit, sich mit dem Thema näher zu befassen und die Rechtslage aufzuklären. Die Nutzung von Drohnen ist bereits weitgehend reguliert. Zum einen gibt es spezielle Regeln, die man kennen muss; zum anderen gelten allgemeine Regeln meist entsprechend, wenn besondere fehlen. Eine weitergehende Rechtsprechung und neue Normen, die speziell auf Drohnen zugeschnitten sind, werden sich in Zukunft herausbilden, aber reguliert ist vieles schon jetzt.
In diesem Artikel verstehe ich unter Drohnen Kopter mit Foto-, Film-, oder Sensor-Ausrüstung bis zu einem Gewicht von 25 Kilogramm. Es geht explizit nicht um bewaffnete Kampfdrohnen aus dem Militär oder geheimdienstlich eingesetzte Drohnen, die leider den gleichen Namen tragen. Im internationalen Vergleich können die bestehenden Regelungen allerdings sehr unterschiedlich ausfallen. Hier geht es um eine kurze Darstellung des deutschen „Drohnenrechts“ und einen kurzen Blick auf die Rechtslage in den USA.
Drohnenjournalismus: Flugdrohnen-Aufname der Proteste in Bangkok, Thailand, Dezember 2013.
Drohnen in Deutschland
Seit etwa vier Jahren sind Drohnen ausdrücklich in der Luftverkehrs-Ordnung benannt. Es gibt damit einen klaren Rechtsrahmen für die Drohnennutzung: Gewerbliche Nutzer – damit sind alle Nutzer gemeint, die keinen Aufstieg zu Sport- oder Freizeitzwecken planen – brauchen immer eine Aufstiegserlaubnis. Bei einem Drohnengewicht von unter fünf Kilogramm geht es hier um eine generelle, etwa zwei Jahre gültige Aufstiegserlaubnis, bei einem höheren Gewicht um eine Einzelfallerlaubnis. Die Einzelfallerlaubnis kann unpraktisch sein, wenn man Spontanflüge plant, da es rund zwei Monate dauern kann, bis die Genehmigung erteilt wird.
Zuständig dafür ist die jeweilige Luftfahrtbehörde des Bundeslandes. Bei einer generellen Aufstiegserlaubnis ist der Wohnsitz des Antragstellers maßgeblich, bei einer Einzelfallgenehmigung kann der Ort des geplanten Aufstiegs entscheidend sein. Diese und weitere Fragen vor einem Drohneneinsatz lassen sich mit einem kurzen Anruf bei der Luftfahrtbehörde des jeweiligen Bundeslandes klären. Das empfiehlt sich auch deshalb, weil die Behörden zwar nach gemeinsamen Grundsätzen handeln, je nach zuständiger Behörde aber Abweichungen möglich sind, etwa bei Gebühren und Wartezeiten.
Versicherung, Kontrollierbarkeit und Flugverbotszonen beachten
Besondere Fähigkeiten nach Art eines „Drohnenführerscheins“ sind nicht nachzuweisen. Eine wichtige Voraussetzung ist allerdings der Nachweis einer Haftpflichtversicherung. Da die meisten Versicherungen Drohnenschäden in ihren Geschäftsbedingungen ausschließen, muss eine Spezialversicherung abgeschlossen werden. Momentan ist es damit noch relativ einfach, eine Genehmigung zum Aufstieg zu erhalten. Es ist aber anzunehmen, dass es in Zukunft strengere Regeln geben wird, sobald sich erste Vorfälle ereignen und die Zahl der Drohnen im Luftraum zunimmt.
Die wichtigste Regel für die Nutzung einer Drohne ist die Kontrollierbarkeit. Daraus ergibt sich, dass Flüge nur in tatsächlicher Sichtweite des Steuernden stattfinden dürfen, optische Hilfsmittel wie ein Fernglas nicht eingerechnet. Die Flughöhe darf höchstens 30 bis 100 Meter betragen. Über Menschenansammlungen ist ein Drohnenflug meistens untersagt – und natürlich ebenfalls über Flugverbotszonen. Solche Zonen sind in der Regel immer Flughäfen und das angrenzende Gebiet im Umkreis von 1,5 Kilometern. Regierungsviertel und Militärzonen dürfen ebenfalls nie überflogen werden. Welche lokalen Flugverbotszonen es darüber hinaus gibt, lässt sich der Webseite der Bundesaufsicht für Flugsicherung (BAF) entnehmen.
Allgemeine Vorgaben und journalistische Grundsätze
Erteilt die zuständige Luftfahrtbehörde einmal die Genehmigung, steht dem Drohnenflug nichts mehr im Wege. Die Drohne als Arbeitsmittel ist dann für eine gewisse Zeit oder einen einzelnen Aufstieg zugelassen.
Wichtig zu beachten ist jedoch: Die Genehmigung betrifft nur den luftfahrtbehördlich relevanten Bereich. Es folgt daraus nicht, man dürfe alles, was mit der Drohne technisch machbar wäre, auch tatsächlich tun. Auch hier gelten die üblichen Grundsätze journalistischen Arbeitens und allgemeine gesetzliche Vorgaben. Zudem bedarf es stets einer Interessensabwägung im Einzelfall. Für Investigativjournalisten ist darüber hinaus der Hinweis wichtig, dass für nicht rechtmäßig angefertigte Aufnahmen das Beweisverwertungsverbot gilt; diese also nicht in möglichen Prozessen verwendet werden dürfen.
Zu den wichtigsten allgemeinen Regelungen gehören auch beim Einsatz von Drohnen im Journalismus:
Das Urheberrecht
- Bei Foto- oder Filmaufnahmen sind grundsätzlich etwaige Urheberrechte von Architekten, Künstlern oder anderen Betroffenen zu beachten und im Vorfeld eine Zustimmung aller Rechteinhaber einzuholen. Im Einzelfall und nach entsprechender Interessensabwägung kann im Rahmen der urheberrechtlichen Schranke zur „Berichterstattung über Tagesereignisse“ diese Zustimmungspflicht entfallen. Weiterhin kann die Ausnahme der Panoramafreiheit greifen, nach der Aufnahmen von Bauwerken, Skulpturen oder anderen bleibenden Kunstwerken, die sich auf Straßen oder Plätzen befinden, auch ohne Genehmigung des Urhebers erlaubt sein können.
- Diese Ausnahmevorschrift ist jedoch eng auszulegen und gilt nach derzeitiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann nicht mehr, wenn für die Aufnahmen Hilfsmittel wie lange Stative oder Leitern eingesetzt wurden. Wenn die Drohne bei der Aufnahme eine höhere Position haben soll als das menschliche Auge (ab etwa zwei Metern Höhe), gilt die Panoramafreiheit nicht – und damit die Pflicht, eine Genehmigung einzuholen.
Recht am Bild
- Die allgemeinen Persönlichkeitsrechte und insbesondere das Recht am eigenen Bild verbieten es grundsätzlich*, Aufnahmen ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen zu machen, auf denen diese klar erkennbar sind.
- Das öffentliche Interesse kann im Einzelfall überwiegen und das Erfordernis aufheben – eine Abwägung, die aus der journalistischen Arbeit allgemein bekannt ist.
Informationelle Selbstbestimmung
- Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wiederum verbietet die Überwachung von Personen. Das Datenschutzrecht sieht hier sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor, wenn die Beteiligten für die Überwachung eine Vergütung erhalten haben.
Drohnen in den USA: klare Vorgaben fehlen
Wie unterschiedlich die Rahmenbedingungen für einen Einsatz von Drohnen im Journalismus sein können, zeigt der Blick in die USA. Die dortige Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) hat es bislang versäumt, den Einsatz von Drohnen zu regulieren, die erste Frist ist 2010 verstrichen. Die Obama-Regierung hat der FAA nun eine Frist bis 2015 gesetzt. Obwohl damit klare Normen fehlen, hat die FAA in der Vergangenheit mehrfach Unterlassungserklärungen verschickt und hohe Geldbußen angedroht.
Der bekannteste Fall ist der des Drohnenpiloten Raphael Pirker, der mit seinem Team „Blacksheep“ hochwertige Filme an ungewöhnlichen Orten mit seinem Quadkopter dreht. In diesem Fall ging es nicht um journalistische Aufnahmen, sondern um einen Werbefilm, welcher über der Universität von Virginia gedreht wurde. Diese waghalsigen Aufnahmen sind der FAA aufgefallen und gegen Pirker wurde eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Dollar festgesetzt, weil er den Grundsatz des allgemeinen Drohnenflugverbots für kommerzielle Zwecke missachtet haben soll.
Video: Unerlaubte Aufnahmen von Raphael Pirker/ „Blacksheep“
Ein solches Verbot findet sich zwar nicht direkt im Gesetz, es lässt sich aber den Guidelines der FAA entnehmen. Diese sind jedoch nach Auffassung vieler US-Juristen nicht rechtlich durchsetzbar. Anfang März 2014 hat das zuständige Gericht im ersten Verfahren dieser Art entschieden, dass die Richtlinien der FAA nicht rechtsdurchsetzbar sind und die Geldstrafe aufgehoben. Bis zu einer ordentlichen Regelung herrscht somit in den USA vorübergehend Unsicherheit bei der gewerblichen Drohnennutzung.
Auch Journalistenverbände sind gefragt
Unabhängig von der jeweiligen Rechtsordnung sollten sich Journalisten über ein grundlegendes Merkmal des Drohneneinsatzes im Klaren sein: Es besteht immer eine asymmetrische Situation zwischen dem Drohnennutzer und einer gefilmten oder fotografierten Person, besonders wenn zuvor keine Genehmigung eingeholt wurde. Der Betroffene kann oft nicht erkennen, wer die Drohne lenkt und was damit aufgenommen wurde oder wird. Aus dieser Anonymität heraus kann es leicht zum Missbrauch kommen.
Klar ist: Als Gesellschaft haben wir die Wahl, in welche Richtung sich eine neue Technologie entwickeln sollte. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob Drohnen-Technologie militärisch oder zivil eingesetzt wird. Auch Journalisten haben die Wahl, ob sie Drohnen für Paparazzi-Szenarien einsetzen oder dafür, sinnvolle Recherchen zu unterstützen oder zu ermöglichen.
Journalisten und ihre Verbände sollten das Thema Drohnenjournalismus daher auf ihre Agenda nehmen und entscheiden, was sie mit Drohnen tun oder lassen wollen. Denkbar ist es etwa, eine entsprechende Charta oder Guidelines zu entwickeln. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil der Gesetzgeber solche Dokumente zumindest berücksichtigt, wenn es um eine mögliche weitere Regulierung beim zivilen Einsatz von Drohnen geht.
Dieser Artikel erschien zuerst im Reader „Groundbreaking Journalism – Workshops und Konferenz in Berlin 2013/2014“. Er versammelt Berichte und weiterführende Artikel zu den Themen der gleichnamigen Veranstaltungsreihe, die das iRights.Lab zusammen mit dem Vodafone-Institut für Gesellschaft und Kommunikation durchgeführt hat. Er ist als PDF zum Download erhältlich.
* zur Klarstellung ergänzt: „grundsätzlich“, 14.08.2014, siehe auch die Kommentare.
5 Kommentare
1 Uwe am 14. August, 2014 um 11:38
Ein Hinweis noch: auch in Naturschutzgebieten kann der Aufstieg einer Drohne verboten sein. Unter Verweis auf eine entsprechende lokale Verordnung, die sinngemäß die Nutzung von Fluggeräten aller Art untersagte, musste ich auf Rügen ein Ordnungsgeld von 35 Euro zahlen.
2 karl am 14. August, 2014 um 14:21
“Die allgemeinen Persönlichkeitsrechte und insbesondere das Recht am eigenen Bild verbieten es, Aufnahmen ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen zu machen, auf denen diese klar erkennbar sind.”
Das stimmt nicht. Das Veröffentlichen der Bilder ist verboten, nicht das Anfertigen derselben. Das ist ein wichtiger Unterschied, der gerade für uns Journalisten von erheblicher Bedeutung ist.
Polizisten behaupten gerne obiges z.B. um die Kamera zu beschlagnahmen. Erst der Hinweis auf den feinen aber wichtigen Unterschied stoppt solch übergriffiges Verhalten.
3 Ramak Molavi am 14. August, 2014 um 20:11
Vielen Dank für Ihre Anmerkung.
Es ist jedoch nicht richtig, dass die Aufnahme an sich ohne Zustimmung erlaubt ist, solange sie nicht veröffentlicht wird.
Werden die Aufnahmen allein aus dem Grund der späteren Veröffentlichung gemacht und das ist bei Journalisten, auf die sich die Aussage bezog der Fall – so kann es anders bewertet werden.
Es gibt darüber hinaus auch explizite Fotografieverbote in Gerichtssälen.
Zudem sind heimliche Aufnahmen von Personen sogar strafbar, wenn diese sich in ihrer Wohnung befinden oder sich in anderen gegen Einblick besonders geschützte Räume befinden.
Ich rate daher wirklich dazu, bereits vor der Fotoaufnahme und nicht erst vor Veröffentlichung die entsprechende Einwilligung einzuholen.
Dies ist keine Aussage darüber, ob die Beschlagnahmung der Kamera durch die Polizei im Einzelfall zulässig ist oder nicht.
4 -thh am 14. August, 2014 um 22:48
“Das Veröffentlichen der Bilder ist verboten, nicht das Anfertigen derselben. Das ist ein wichtiger Unterschied, der gerade für uns Journalisten von erheblicher Bedeutung ist.”
Das sieht die neuere Rechtsprechung – sinnvollerweise – zunehmend anders.
Was sagen Sie dazu?