Diskurse zu Kollektivlizenzen und Urhebervertragsrecht
Die Konferenz der Initiative Urheberrecht findet seit 2013 jährlich statt. Wie kaum anders zu erwarten, stand dieses Jahr die EU-Richtlinie zum „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ im Mittelpunkt. Sie hat zum Ziel, das Urheberrecht in den Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen. Da sie als Richtlinie bindend ist, müssen sie alle EU-Länder bis Frühjahr 2021 in nationales Recht umgesetzt haben. Wie genau das geschehen soll, darüber wird jetzt diskutiert (auch bei iRights.info).
Der Tenor vieler Reden und Beiträge war allgemeine Zufriedenheit mit der Richtlinie, etwa in den Eröffnungs- und Einleitungsreden von Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste; der afrikanischen Musikerin Angelique Kidjo; Kulturstaatsministerin Monika Grütters; European-Writers-Council-Präsidentin Nina George und Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht. Sie nehme große Internetplattformen durch neu eingeführte Haftungspflichten endlich in die Verantwortung, damit Rechteinhaber und Urheber, deren Werke sie öffentlich zugänglich machen, für diese Nutzungen auch Geld bekommen.
Erweiterte Kollektivlizenzen als Lösung
Im Laufe weiterer Redebeiträge und Podiumsdiskussionen, die stets Publikumsfragen einbezogen, erläuterten die Verbandsvertreterinnen und Juristen, dass die Einführung pauschaler Lizenzierungen, erweiterteter Kollektivlizenzen (ECL) und damit verknüpfter Vergütungspflichten der Schlüssel sein könnten, um die Plattformen nicht nur zur Kasse zu bitten, sondern vielmehr zum Bezahlen zu zwingen.
Da solche Kollektivlizenzen aber keine „Muss-“, sondern eine „Kann“-Bestimmung der EU-Richtlinie seien, käme es hier darauf an, dass der deutsche Gesetzgeber sie explizit in den neu zu schaffenden Regelungen verankert. Das betonten unter anderem Urban Pappi von der Verwertungsgesellschaft VG Bildkunst und Robert Staats von der VG Wort.
Außerdem müssten sich die Verwertungsgesellschaften in mehrerer Hinsicht auf die neuen Lizenzierungspraktiken und Lizenzarten vorbereiten, so Robert Staats. Hierzu gehöre auch, dass sie gemeinsam mit den Rechteinhabern, die mit den Verwertungsgesellschaften Wahrnehmungsverträge abgeschlossen haben, an neuen Lizenzmodellen und erweiterten Rechtseinräumungen arbeiten (siehe auch unser Bericht zur Zugang gestalten!-Konferenz).
In diesem Zusammenhang weist Sylvia Willkomm vom Deutschen Museumsbund daraufhin, dass für Museen und Archive die Digitalisierung ebenso Pflicht wie alltägliche Aufgabe sei. Doch um den Online-Zugang zu Digitalisaten noch nachhaltiger gestalten zu können, seien die rechtlichen Rahmenbedingungen noch verbesserungswürdig. Darüber habe der Museumsbund kürzlich beraten, um sich für die Museen in den Umsetzungsprozess zur Richtlinie einzubringen.
Da sich die erweiterten Kollektivlizenzen auch auf Urheber erstrecken, die noch keiner Verwertungsgesellschaft angeschlossen sind (im Rechtsjargon „Außenseiter“ genannt), müssten sich die Gesellschaften mit weiteren Urhebergruppen verständigen, beispielsweise mit Youtubern. Diese und weitere Rechteinhaber neuen Typus’ sollten sich, so der Verfassungsrechtler Bernd Holznagel (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), auch in den politischen Diskussionsprozess einschalten, um ihre womöglich spezifischen Interessen einzubringen und ihre urheberrechtlichen Ansprüche wahrzunehmen.
Aus Sicht von Bernd Holznagel betrifft die Urheberrechtsreform die Interessen von vier Bezugsgruppen, die jeweils auf elementaren Grundrechten beruhen und daher gewissenhaft gegeneinander abzuwägen seien. So ginge es für die Rechtsinhaber um das Eigentumsgrundrecht, für die Diensteanbieter, die das Teilen von Online-Inhalten ermöglichen, um Berufsfreiheit, für passive Onlinenutzer um die Informationsfreiheit und für aktive Nutzer, wie Uploader, um die Meinungs- und Kunstfreiheit. „Keine der vier oben genannten Gruppen darf bei der Umsetzung Vorrang genießen“, sagte Holznagel.
Er plädierte dafür, den Internet-Plattformen klare und gegebenenfalls strenge Vorgaben zu machen, damit diese den kommenden Haftungspflichten wirklich nachkommen. Zugleich gab er zu bedenken, dass der Gesetzgeber die Meinungsfreiheit nicht aus den Augen verlieren sollte. Da auch von anderen Seiten Vorgaben für Online-Anbieter erlassen werden – etwa beim Kartellrecht, im Jugendschutz, gegen Hassreden oder zur Terrorismus-Abwehr – sei hinsichtlich der umstrittenen Uploadfilter umsichtig zu regulieren.
Urheber und ausübende Künstlerinnen müssen sich besser organisieren
Bezüglich neuer Lizenzierungsmodelle von Verwertungsgesellschaften für Online-Nutzungen wiesen Redner und Teilnehmer darauf hin, dass es für Filmschaffende derzeit noch Regelungen im deutschen Urheberrecht gebe, wonach ihre Erstverwertungsrechte grundsätzlich den Produktionsfirmen übertragen werden. Diese Norm diente der Vereinfachung des Rechtemanagements, da bei Filmproduktionen enorm viele Mitwirkende zu berücksichtigen sind. Doch sie stünde nun den gewünschten erweiterten Kollektivlizenzen im Weg, so VG-Bildkunst-Vorstand Urban Pappi.
Um solche Forderungen und weitere Positionen von Urheberinnen und ausübenden Künstlern zu formulieren und durchzusetzen, müssten diese sich aber noch stärker als bisher engagieren und in Interessenverbänden organisieren, hieß es mehrfach. Der Schauspieler Hans-Werner Mayer vom Bundesverband Schauspiel (BFFS) ermutigte insbesondere alle schauspielenden Künstlerinnen, sich noch mehr für ihre eigenen Interessen einzusetzen.
Für Mayer und weitere Konferenzrednerinnen komme es daher besonders darauf an, die Regelungen zum Urhebervertragsrecht im Sinne der Urheberinnen und ausübenden Künstler weiter zu verbessern. Zwar sei Deutschland durch eine diesbezügliche Reform, die 2017 in Kraft trat, schon wesentlich weiter als einige andere EU-Länder, denen die Richtlinie gründliche Neuerungen vorgebe. Gleichwohl biete die Richtlinie Chancen, auch an Stellschrauben des deutschen Urhebervertragrechts zu drehen, so der Rechtswissenschaftler Karl-Nikolaus Peifer (Universität zu Köln) in seinem Vortrag.
So würde die Richtlinie zwar kein „Verbot“ von sogenannten Total-Buyout-Verträgen vorschreiben, bei denen für eine Pauschalzahlung quasi alle Rechte veräußert würden. Gleichwohl sieht er in der Richtlinien-Formulierung, dass eine Pauschalzahlung eine angemessene Vergütung sein kann, aber nicht die Regel sein darf und dann auch gut begründet sein muss, „die Korrektur einer Logik, die bisher als selbstverständlich galt“, so Peifer.
Auskunftspflichten auch für Plattformbetreiber
Bezüglich der ebenfalls von der Richtlinie festgelegten Auskunftspflichten von Verwertern gegenüber Urhebern und ausübenden Künstlern wies Peifer darauf hin, dass künftig auch Plattform- und Portalbetreiber potenzielle Adressaten dieser Auskunftspflichten seien. Das heißt, die für ihre Verschlossenheit bezüglich Zugriffszahlen und Nutzungsdaten bekannten Anbieter, wie auch Youtube, müssten dann weitreichende Informationen über konkrete Verwertungen weitergeben, damit Rechteinhaber entsprechende Vergütungen bemessen können.
Als ein drängendes Problem betrachtet Peifer, dass Urheber und ausübende Künstlerinnen benachteiligt sind, wenn sie ihre Rechte auf Auskünfte und angemessene Vergütung auch durchsetzen wollen. Etwa, weil ihnen zu wenig bezahlt, Auskünfte vorenthalten oder sie vertraglich benachteiligt werden. So lange sie sich nur individuell dagegen wehren könnten, was ihnen rechtlich zustehe, drohe ihnen, von Verwertern ausgelistet zu werden.
Daher schlägt er vor, Regelungen zu finden, die anonymisierte und kollektivierte Rechtedurchsetzung ermöglichen. Es sollte geregelt werden, dass auch Interessenverbände und Urheberorganisationen diese Rechte wahrnehmen und beispielsweise Unterlassungsanspüche ausüben könnten. Dies würde ein Erwägungsgrund der Richtlinie durchaus vorsehen, so Peifer. Daher plädiere er dafür, entsprechende Paragrafen im deutschen Urheberrechtsgesetz so anzupassen, dass Urheber-Organisationen auch die Auskunftsansprüche von Urhebern und ausübenden Künstlern wahrnehmen können.
4 Kommentare
1 I. Zimmermann am 20. November, 2019 um 10:44
Die Bildunterschrift unter einem der Fotos ist falsch. Das Foto zeigt nicht wie angegeben Sylvia Willkomm, sondern die wunderbare Drehbuchautorin Carolin Otto, ich erinnere nur an den TV-Zweiteiler “Bier royale”.
2 Henry Steinhau am 21. November, 2019 um 08:32
Vielen Dank für den Hinweis, wir haben das jetzt korrigiert.
3 Schmunzelkunst am 24. November, 2019 um 19:51
Dann bitte auch die Unterschrift unter dem Bild von Urban Pappi ändern, also nicht Urband Papi. Urban wie Urheberrecht und nicht wie Uhrband. Und Pappi wie Pappi ;-).
4 Henry Steinhau am 25. November, 2019 um 08:09
Danke für den Hinweis, wir haben es korrigiert.
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