Digitale Internationale

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Internetfirmen haben einen großen Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft in China. Als Alibaba an die Börse ging, stieß das auch international auf großes Interesse. Am stärksten beobachtet werden neben Alibaba der Suchmaschinenbetreiber Baidu sowie Tencent, ein Unternehmen, das sich auf soziale Netzwerke und Gaming konzentriert. Doch in der zweiten Reihe lauern bereits weitere erfolgreiche Unternehmen darauf, ihnen die Vorherrschaft im chinesischen Internet streitig zu machen, etwa der Sicherheitsdienstleister Qihoo sowie die sozialen Plattformen Sogou und Netease.
Der Erfolg dieser Unternehmen basiert auf einer Mischung aus staatlichem Protektionismus, der Kopie bereits vorhandener Geschäftsideen und Innovation. Alibaba, Baidu und Tencent sind dafür bekannt, erfolgreiche Projekte nachzuahmen und zu verbessern. Tencent imitierte mit seinem Mobile Messenger WeChat die kanadische App Kik. Dann erweiterte es WeChat und fügte etwa eine Funktion zum Versenden von Sprachnachrichten hinzu, die in China einen wahren Boom des Dienstes auslöste. Heute ist WeChat mehr als nur Messenger. Es ist eine Plattform, die sämtliche Online-Aktivitäten bündelt – auch das Buchen von Flugtickets und Onlineshopping.
Auch innovative Geschäftsmodelle tragen zum Erfolg bei. Alibaba zum Beispiel verkauft, anders als Amazon, keine eigenen Produkte, sondern bietet nur eine Handelsplattform für Onlinehändler. Damit verdient Alibaba zwar wesentlich weniger Geld als Amazon. Doch weil es geringere Ausgaben hat als der US-Konzern, ist Alibabas Gewinn größer.
Smartphones ordnen Chinas Internet neu
Vor allem die rasche Verbreitung von Smartphones macht das chinesische Internet so dynamisch. Denn in der Volksrepublik surfen viel mehr Menschen mit dem Smartphone im Internet als in Europa und den USA. 2014 gingen erstmals sogar mehr Chinesen mit Mobilfunkgeräten online als mit PC und Laptop. Den Internetfirmen winken ungeahnte Gewinne: Mit seinen monatlich fast 377 Millionen aktiven Nutzern erreicht WeChat schon heute fast ein Drittel der chinesischen Bevölkerung.
Um ihre Marktposition zu halten, müssen die Firmen immer mehr Funktionen vom PC auf das Smartphone übertragen. Sie wollen digitale Ökosysteme aufbauen, die eine ganze Bandbreite von Dienstleistungen aus einer Hand anbieten. Sie spekulieren dabei nicht auf kurzfristige Gewinne, sondern wollen die Nutzer langfristig an sich binden. Denn sie glauben, dass die goldene Zeit der Internetunternehmen noch bevorsteht. Die Kunden sollen sich bei Alibaba „treffen, arbeiten und leben“ – das ist nach eigenem Bekunden Alibabas Kernbotschaft.
Chinas Internetfirmen stellen jetzt die Weichen für die Zukunft. Um sich Marktanteile zu sichern, nehmen sie sogar kurzfristige Verluste hin. Deutlich wurde dies in der ersten Jahreshälfte 2014 im „Taxi-App-Krieg“ zwischen Didi Dache (von Tencent unterstützt) und Kuadi Dache (von Alibaba unterstützt). Mit beiden Apps können Nutzer per Smartphone ein Taxi bestellen. Um bekannt und beliebt zu werden, gewährten die Anbieter anfangs großzügig Rabatte – zeitweise war Taxifahren vielerorts nahezu kostenlos. Erst als beide Apps ausreichend Nutzer hatten, hoben die Firmen die Vergünstigungen wieder auf.
Alibaba und Tencent bekämpfen sich heftig
Bis 2012 haben Alibaba, Baidu und Tencent die Geschäftsfelder ihrer Konkurrenten weitgehend respektiert. 2013 und 2014 ist der Wettbewerb jedoch offen entbrannt. Besonders Alibaba und Tencent bekämpfen sich heftig. Tencent versucht seither aktiv, Alibabas E-Commerce-Vormacht zu brechen. Im Februar 2014 ging Tencent eine Kooperation mit dem Yelp-ähnlichen Bewertungsportal Dazhong Dianping ein und investierte im März bei Chinas größtem Online-Versandhaus JD.com. Im Mai schaltete Tencent auf WeChat sogar eine Plattform für Onlinehändler frei. Alibaba wiederum kaufte im Juni dieses Jahres den mobilen Webbrowser UCWeb und bringt sich seither als Konkurrent zur Suchmaschine Baidu auf dem Smartphone-Markt in Stellung.
Auch 2015 wird es viel Bewegung auf dem chinesischen Internetmarkt geben. Geld für strategische Investitionen ist in den Unternehmen vorhanden. Ein verlockender Übernahmekandidat ist beispielsweise der Gaming-Konzern Shanda. Auch in anderen Dienstleistungsbereichen werden chinesische Internetkonzerne aktiv. Bereits jetzt macht Alibaba den staatlichen Banken mit seinem Online-Bezahldienst Alipay und dem virtuellen Geldmarktfond Yu’ebao Konkurrenz, über den Kunden online Kapital am Geldmarkt anlegen können.
Geschäftsinteressen treffen auf staatliche Kontrolle
Die jüngsten Entwicklungen stellen die chinesische Regierung vor ein Dilemma: Sie will einerseits Unternehmen mit weltweitem Einfluss aufbauen, gleichzeitig aber die Kontrolle über Datenströme und Informationen behalten. Mitte 2014 verschärfte der Staat deswegen gezielt die Zensur von WeChat – die Verbreitung von Nachrichten ist nun stark eingeschränkt. Für die Geschäftsinteressen der Online-Unternehmen ist diese Regulierung schädlich.
Doch Chinas Internetgiganten begnügen sich ohnehin längst nicht mehr mit dem chinesischen Markt. 2014 haben sie ihre Auslandsaktivitäten weiter verstärkt. Noch sind sie vorsichtig und trauen sich nur zögernd mit großen Projekten in die USA und nach Europa. Sie investieren derzeit vor allem in junge amerikanische Start-ups, wie zum Beispiel Snapchat. Erst wenn die Geschäftsmodelle erfolgreich sind, steigen sie weiter ein. Alibaba startete im Juni 2014 die Shopping-Plattform 11Main in den USA, um den amerikanischen Markt besser kennenzulernen. Tencent ist mit der Internationalisierung von WeChat vor allem in Malaysia, Singapur, Indonesien und Südafrika erfolgreich. Unter den Gaming-Konzernen ist Tencent bereits jetzt einer der wichtigsten weltweit.
Baidu expandierte mit seiner Suchmaschine 2007 nach Japan, aber ist dort bislang erfolglos. 2014 wurden Testversionen in Brasilien, Ägypten und Thailand gestartet. Alibaba baut bereits ein umfassendes Netzwerk von Partnern für die Internationalisierung von Alipay sowie ein internationales Logistiknetzwerk auf – im Mai investierte Alibaba in das Versandunternehmen Singapore Post.
Die internationalen Aktivitäten der Chinesen werden die amerikanischen Konzerne herausfordern. Zunächst in Südostasien, in der Folge aber auch in Europa und den USA. Die rasante Geschwindigkeit der Smartphone-Revolution ist dabei ein großer Vorteil für die Chinesen. Denn mit ihren eigenen, innovativen Produkten können sie selbst auf gefestigte Märkte vordringen. Die Internationalisierung der chinesischen Internetkonzerne steht bevor.
Dieser Text erscheint in „Das Netz 2014/2015 – Jahresrückblick Netzpolitik“. Das Magazin versammelt mehr als 70 Autoren und Autorinnen, die einen Einblick geben, was 2014 im Netz passiert ist und was 2015 wichtig werden wird. Bestellen können Sie „Das Netz 2014/2015“ bei iRights.Media.
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