Die Schutzfrist als Sichtschutz: Wie das Urheberrecht freies Wissen behindert
Es dürfte weitestgehend Konsens bestehen, dass das geltende Urheberrecht aus einer Vielzahl von Gründen einer grundlegenden Reform bedarf, auch wenn freilich die verschiedenen Akteure ganz unterschiedliche Vorstellungen von der Richtung haben dürften, die eine solche Reform einschlagen sollte. Darum soll es hier nicht gehen. Ich möchte einen Einzelfall schildern, der mich ganz persönlich seit einer Weile beschäftigt und der die Dysfunktionalität des Urheberrechts zumindest in einem Teilbereich sehr deutlich machen sollte.
Ich bin nicht nur Anwalt, sondern auch Hobbyfotograf. Auf das Hobby gekommen bin ich mehr oder minder über Wikipedia. Dort, genaugenommen auf Wikimedia Commons, gibt es eine relativ aktive Community, die sich dem Ziel verschrieben hat, möglichst hochwertige Fotografien von bedeutenden Menschen, Bauwerken, Landschaften und dergleichen herzustellen und der Allgemeinheit unter einer freien Lizenz zur Verfügung zu stellen.
Die Fotos, die dort von einigen wirklich guten Amateurfotografen veröffentlicht werden, haben mich beeindruckt und waren mir ein Ansporn, selbst Teil dieser Community zu werden. Ich fing mit einer billigen Kompaktkamera an, legte mir dann eine alte, gebrauchte Spiegelreflex zu und irgendwann eine teure, neue. Auch der Objektivpark wuchs mit. Wie einige andere User, die ich für ihre Arbeiten sehr bewunderte, verlegte ich mich darauf, Innenaufnahmen von Kirchengebäuden und anderen Denkmälern zu machen und den Wikimedia-Projekten frei zur Verfügung zu stellen.
Eigentümer geben meist Erlaubnis
Im Normalfall ist das Fotografieren von Kirchen lediglich aus eigentumsrechtlicher Sicht problematisch, was wir der „Sanssouci“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verdanken. Dessen für Eigentumsfragen zuständiger, fünfter Zivilsenat hatte im Zusammenhang mit einer Klage der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten entschieden, dass der Eigentümer eines Gebäudes nicht nur das Anfertigen, sondern auch die spätere Verwertung von Fotografien untersagen kann, die gegen seinen Willen von seinem Eigentum hergestellt wurden – vorausgesetzt, die Fotografien sind von dem Grundstück aus gemacht worden, auf dem sich das fotografierte Gebäude befindet.
Denkt man diese Entscheidung weiter, wird grundsätzlich jede innerhalb geschlossener Räume hergestellte Fotografie nur mit Erlaubnis des Eigentümers des jeweiligen Gebäudes verwertbar sein. Die Entscheidung ist in der Fachwelt auf erhebliche Kritik gestoßen, die allerdings bislang nicht zu einem Umdenken beim Bundesgerichtshof geführt hat. Im Kern bezieht sich die Kritik darauf, dass der Bundesgerichtshof durch diese Rechtsprechung letztlich ein aus dem Eigentumsrecht abgeleitetes, neues Immaterialgüterrecht geschaffen habe, wozu er nicht befugt gewesen sei.
Wie dem auch sei – jedenfalls ist der eigentumsrechtliche Aspekt im Regelfall einfach aus der Welt zu schaffen, nämlich indem man einfach bei der Kirchengemeinde um eine Fotoerlaubnis bittet, die man erfahrungsgemäß in den meisten Fällen auch ganz unproblematisch erhält. Hin und wieder waren meine Ansprechpartner skeptisch, manche antworteten auf meine Anfragen auch gar nicht. Viele aber waren erfreut und aufgeschlossen und erlaubten mir die Anfertigung der Fotos.
Auf Motivsuche: Wen und was darf man fotografieren?
Kölner Dom, blauer Himmel, Sonnenschein – ideale Bedingungen für ein schönes Bild. Nur steht vor der Kathedrale ein japanischer Tourist. Muss man um Erlaubnis bitten, bevor man ihn mit aufs Foto bannt? Darf man überhaupt den Dom fotografieren? Will man seine Aufnahmen veröffentlichen, sollte man die Antworten auf diese Fragen kennen. » mehr
Auch aus urheberrechtlicher Sicht werden sich in den meisten Fällen keine besonderen Probleme ergeben. Zwar handelt es sich bei einer Kirche – auch in Bezug auf ihren Innenraum – zumeist um ein Werk der Baukunst, sodass das Herstellen und Veröffentlichen von Fotografien typischerweise eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung darstellen wird. Das Problem stellt sich allerdings üblicherweise nicht, denn in den meisten Fällen wird der Architekt der Kirche bereits lange tot sein, so dass das Gebäude als architektonisches Werk – das Spezialproblem urheberrechtlich geschützter Einrichtungsgegenstände möchte ich hier nicht vertiefen – im Normalfall bereits gemeinfrei sein wird. Im Normalfall.
Die St.-Adalbert-Kirche in Berlin: Versuch einer Rechteklärung
Vor kurzem machte ich Innenaufnahmen der St.-Adalbert-Kirche in Berlin-Mitte. Die Kirche wurde in den 1930er Jahren erbaut: Die Grundsteinlegung war am 18. September 1932, die Weihe fand am 22. April 1934 statt. Ich wusste, dass die Kirche von dem Architekten Clemens Holzmeister gebaut wurde, hatte aber dessen Lebensdaten nicht im Kopf und ging zunächst davon aus, dass er schon länger als 70 Jahre tot sei und die Kirche damit urheberrechtlich gemeinfrei. Weit gefehlt. Bevor ich die Fotos hochlud, recherchierte ich die Lebensdaten Holzmeisters und fand heraus, dass er erst am 12. Juni 1983 starb. Sein Urheberrecht an der Kirche erlischt daher erst im Jahr 2054.
Falls die Erde sich dann noch dreht und auch ich dann noch lebe, werde ich deutlich über 70 Jahre alt sein. Da Innenaufnahmen von Gebäuden nicht unter die Panoramafreiheit fallen, bedarf die öffentliche Zugänglichmachung solcher Fotografien der Zustimmung des Urhebers. Ist der Urheber tot, so sind seine Erben die richtigen Ansprechpartner. Ich begab mich also auf eine (Google-)Suche nach den Nachkommen des Architekten – hoffend, dass diese auch gleichzeitig die Erben seiner Urheberrechte an der Kirche seien. Letzteres ist nicht zwingend, denn testamentarisch lässt sich auch anderes verfügen. Es stellte sich heraus, dass Holzmeister wohl österreichischer Staatsbürger war und dort auch zuletzt lebte.
Damit dürfte sich auch die Vererbung seiner Urheberrechte nach fremdem Recht richten – ein kleines zusätzliches Spezialproblem, das ich hier nicht weiter vertiefen will, zumal es dabei wohl auf die Rechtslage zum Todeszeitpunkt ankäme. Unterstellend, dass im Ergebnis wohl seine Kinder sein Urheberrecht geerbt haben dürften, begab ich mich auf eine entsprechende Recherche.
Holzmeister hatte wohl einige Kinder, von denen – nach dem, was ich in Erfahrung bringen konnte – einige schon verstorben sind, ihrerseits aber selbst wieder Kinder hinterlassen hatten. Einige leben wohl im europäischen Ausland, andere angeblich in Südamerika. Wo genau, ließ sich – jedenfalls mit meinen Mitteln – nicht feststellen. Ich schrieb einige E-Mails und versuchte näheres zu erfahren, leider ohne Erfolg. Nach einigen Tagen der Recherche gab ich auf.
Bis 2054 der Öffentlichkeit entzogen
Die Fotos liegen jetzt auf meiner Festplatte. Bis zum Jahr 2054 werde ich sie nicht auf Wikimedia Commons veröffentlichen können. Ich hoffe, dass ich (und meine Festplatte) dann noch rüstig genug sind, die Bilder Mitte des Jahrhunderts unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen. Sofern es das Projekt Wikimedia Commons dann überhaupt noch gibt.
Bis dahin wird es dem Leser des Wikipedia-Artikels über die Kirche unmöglich bleiben, sich einen bildlichen Eindruck vom Innenraum der Kirche zu machen. Der Genuss des Werks Clemens Holzmeisters wird denjenigen vorbehalten bleiben, die dafür nach Berlin kommen, um während eines Gottesdienstes die Kirche zu betrachten. Denn praktisch sind Kirchen – auch diese – heute so gut wie überhaupt nicht mehr geöffnet, allenfalls zum sonntäglichen Gottesdienst. Das Urheberrecht entzieht das architektonische Werk, das selbst mittlerweile über 80 Jahre alt ist, der Öffentlichkeit für noch weitere 40 Jahre. Die Kirche wird 120 Jahre stehen (sofern sie 2054 überhaupt noch steht), bevor man Fotos des Innenraums veröffentlichen darf. Das ist grotesk.
In Österreich erlaubt
Wem nutzen derart lange Schutzfristen? Der Urheber selbst ist tot. Hätte er etwas gegen die Veröffentlichung der Bilder einzuwenden? Ich denke nicht, denn eine besondere Ironie der Geschichte liegt darin, dass in Clemens Holzmeisters Heimat Österreich die gesetzliche Panoramafreiheit nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs („Adolf Loos I“, „Glasfenster“) auch Innenaufnahmen von Gebäuden abdeckt. Da das deutsche Urheberrecht österreichische Staatsbürger den deutschen Staatsbürgern aber vollständig gleichstellt, kommt es bei einer in Deutschland abrufbaren Veröffentlichung der Bilder alleine auf die Reichweite der Panoramafreiheit in Deutschland an. In diesem Fall ist sowohl ein deutscher Gerichtsstand gegeben, als auch deutsches Recht anwendbar.
Wir können Clemens Holzmeister nicht mehr fragen, ob er etwas gegen die Veröffentlichung einzuwenden hätte. Theoretisch fragen könnte man seine Erben – sofern die zu ermitteln sind. Durch die – mit Verlaub – absurd langen Schutzfristen gibt es mittlerweile mehrere Generationen potenzieller Erben, von denen mittlerweile wohl kaum einer von dem Werk seines Vorfahren überhaupt wissen wird, geschweige denn davon, dass er (Mit-) Erbe entsprechender Urheberrechte ist.
Darauf zu vertrauen, dass sich schon niemand an der Veröffentlichung der Fotografien stören wird, kann allerdings auch abseits des formalen Hinweises auf die Rechtswidrigkeit einer solchen Nutzung keine Lösung sein. Denn nehmen wir an, dass sich in einigen Jahren doch noch ein Rechteinhaber findet: Er könnte jederzeit für die jeweils letzten zehn Jahre der unrechtmäßigen Werknutzung eine angemessene Entschädigung verlangen, von weitergehenden Ansprüchen, etwa auf Unterlassung, einmal ganz abgesehen.
Lösungsansätze: Panoramafreiheit, Schutzfrist, verwaiste Werke
Wie ließe sich das Problem lösen? Auf verschiedene Weise: Zunächst einmal ließe sich darüber nachdenken, ob es wirklich geboten ist, Innenansichten von Bauwerken von der Panoramafreiheit auszunehmen. Eine Streichung oder Änderung der Regelung in Paragraf 59 Absatz 1 Satz 2 Urheberrechtgesetz („nur auf die äußere Ansicht“) könnte schon genügen. Denn nach meiner Kenntnis interessiert sich in der Praxis ohnehin kein Architekt dafür, ob Innenaufnahmen seiner Werke publiziert werden oder nicht. Da es in Deutschland unüblich ist, dass Architekten in der Praxis Innenaufnahmen ihrer Bauwerke nur gegen Geld lizenzieren, dürften ihnen durch eine Ausweitung der Panoramafreiheit auf Innenaufnahmen, wie es in Österreich schon geltendes Recht ist, auch keine finanziellen Einbußen drohen.
Alternativ könnte man natürlich auch darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll und geboten ist, eine Schutzdauer von 70 Jahren ab dem Tod des Urhebers zu gewähren. An dieser Stellschraube zu drehen, dürfte allerdings ungleich schwieriger sein, sind doch die Schutzfristen letztlich in europäischem Recht und völkerrechtlichen Verträgen (zum Beispiel Artikel 7 der revidierten Berner Übereinkunft: mindestens 50 Jahre nach dem Tod des Autors) angelegt, deren Änderung einen internationalen Konsens erforderte, der kaum zu erzielen sein dürfte.
Eine dritte Variante wäre schließlich die Lösung über eine Regelung für verwaiste Werke. Das sind solche Werke, deren urheberrechtliche Schutzfähigkeit noch nicht abgelaufen ist, deren Urheber oder gegenwärtige Rechteinhaber aber gegenwärtig nicht mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln sind. Solche Vorschriften kennt das geltende Recht schon und auch die Europäische Union hat sich mit der Thematik bereits in Form einer Richtlinie befasst.
Deren Anwendungsbereich ist allerdings denkbar eng und kann allenfalls einen Teilbereich des Umgangs mit verwaisten Werken abdecken. Insbesondere bezieht sich die Richtlinie nicht auf Werke der Baukunst und gestattet nur bestimmte Formen der Nutzung durch bestimmte Institutionen zu bestimmten Zwecken. Zudem ist die Nutzung der verwaisten Werke unter Umständen entgeltpflichtig, was eine Nutzung im Rahmen eines Freiwilligenprojektes wie Wikimedia Commons von vornherein verunmöglicht.
Regelungen, die niemand mehr versteht
In der Praxis hat sich die Erkenntnis, dass Innenansichten von neueren Gebäuden im Allgemeinen nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers veröffentlicht werden dürfen, leider noch nicht wirklich durchsetzen können. Vor einigen Monaten habe ich angefangen, mir einmal die entsprechenden Kategorien zu jüngeren Kirchengebäuden auf Wikimedia Commons anzuschauen und zumindest hinsichtlich einiger besonders klarer Rechtsverletzungen Löschanträge zu stellen.
Es hat nicht lange gedauert, bis ich in den Diskussionsforen als „Bilderstürmer“ angefeindet wurde, dem offenbar nur daran gelegen sei, das kulturelle Erbe der Gesellschaft vor der Allgemeinheit zu verstecken. Meine juristischen Erklärungsversuche führten teilweise zu ungläubigen Reaktionen, teilweise auch zu brüsker Ablehnung.
Die Community von Wikimedia Commons mag nun nicht unbedingt repräsentativ für die Gesellschaft insgesamt sein. Aber wenn die Rechtslage schon dem dortigen, einigermaßen verständigen Publikum kaum vermittelbar ist, dann fühle ich mich doch in meiner Ansicht bestätigt, dass das Urheberrecht im einen oder anderen Punkt eine Aktualisierung gut vertragen könnte.
16 Kommentare
1 Ringo am 28. November, 2016 um 16:35
Toller Beitrag. Gut geschrieben, sehr informativ und mit vielen interessanten Bezügen und Querverweisen auf verschiedene Baustellen des geltenden Urheberrechts. Eine insgesamt sehr gelungene Kritik, die meine volle Zustimmung verdient.
2 Flat Eric am 28. November, 2016 um 16:54
Vielen Dank für den Beitrag. Zu: “das Urheberrecht im einen oder anderen Punkt eine Aktualisierung gut vertragen könnte.”
Das könnte es, siehe die Diskussion über eine “Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke”. Aber leider kommt hier so wenig bis gar nichts, fast schon so wenig wie zu Zeiten Frau Leuthäuser-Schnarrenbergers und dem gequälten Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Deshalb meine Frage: Wie lautet die Einschätzung, wie lange wir uns mit dieser Form der Urheberrechts weiter rumärgern dürfen?
3 Christian am 29. November, 2016 um 09:20
Es ist wirklich ein Wahnsinn und sehr schade.
Danke für den sehr lesenswerten Artikel!
4 Norbert Fiks am 29. November, 2016 um 14:05
Ein sehr informativer Beitrag.
5 Lars am 29. November, 2016 um 14:12
Man kann durchaus Fotos von Innenräumen machen mit alleiniger Erlaubnis des Eigentümers, sofern es sich um Aufnahmen des normalen Betriebs handelt, im Falle von Kirchen z.B. Aufnahmen von Gottesdiensten etc. Kein Architekt besitzt ein Recht dazu, solche Aufnahmen zu verbieten.
6 Huberta Weigl am 29. November, 2016 um 18:13
Lars,
darum geht es nicht. Es geht hier um Architekturaufahmen.
Als Architekturhustorikerin finde ich den Artikel sehr spannend. Ich vermute, dass in zig wissenschaftlichen Publikationen eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde – es sei denn die Regelung gilt nicht für die Wissenschaft?
Herzlichen Gruß
Huberta Weigl
7 Ansgar Koreng am 29. November, 2016 um 18:30
Danke für Ihr Interesse, Frau Weigl. Für Wissenschaft gibt es in dieser Hinsicht leider keine gesonderte Schranke. Beste Grüße!
8 Alban Berg am 30. November, 2016 um 09:26
Wie es auf einem Friedhof neben den gepflegten zahlreiche Gräber gibt, um die sich niemand mehr kümmert, gibt es in der Kunst/Kultur auch sehr viele Werke, die nicht mehr gepflegt werden. Ein Kompromiss könnte deshalb darin bestehen, einem Entdecker solcher Werke die Veröffentlichung zu gestatten, wenn er nachweislich vergeblich versucht hat, die Rechteinhaber zu kontaktieren und solange, wie die Rechteinhaber keinen Einspruch erheben. Damit wäre der aktuelle Publizist – eine entsprechende rechtliche Regelung vorausgesetzt – des Risikos der Forderungen nachträglicher Entschädigung enthoben, ohne daß man dem Rechteinhaber seine Rechte für die Restlaufzeit des Urheberrechts bestreitet. Insbesondere in der Literatur gibt es ein riesiges Archiv vergriffener Titel, deren Veröffentlichung aufgrund des bestehenden Rechts unnötig blockiert wird und die sich auf diese Weise deblockieren liessen. Voraussetzung wäre, daß man das geistige Eigentum als etwas betrachtet, was nicht ausschließlich individuell verstanden wird. Das entspräche i.ü. auch dem theoretischen Kunstverständnis, wie es sich im 20. jhdt. entwickelt hat (zu dem die Auffassung der Künstler, was ihre Rechte betrifft, oft im Widerspruch stehen…)
AB
9 Dirk am 2. Dezember, 2016 um 09:00
Ich stimme nicht allem im Beitrag zu, denn auch ich als Fotograf bin Nutznießer des Urheberrechts und ganz froh über dies so, wie es gerade besteht. Man sollte erstmal davon ausgehen, dass es tatsächlich auch nocht Fotografen gibt, die versuchen, ihren Lebensunterhalt mit diesem Handwerk bzw. der Kunst zu bestreiten und nicht etwa an Wikipedia liefern wollen. Wobei das in keiner Weise die Bedeutung von Wikipedia in Frage stellen soll, aber sie sollte sich etwas differenzierter gerade mit dem Urheberrecht auseinander setzen, denn da hätten alle mehr von. So wird aber ausschließlich die Marktmacht genutzt, um das Urheberrecht in Frage zu stellen.
Hier wird ja in der Tat nur ein kleiner Teilbereich beleuchtet. Ich verstehe nicht ganz, warum es tatsächlich nötig ist, von allem Fotos zur Verfügung zu haben. Weil das Volk es so will und mit den Füßen abstimmt? Nur, weil es keine frei verfügbaren Fotos für die Wikipedia gibt, heißt es ja nun nicht, dass kein Mensch jemals ein Foto von Innenräumen der Gebäude sehen kann, die unter diese Einschränkungen fallen. Einem Anwalt hätte ich da eine differenziertere Betrachtung zugetraut.
Aber es geht in Österreich anders, noch viel einfacher und entspannender ist es in Großbritannien. Aber auch hier gibt es Einschränkungen, sogar bei der Panoramafreiheit außerhalb von Gebäuden (Beispiel wäre das “London Eye”) und ebenso ein paar Ausnahmen auch bei Innenräumen, die frei zugänglich sind, wenn sich auf Aufnahmen etwa besondere Teile eine Gebäudes befinden, deren Urheberrechte bei Architekten liegen (meines Wissens nach zB die Decke von Foster im Hof des Britischen Museums). Selbst bei uns gibt es Einschränkungen in der Panoramafreiheit – so durften und dürfen bis heute keine Fotos vom verpackten Reichstag in Berlin kommerziell genutzt werden (ob veröffentlicht, weiß ich grade nicht).
Eine ziemlich einfache Möglichkeit in unser heute so digitalisierten und vernetzten Welt wäre übrigens ein zentrales Register für Erben von Urheberrechten. Jeder Urheber sollte wissen, dass er Urheber ist – in der Regel. Man muss von Urhebern schlicht verlangen, dass sie Werke an ein Verzeichnis melden und Erben bestimmen. Die Erben müssten nach Eintritt des Erbfalls dafür sorgen, dass über das Register immer ihre Erreichbarkeit gesichert ist. Fotografen können sich somit an das Register wenden, das leitet Anfragen an die Erben weiter. Der Urheber zahlt für den Eintrag eine Gebühr und da alles elektronisch verarbeitet wird, dürfte die Pflege nicht sehr kostenintensiv sein. So wäre jedem geholfen.
Aber auch in dem hier oben geschilderten Falle wäre nicht gesichert, dass die Erben des Architekten, wären sie denn auffindbar gewesen, überhaupt ihre Zustimmung zur Veröffentlichung gegeben hätten. Das kann natürlich auch bei einer elektronisch vermittelten Anfrage nicht mit Sicherheit gewährleistet werden – nur der Aufwand, bis ein Kontakt besteht, ist bedeutend geringer.
10 Frau Lindner am 2. Dezember, 2016 um 16:08
An Frau Weigl und Herrn Koreng: In solchen Fällen könnte auch §51 UrhG einschlägig sein, wenn es um die inhaltliche Auseinandersetzung geht?
11 Robert Sander am 13. Dezember, 2016 um 09:03
Hallo Ansgar,
ich bin Mitglied der Kirchengemeinde, zu der auch St Adalbert gehört. Wenn Du möchtest, kann ich Dir gerne behilflich sein, die Rechte Deiner Bilder zu klären.
12 Ansgar Koreng am 9. Januar, 2017 um 16:52
Hallo Robert, danke, das ist nett. Ich bin auch Mitglied der Kirchengemeinde. Vielleicht wollen wir uns mal in Verbindung setzen? Auf jbb.de findest Du meine Kontaktdaten. Viele Grüße! ansgar
13 Andreas am 30. März, 2017 um 14:40
“In der Praxis hat sich die Erkenntnis, dass Innenansichten von neueren Gebäuden im Allgemeinen nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers veröffentlicht werden dürfen, leider noch nicht wirklich durchsetzen können.”
Das “leider” ist angesichts der absurden Gesetzeslage fehl am Platz. Es ist im Gegenteil zu begrüßen, wenn unsinnige und für das Allgemein ausschließlich schädliche Gesetze nicht weiter beachtet werden, solange niemandem damit geschadet wird.
14 Andreas am 30. März, 2017 um 14:40
Ich habe eine Silbe vergessen: “das Allgemeinwohl” war natürlich gemeint.
15 Peter am 9. September, 2018 um 11:35
Danke für den sehr lesenswerten Beitrag zu den Untiefen des Urheberrechtes, in die man auch ganz unabsichtlich hineinschlittern kann, wie beschrieben. Was Gemälde betrifft, ist es ganz ähnlich. Ein Gemälde in einer Privatsammlung bleibt der Öffentlichkeit verborgen, und darf noch nicht einmal bei Wikimedia Commons veröffentlicht werden, wenn der Maler nicht mindestens 70 Jahre tot ist, oder das Gemälde vor 1923 entstanden ist. Und eine Erbenermittlung ist, na ja, schwierig. Und dennoch veröffentlich z.B. Auktionshäuser munter alle Gemälde die vom Eigentümer, der ja meist nicht der Künstler ist, angeboten werden. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.
16 Max Mustermann am 11. August, 2021 um 10:33
Wie ist das eigentlich: Außenaufnahmen geschützter Kust von nichtöffentlichem Grund (ein Kirchengelände ist ein solcher) dürften dann auch nicht unter die Panoramafreiheit fallen? AufCommons sind es auch immer nur die wenigen Namen, die Löschanträge stellen. Mich vergrault das mittlerweile…
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