Die Quadratur des Kreises: Selbstregulierung im Darknet

Screenshot: Nutzerbewertungen für Drogenhändler auf „Nucleus Marketplace“
Sie heißen Alphabay, Nucleus Marketplace oder Hansa Market. 19 zur Zeit aktive Kryptomärkte listet Deepdotweb auf, eine Art Branchen-Blog der Darknet-Wirtschaft. In einer Liste der Diskussionsplattform Reddit sind es 15 Marktplätze.
Auf den digitalen Schwarzmärkten inserieren hunderte Händler ihre Produkte. Party-, Entspannungs- und Aufputsch-Drogen werden angeboten; sie machen den Löwenanteil des Handels aus. Auch verschreibungspflichtige Medikamente, Falschgeld, gehackte Kreditkartendaten, Ratgeber und Werkzeuge für Cyberkriminelle sowie zum Teil auch Waffen liegen in den digitalen Regalen.
Ermittler haben es in der digitalen Unterwelt schwer. Zahlungen sind meist nur in der schwer nachverfolgbaren Kryptowährung Bitcoin möglich. Die Plattformen sind nur für Nutzer des Anonymisierungsbrowsers Tor sichtbar, die Domains der Kryptomärkte tragen die inoffizielle Darknet-Endung .onion.
Dass der Staat größtenteils außen vor ist, bedeutet auch, dass er als Regulierungsinstanz ausfällt, wenn etwa ein Käufer vom Händler oder Marktplatzbetreiber geprellt wird. Um trotzdem das für Geschäfte notwendige Vertrauen zwischen den Beteiligten sicherzustellen, hat sich eine Reihe an Mechanismen der Selbstregulierung entwickelt.
Nutzerbewertungen und Multisignatur-Verfahren sollen Geschäfte absichern
Die meisten Kryptomärkte haben ein Feedback-System implementiert, wie es zum Beispiel auch von Amazon bekannt ist. Käufer können ein erworbenes Produkt bewerten. Verschicken Händler unwirksame Medikamentenfälschungen, stark gestreckte oder gar gefährlich verunreinigte Drogen, werden sie in Zukunft kaum mehr Kunden finden. Die Kommentare erscheinen allgemein sichtbar auf den Produktseiten sowie den Händlerprofilen.
Auch unerfahrene Käufer von Drogen können so die zu erwartende Qualität und die Seriosität des Händlers abschätzen. Das Händler-Vergleichsportal „Grams“ treibt das Prinzip auf die Spitze und trägt die Bewertungen von Händlern auf unterschiedlichen Marktplätzen zusammen.

Screenshot: Das Vergleichsportal „Grams“ listet „Top-Verkäufer“ und „Betrüger“ auf
Im März 2015 ging der seinerzeit populäre Krypto-Marktplatz „Evolution“ offline. Die Betreiber verschwanden mit den bei ihnen geparkten Bitcoins der Nutzer, nach Schätzungen im Wert von bis zu 35 Millionen US-Dollar. Solcher als „Exit Scam“ bekannter Betrug erschüttert das Vertrauen in die digitale Schattenwirtschaft.
Ein Multisignatur-Verfahren soll ähnliche Vorfälle zukünftig verhindern. Bei einem solchem Modell müssen mindestens zwei der drei Parteien Käufer, Verkäufer und Marktplatzbetreiber einer Bitcoin-Transaktion zustimmen, damit sie ausgeführt wird. Wird das Verfahren korrekt implementiert, wären Alleingänge betrügerischer Marktplatzbetreiber wie im Fall von Evolution erschwert.
Grenzen durch Produktpolitiken, Einigkeit gegen Kinderpornographie
Jeder Marktplatz hat sich auch eine eigene Produktpolitik gegeben: Die schwarze Liste nicht akzeptierter Geschäfte auf dem Kryptomarkt „Hansa Market“ zum Beispiel umfasst unter anderem Kinderpornographie, Waffen, Gift, Auftragsmorde, menschliche Organe und lebende Tiere. Alphabay, der aktuelle Platzhirsch unter den Darknet-Märkten, verbietet neben Kinderpornographie das Inserieren von Auftragsmorden und Prostitution.
Gefragt nach den moralischen Implikationen ihres Geschäfts, verweisen die Betreiber auf eine jeweils eigene Ethik. Der Administrator von Alphabay etwa sagt auf Anfrage, dass jeder für sein eigenes Tun verantwortlich sei. Zudem bedeute illegales Handeln nicht immer auch verwerfliches: „Kinderpornographie und Auftragsmorde sind unmoralisch, deswegen gestatten wir sie auf unserem Marktplatz nicht. Bei Drogen ist jeder für seinen eigenen Körper verantwortlich und gibt selbst seine Einwilligung, bevor er sie nutzt. Und bei den meisten Betrugs-Fällen tragen Banken die Verluste, und Banken zu bestehlen, ist nicht wirklich unmoralisch.“

Screenshot: Angebote auf dem Darknet-Marktplatz Alphabay
Beim Umgang mit Waffen unterscheiden sich die Produktpolitiken der einzelnen Marktplätze. Auf Alphabay beispielsweise dürfen sie verkauft werden, auf Hansa Market nicht. Bei einem Thema jedoch sind sich Darknet-Unternehmer und -Aktivisten einig: der Ächtung von Kinderpornographie.
„Gut“ und „böse“ anders verteilt
„Leider bietet die Anonymität des Tor-Netzwerks auch Pädophilen einen sicheren Hafen“, beklagt der Betreiber von Hansa Market. Das sei die Schattenseite, aber wie im echten Leben gebe es auch im Darknet „gut“ und „böse“. Auf allen Marktplätzen sind Bilder missbrauchter Kinder tabu. Unter dem Banner von „Anonymous“ kommt es immer wieder zu Hacker-Attacken gegen die von Pädophilen genutzten Foren und deren Nutzer.
Wie die Darknet-Bewohner die Grenzen zwischen gut und böse, zwischen ehrbar und betrügerisch ziehen, dürfte nicht jedem gefallen. Schaut man genauer hin, zeigt sich aber in jedem Fall, dass es in der digitalen Unterwelt zwar vordergründig rechtsfrei zugeht, aber noch lange nicht ohne Regeln.
2 Kommentare
1 verna am 18. Januar, 2016 um 09:13
1zu1 abgeschrieben von Golem.de
2 Redaktion iRights.info am 18. Januar, 2016 um 09:25
Nein, der Artikel ist auf golem.de zweitveröffentlicht.
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