Die Kommerzialisierung der Gifs
Animierte Grafikschnipsel prägen die Frühphase des Internets, aber auch seine Gegenwart: Google hat am Dienstag bekannt gegeben, die Gif-Plattform Tenor für eine nicht genannte Summe erworben zu haben. Tenor hat eine Datenbank mit angeschlossener Suchmaschine für Gifs aufgebaut und zählt nach eigenen Angaben rund 300 Millionen Nutzer.
Laut Google-Ankündigung soll die Übernahme dazu dienen, das Finden und Teilen von Gifs über die Bildersuche und andere Dienste des Unternehmens zu vereinfachen. Während Tenor als Firma vielen Nutzern unbekannt sein dürfte, haben viele ihre Dienste bereits genutzt. So greifen etwa Whatsapp, Twitter und der Facebook-Messenger über Schnittstellen auf die Tenor-Datenbank zurück, um Nutzern Gifs direkt in ihren Apps anzubieten.
Auch über spezielle Tastaturapps und ein Webarchiv lassen sich Gifs bei Tenor suchen und posten. „Gif“ ist dabei zum Sammelbegriff für alle Arten meist animierter Bilder geworden, mit denen Reaktionen, Gefühle und Kommentare beim Online-Austausch schnell und effizient übermittelt werden können. Technisch wird das namensgebende „Graphics Interchange Format“ zunehmend durch andere Formate abgelöst.
Datenbank mit Rechtsproblemen
Doch während Funktionen zum Posten von Gifs immer nahtloser in die gängigen Plattformen und Dienste integriert werden, dürften Urheberrechte an den Inhalten der Gif-Datenbanken zu weiten Teilen ungeklärt sein. Viele Animationen auf Tenor stammen von Nutzern, die diese beim Dienst hochgeladen haben.
Wie üblich weist das Unternehmen ihnen die Aufgabe zu, dabei Urheber- und andere Schutzrechte zu beachten. Doch nicht einmal Rechtsexperten sind sich über die Einordnung von Gif-Postings sicher – wenn sie sich überhaupt einmal damit befasst haben. US-Nutzer dürften nach dem Fair-Use-Prinzip oft noch gute Karten haben, sie ohne Rechtsprobleme zu veröffentlichen.
Für Nutzer in Europa hingegen dürfte es in den meisten Fällen unmöglich sein, Gifs aus fremden Inhalten rechtssicher zu veröffentlichen. Auch Einzelbilder aus Filmen sind in der Regel geschützt, Ausnahmen für Zitate oder Parodien eng. Gifs als Ausdrucksform und Kulturtechnik des Netzes wären nie entstanden, hätte sich jemand um Urheberrechte geschert.
Nutzer als natürliche Werbeträger
Dennoch sind bislang kaum Rechtsstreits um Gifs bekannt geworden. Wie viele Löschaufforderungen die Tenor-Datenbank erhält, ist ebenfalls nicht bekannt. Den Nutzern kommt die Werbewirkung entgegen, die Gifs etwa für Filmstudios und andere Rechteinhaber entfalten können. Sie sehen meist von weiteren Schritten ab, zumal ihnen kein ernsthafter Schaden entsteht.
Tenor arbeitet daran, diese Werbewirkung der Gifs zum Geschäftsmodell auszubauen. Das Unternehmen hat mit zahlreichen Inhalteanbietern Verträge geschlossen, etwa mit 20th Century Fox, Warner, Dreamworks und Netflix. Sie stellen die Grafikschnipsel zunehmend selbst über offizielle Kanäle zur Verfügung. Gegen Bezahlung werden sie etwa prominent zu bestimmten Suchanfragen ausgegeben. Werbekunden zahlen an Tenor pro geteiltem Gif.
Auch Tenor-Konkurrent Giphy verfolgt mit seiner Datenbank ähnliche Pläne. Giphy-Chef Alex Chung erhofft sich gar, mit animierten Gifs werde Werbung „zum Teil der Kultur, auf natürliche Weise zum Bestandteil eines Gesprächs“. Die Nutzer scheint es bislang nicht zu stören, solange auch die offiziellen, gesponsorten Gifs ansprechend und teilbar sind.
Einblick in die Gefühlswelt der Nutzer
Nicht uninteressant für Google dürften auch die bei Tenor entstehenden Daten sein: Das Unternehmen hat sich vorgenommen, einen „emotionalen Graphen“ zu entwickeln. Wenn sich die Gefühle der Nutzer genauestens kartografieren ließen, biete das Werbepartnern neue Möglichkeiten, potenzielle Kunden in der passenden Stimmungslage anzusprechen.
Mit einer Auswertung von GIF-Suchanfragen nach der Wahl Donald Trumps illustriert das Unternehmen etwa, wie sich die Gefühlswelt der US-Nutzer seitdem entwickelt habe.
Wie viel Marketingversprechen in Tenors „emotionalem Graphen“ steckt, muss sich noch zeigen. In jedem Fall haben Gifs einen bemerkenswerten Weg zurückgelegt: Vom anarchischen, meist illegalen Brauchtum der Netzkultur sind sie zum allgegenwärtigen Kommunikationsbaustein und zum hochgehandelten Träger für Werbung avanciert. Auch Google hat den Wert der unscheinbaren Grafikschnipsel nun erkannt. Und gerade Google dürfte es verstehen, diesen Wert noch zu steigern.
3 Kommentare
1 Dirk am 7. Januar, 2020 um 11:05
Grundsätzlich finde ich das Teilen von Gifs klasse und total witzig. Aber darf ich die Gifs von Giphy rechtliche tatsächlich auf Instagram posten?
2 Valie Djordjevic am 23. Januar, 2020 um 18:39
Das kommt darauf an unter welchen Lizenzen die Gifs stehen. Das kann man also nicht so ohne weiteres sagen. In manchen Ländern (nicht in Deutschland) gibt es Regelungen zu Fair Use, die eine private Nutzung auch auf sozialen Medien erlauben. Auf der anderen Seite gab es bisher unseres Wissens nach keine größeren Abmahnwellen wegen der privaten Verwendung von Giphy-Gifs.
3 Ralf Pioch am 3. März, 2020 um 14:21
Können die Gifs beispielsweise von Giphy kommerziell umsonst genutzt werden?
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