Die argentinische Regelung – Das Gesetz zum geistigen Eigentum 11.723
Das Gesetz zum geistigen Eigentum Nr. 11.723 ist eine alte Regelung aus dem Jahr 1933, das auf literarische, wissenschaftliche und künstlerische Arbeiten Anwendung findet. In einem vergleichenden Überblick über Gesetze, die geistiges Eigentum regeln, befindet Consumers International, dass die argentinischen Vorschriften in Bezug auf den Zugang zu Wissen und Kultur zu den schlechtesten der Welt gehören. Im Gegensatz dazu stellte die Handelsvertretung der USA in ihrem Sonderbericht 301 fest, dass das Gesetz korrekt sei, obgleich es Probleme bei der Einhaltung desselben gäbe.
Das Gesetz Nr. 11.723 ersetzte die vorher in Argentinien bestehende Regelung aus dem Jahr 1910, das Gesetz Nr. 7092, dem ersten argentinischen Gesetzestext zur Regelung der Autorenrechte. Bis dahin wurden entsprechende Rechtsstreitigkeiten durch die Anwendung der Verfassung und des Bürgerlichen Gesetzbuches gelöst. Die Verfassung ist direkte Vorläuferin des Gesetzes Nr. 11.723, da sie in Artikel 17 angibt, dass „jeder Autor oder Erfinder ausschließlicher Eigentümer seines Werkes, seiner Erfindung oder seiner Entdeckung ist, entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen”.
Ein reines Eigentumsrecht
Diese Regelung findet ihre Vorlage in Artikel 1, Absatz 8, der 1787 verabschiedeten US-Verfassung, in der sich der Kongress die Befugnis erteilt, „den Fortschritt von Kunst und Wissenschaft dadurch zu fördern, dass Autoren und Erfindern für beschränkte Zeit das ausschließliche Recht an ihren Publikationen und Entdeckungen gesichert wird”. Im Gegensatz zur US-Verfassung übergeht die argentinische Bestimmung jedoch das Ziel der Förderung der Künste und der nutzbringenden Wissenschaften und macht das Autorenrecht zu einem reinen Eigentumsrecht.
„Das heiligste, das persönlichste allen Eigentums” – so sagte Le Chapelier in seinem Bericht, der dem Dekret vom Januar 1791 vorausging, mit dem die verfassunggebende Versammlung der Französischen Revolution den Autoren das Recht der öffentlichen Aufführung ihrer Werke zuerkannte. Vor allem in Frankreich und Deutschland wurde das Urheberrecht während des 20. Jahrhunderts meist als Besitz- und Eigentumsrecht behandelt. Im Laufe der Zeit und mit der Vertiefung der dazugehörigen Rechtslehre und Rechtssprechung sah sich das Konzept zunehmend der Kritik ausgesetzt, die wie folgt zusammengefasst werden kann:
- Das Werk ist keine Sache, deshalb ist der Besitz desselben anderen Regeln unterworfen als bei einem Sacheigentum.
- Das Urheberrecht erwächst aus dem kreativen Akt der Erschaffung eines Werkes und nicht aus den klassischen Formen des Besitzerwerbes eines Sacheigentums.
- Die Dauer der Ausübung des rechtlichen Monopols ist zeitlich begrenzt, sie ist nicht unbegrenzt wie im System des materiellen Eigentums.
- Das System der Ko-Autorenschaft unterscheidet sich vom System des Mitbesitzes.
- Für das im Urheberrecht verankerte Urheberpersönlichkeitsrecht gibt es im Besitz- und Eigentumsrecht keine Entsprechung.
- Es gibt keine vollständige Übertragung der Urheberrechte, denn das Werk ist immer das Werk seines Schöpfers, es verlässt z. B. nie die Sphäre der Persönlichkeit des Autors, unabhängig von den Entfremdungen, die sich ergeben können.
Ausgehend von der Kantischen Philosophie über die Rechte des Autors als Recht der Persönlichkeit des Erschaffers, ging Deutschland dazu über, das anzuerkennen, was heutzutage als „Urheberpersönlichkeitsrecht” bekannt ist. Als Rechtsdoktrin hat sich diese Tendenz in Frankreich während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgebildet.
Danach gab es weitere Theorien, wie die der Rechte über immaterielle Güter, die von dem Belgier Edmond Picard entwickelt wurde. Er argumentierte, dass den Autoren ein Recht sui generisauf ihre Werke anerkannt werden müsse. Dieses müsse dem Wesen nach der großen Gruppe der sogenannten „Sachenrechte” zugerechnet werden.
Das argentinische Gesetz greift auf diese Theorien zurück. Senator Sánchez Sorondo erklärte in seiner Gesetzesvorlage: „Die Konzeption des argentinischen Rechts, wie auch der Projekte, die es reformieren sollen, schreibt dem Urheberrecht die Eigentumsnormen und -begriffe des Zivilrechts zu, wenn auch mit einigen Vorbehalten und Begrenzungen, die sich aus dem Wesen des Urheberrechts selbst ergeben”. So greift der Gesetzgeber die Normen spanischen und portugiesischen Ursprungs auf und beansprucht seinerseits die Vermögensrechte der Urheber auf die Werke.
Das argentinische Gesetz schützt in besonderem Maße das Werk statt den Rechteinhaber. Dadurch nähert es sich der Logik des common lawan, das heißt der Seite des Copyrights. Auch wenn es keinen besonderen Abschnitt über Urheberpersönlichkeitsrechte gibt, ergeben diese sich aus verschiedenen Artikeln der argentinischen Regelung, die insbesondere die Urheberschaft und die Integrität des Werkes betreffen.
Ein anachronistisches Gesetz
Im Laufe der Jahre haben sich die Gesetze in praktisch allen Ländern der Welt von der eigentumsbezogenen Urheberrechtskonzeption entfernt. Im argentinischen Recht ist diese Konzeption nicht verändert worden, obwohl in Frage gestellt wurde, ob dieses Konzept dem Rahmen der Urheberrechte zugehörig ist – trotz verschiedener Gesetzesänderungen. Die seit 1933 vertretene Konzeption macht das Gesetz in vielerlei Hinsicht einzigartig, insbesondere in Bezug auf die direkten Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und den Zugang zu Kultur.
Das Gesetz gibt unter anderem an, dass „das geistige Eigentum von den Bestimmungen des Zivilrechts geregelt wird” (Art. 12), wodurch den Rechteinhabern alle Eigenschaften des Eigentumsrechts verliehen werden, die nicht durch Gesetze begrenzt sind. Hierin wurzelt die Strenge des argentinischen Gesetzes, dessen Materie anachronistisch und das als solches einzigartig in der Welt ist. Dieses Problem besteht seit der Verabschiedung der nationalen Verfassung und führt analog im Gesetz 11.723 dazu, dass es für die Verbreitung und den Zugang zu Kunst und Wissen für die Bevölkerung nachteilig ist.
Dies zwingt uns dazu, über eine Anpassung nachzudenken, die über bloße kosmetische Veränderungen des Gesetzestextes hinausgeht. Es bedarf einer umfassenden und tiefgreifenden Debatte über das juristische Wesen des Urheberrechts und die heutige Anwendung jedes seiner Konzepte. Auch darüber, welche Antwort diese hundert Jahre alte Norm auf die Herausforderungen der neuen Technologien bereithält. Gleichzeitig ist eine vollständige Modernisierung der Systeme, mit denen wir den Zugang zu Kultur ermöglichen, austauschen und fördern, dringend erforderlich.
Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt), der in Argentinien Verfassungsrang genießt, erkennt allen Menschen das Recht auf Bildung und Teilhabe am kulturellen Leben zu. Ebenso erkennt es den Autoren Rechte zu, aber diese Anerkennung passt überhaupt nicht mit den Bestimmungen des nationalen Gesetzes zusammen. Der UN-Sozialpakt gesteht den Autoren das Recht auf ein angemessenes Lebensniveau zu, was nicht notwendigerweise bedeutet, ihnen ein lebenslanges Monopol auf ihre Werke zuzuerkennen (vgl. Comité de Derechos Económicos, Sociales y Culturales 2005, PDF). Entsprechend hält es die UN-Menschenrechtscharta, die in ihrem Artikel 27 das Recht auf den Genuss der Künste und die Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften sowie auf eine gerechte Anerkennung der Beiträge von Autoren und Erfindern zum kulturellen Leben anführt.
Diese Übereinkünfte zeugen von einem Gleichgewicht, das den Menschen die Teilhabe am kulturellen Leben ermöglicht. Dieses Gleichgewicht ist in Argentinien verloren gegangen. Wer versucht, frei an den Künsten teilzuhaben, wird als kriminell bezeichnet und von einem Gesetz bedroht, das extrem rückständig ist und einer umfassenden allgemeinen Revision bedarf, die es uns ermöglicht, ein passenderes und gerechteres System der Urheberrechte für die vollständige Ausübung unserer Grundrechte zu schaffen.
Beatriz Busaniche ist Dozentin für Kommunikationswissenschaften an der Universität Buenos Aires. Für die Organisation Via Libre fördert sie Debatten über Freie Software, Zugang zu Wissen und andere Themen, die eng mit den sozialen Auswirkungen der Nutzung neuer Technologien zusammenhängen. Dieser Beitrag erschien zuerst im ReaderArgentina Copyleft! Neue Spielregeln für das digitale Zeitalter? Ein Blick nach Argentinien, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung.Er steht unter der Creative-Commons-Lizenz BY-NC-SA.Aus dem Spanischen von Lars Stubbe.
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