Der Streit um die Sieben-Tage-Regelung ist ein Kampf um Verträge und Vergütungen

Alles im Netz – unbegrenzt und jederzeit verfügbar, wer wünscht sich das nicht? Bei den Öffentlich-Rechtlichen allerdings ist nicht unbegrenzt angesagt, sondern sieben Tage – so lange dürfen öffentlich-rechtliche Inhalte grundsätzlich im Netz stehen, dann müssen Sie aus den Mediatheken verschwinden. Mit dieser sogenannten Sieben-Tage-Regelung wollte der Gesetzgeber unter anderem verhindern, dass die Öffentlich-Rechtlichen im Internet eine de facto staatlich subventionierte Konkurrenz für private Medienhäuser werden. Nun aber werden die Stimmen immer lauter, die fordern, öffentlich-rechtliche Sendeinhalte unbegrenzt ins Internet zu stellen.
Die Produzenten, die den Öffentlich-Rechtlichen die Sendeinhalte liefern, laufen gegen diese Forderungen Sturm: Diese Pläne bedrohen ihr Geschäft – warum sollten die Sender einen Beitrag nochmals senden, der frei im Netz steht, warum sollte man eine DVD kaufen, wenn der Beitrag im Netz kostenlos erhältlich ist? Wenn Produktionen für unbegrenzte Zeit im Internet landen, geht es den deutschen Produzenten wie den Opfern von Raubkopierern: Jede freie Kopie senkt die Einnahmen. Die Öffentlich-Rechtlichen sehen sich im Recht: Die Sendungen, die man unbegrenzt ins Netz stellen wolle, seien bereits von Gebührengeldern bezahlt, und immer mehr Zuschauer konsumierten die Filme im Netz und nicht im Fernsehen. Dem müsse man Rechnung tragen. Das klingt plausibel – und ist irrelevant.
Das ist so, als würden Raubkopierer argumentieren, der kopierte Film habe bereits seine Kosten eingespielt – der Raubkopierer bleibt ein Raubkopierer, auch wenn er eine Kinokarte gekauft hat. Auch das Argument, dass man heute eben nicht mehr ins Kino gehe, sondern Filme am Rechner schaut, ist kein Persilschein für einen illegalen Download.
Online-Rechte sind ein wertvolles Gut, sie verschaffen den Rechteinhabern Gewinne und reduzieren den Absatz aus anderen Vertriebskanälen – aus der Tatsache, dass es den Sender mehr oder weniger nichts kostet, einen Film im Internet bereit zu stellen, kann man nicht einfach das Recht ableiten, dies auch zu tun.
Über Nutzungsrechte entscheiden einzig die Verträge
Ob die öffentlich-rechtlichen Sender das Recht haben, Filme unbegrenzt ins Internet zu stellen, ist nicht Ansichts-, sondern Rechtssache. Entscheidend sind einzig die Verträge, welche sie mit den Produzenten ausgehandelt haben. Hier beginnt die juristische Grau- und Gefechtszone: Die Öffentlich-Rechtlichen sehen die Onlinerechte als Bestandteil der Vergütungsabkommen, die Produzenten sprechen von einer einseitigen Ausweitung bestehender Verträge, Urhebern und Produzenten werde dieses Recht „…meist durch einseitige Vertragserweiterungen vergütungsfrei weggenommen…“, so die Arbeitsgemeinschaft der Dokumentarfilmer (PDF).
Nun kann man argumentieren, dass solche rechtlichen Probleme bei bestehenden Verträgen auftreten können und im Zweifelsfall vor Gericht gehören. Für jeden neuen Vertrag, jedes neue Projekt könnte man diese Streitigkeiten umgehen, indem man klare Eigentums- und Senderechte vertraglich fixiert. Damit sollte dieses Problem doch vom Tisch sein. Oder? Möglicherweise nicht.
Alleine 2011 kamen 47 Prozent des Auftragsvolumens deutscher Produzenten von öffentlich-rechtlichen Sendern, bezogen auf die Umsätze waren es 62 Prozent (PDF). Das wirft eine schwierige Frage auf: Kann ein Produzent sich den Vertragsforderungen der Öffentlich-Rechtlichen verweigern? Kann er auf Zahlungen für Mediathek-Angebote bestehen, wenn er weitere Aufträge erhalten will? Man muss vermuten, dass die Öffentlich-Rechtlichen Nachfragemacht haben. Schlimmstenfalls ist man als Produzent den öffentlich-rechtlichen Auftraggebern ausgeliefert. Und wo das Recht des Stärkeren gilt, droht Fairness das erste Opfer zu werden.
Der beste Schutz vor Marktmacht ist Qualität
Selbst der Gesetzgeber hat erkannt, dass Medienschaffende oft eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Medienhäusern haben, weswegen das Urhebervertragsrecht seit 2002 kollektive Vergütungsregeln kennt, um Unwuchten in der Verhandlungsmacht zu lindern. Doch man hört wenig davon, wie erfolgreich diese Regelung bisher gewesen sei.
Eine andere Idee, Abhilfe zu schaffen, ist vermutlich ebenso wenig geeignet: Höhere Subventionen an Produzenten würden letztlich bei den Öffentlich-Rechtlichen landen. Der Produzent reicht die Subvention in Form finanzieller Zugeständnisse an die Öffentlich-Rechtlichen weiter, die Filmförderung fördert dann die Finanzen der Öffentlich-Rechtlichen, nicht die Produzenten.
Was bleibt, ist wenig Trost: Wettbewerbsprobleme lassen sich nur durch Wettbewerbspolitik lösen – und solange ARD und ZDF eine solche Marktmacht haben, hilft den Produzenten nur eines: Sie müssen Produkte machen, welche die Sender unbedingt haben wollen – aus dieser Position der Stärke heraus kann man besser verhandeln. So banal das klingt: Der beste Schutz vor Marktmacht ist Qualität.
3 Kommentare
1 Herbert Neugebauer am 6. März, 2015 um 19:14
Dem Beitrag fehlt eine Differenzierung. Hier wird praktisch nur über Filme gesprochen, ähnliches trifft auch auf Sport-Übertragungen zu. Ja, wenn es weitere Verwertungswege gibt, wenn also eine Sendung (hier Film) nicht ausschließlich über die Gebühren finanziert wurde, dann kann das Material auch nicht kostenfrei einfach in den Mediatheken zur Verfügung gestellt werden. Das sehe ich ein. Kino-Filme, für die nur die Ausstrahlungs-Rechte gekauft wurden, klar, die können nicht über die Mediathek frei gestellt werden.
Tatort oder ähnliches … da bin ich mir schon nicht mehr so sicher… gibt es dort weitere Einnahmen/Verwertung?
Anders ist es jedoch bei den sehr vielen Inhalten, für die es keine weitere Verwertung gibt, die ausschliesslich und zu 100% aus den öffentlichen Geldern finanziert sind. Und die trotzdem nach 7 Tagen gelöscht werden müssen. Das halte ich für absolut falsch und einen Irrsinn.
Kultur- und Wissenschafts-Sendungen, Magazine und auch Comedy oder Kabarett-Sendungen, … vieles davon 100% aus Gebühren finanziert, und trotzdem kann ich mir das nicht anschauen, wann ich will.
Das muss sich ändern!!!
Auch dazu könnten die vielen Millionen Überschuss verwendet werden, Aufbau guter Mediatheken, die mit den Tera- und bald Peta-Bytes an Material sauber umgehen können.
2 Hanno Beck am 6. März, 2015 um 19:36
Hallo Herr Neugebauer,
offenbar ist Ihnen der eine Absatz durchgerutscht: Es ist irrelevant, wer wieviel bezahlt hat,entscheidend ist,was in den Verträgen vereinbart ist. Die Öffentlich-Rechtlichen können nicht einfach einseitig Verträge einseitig zu ihren Gunsten uminterpretieren. Oft ist in den Preiskalkulationen auch die Zweitverwertung schon berücksichtigt. Auch Hollywood-Filme haben bisweilen nach der Kino-Verwertung ihre Kosten eingespielt -was nicht bedeutet, dass die Kino-Betreiber nun mit den Filmen machen können, was sie wollen.
Ansonsten gilt nach wie vor das gleiche Argument: eine öffentlich-rechtliche,de facto staatliche subventionierte Konkurrenz im Internet zerstört die Geschäftsaussichten der privaten Medienhäuser. Und ich würde ungerne auf FAZ,Süddeutsche, Zeit, Spiegel etc. verzichten.
3 Jf am 6. März, 2015 um 23:08
Es geht um Auftragsproduktion mit vorgegeben Themen und Budgets. Wie soll da ein Produzent durch Qualität Produkte machen, die die Sender unbedingt haben wollen?
Dann geht der Auftrag eben an einen anderen…
Was auch nicht erwähnt ist, die Drehbuchentwicklung wird traditionell aus den zusätzlichen Gewinnen einer Produktionsfirma finanziert.
Fallen diese (selten vorkommenden) Einnahmen weg, ist noch weniger Geld für Drehbücher vorhanden und die Qualität sinkt. (Weiter).
Was sagen Sie dazu?