Der Kampf um Adblock Plus (Update)

Grafik via Wikimedia Commons, Nnemo
Internet-Werbeblocker sind nichts Neues. Bereits 1999 hatte das Programm „Web Washer“ für Furore gesorgt, das mit einigen einfachen Filterregeln Werbebanner auf Webseiten identifizierte und herausfilterte. Webseiten wie Focus Online versuchten gar daraufhin solche Programme zu blockieren, doch die Aufregung legte sich schnell wieder: Kaum jemand verwendete das Programm, Werbeblocker blieben lange ein Nischenprodukt für Technikfans.
Im Jahr 2015 hat sich die Lage geändert. Mittlerweile spüren auch Webseiten, die sich an ein breites Publikum richten, den vermehrten Einsatz der Werbeblocker. Ein Drittel der Nutzer filtern Werbebanner aus, Technik-Seiten berichten von weit höheren Quoten. Der prominenteste Vertreter der Branche ist Adblock Plus des Kölner Unternehmens Eyeo.
Vom Hobby zum Geschäft
Die Firma hatte Adblock Plus 2011 vom Hobby-Produkt zum Geschäft gemacht. Statt nur von Spenden zu leben, lässt sich Adblock Plus von Werbern bezahlen. Die müssen versprechen, nur noch „nicht-nervende“ Werbung zu schalten, und können ihre Werbung dann durch den Filter schleusen. Die Regeln sind streng: So ist animierte Werbung verboten, Werbebanner dürfen keine Inhalte verdecken und müssen auch klar erkennbar sein. Für die Aufnahme auf diese Whitelist müssen Unternehmen einen Teil des Werbeumsatzes an Eyeo zahlen.
Von der Werbebranche wurde Geschäftsführer Till Faida zunächst ignoriert. Doch nach und nach konnte die Firma einige Werbeanbieter von ihrem Angebot überzeugen. Das Geld nutzte Adblock Plus dafür, den Werbeblocker weiter zu verbreiten. So gehören mittlerweile Schwergewichte wie Google, Amazon und United Internet mit seinen Marken wie Web.de und GMX zu den zahlenden Kunden. Wie viel Eyeo einnimmt, hält das Unternehmen geheim. In nur vier Jahren wuchs das einstige Zwei-Mann-Unternehmen auf über 30 Mitarbeiter und stößt mit einer Partnerschaft mit dem in China verbreiteten Browsers Maxthon in den dortigen Markt vor.
Doch das Geschäft zwischen Werbern und dem Werbeblocker basiert nicht auf gegenseitiger Liebe. So warf Google eine Android-Version von Adblock Plus, die auch Werbung in anderen Apps blockierte, kommentarlos aus seinem App Store. United Internet versuchte seine Nutzer mit einer Warnung vor vermeintlich schädlichen Erweiterungen zur Deinstallation von Adblock Plus zu bringen. In Podiumsdiskussionen werfen Vertreter der Werbebranche Faida gar „Mafia-Methoden“ vor.
Appelle an die Nutzer
Lange zögerte die Branche, rechtlich gegen Eyeo vorzugehen. So versuchten mehrere Redaktionen im Mai 2013 mit einem Appell die Nutzer zumindest auf ihren Seiten zum Abschalten der Werbeblocker zu bewegen. Doch Adblock Plus unterband die Aktion recht schnell: Die entsprechenden Banner wurden nach wenigen Stunden ausgefiltert. Einige Leser schalteten den Adblocker ab, doch viele andere installierten ihn.

Wer Werbeblocker nutzte, bekam bei Pro Sieben 2014 einen Appell von „Stromberg“ zu sehen. Screenshot: prosieben.de
Zwar haben einige Webangebote mittlerweile auch mit Adblock Plus Verträge geschlossen. Doch selbst wenn Eyeo auf seine Gebühren verzichtet, können sie mit der „nicht-nervenden“ Werbung nur wenige Einnahmen erzielen. Viele Angebote versuchen andere Einnahmequellen als Werbebanner zu erschließen. Zahlreiche Medien führen Paywalls ein, das IT-Nachrichtenportal Golem.de startete ein werbefreies Abomodell, die Plattform Krautreporter finanziert sich komplett durch Crowdfunding. Deutlich mehr Angebote setzen auf neue Werbeformen wie „Native Advertising“ oder „Content-Marketing“, bei der die Werbebotschaften in Form von Artikeln statt Werbebannern vermittelt werden.
Inzwischen sind mehrere Medienunternehmen gegen Adblock Plus vor Gericht gezogen: Prosieben-Sat.1 und RTL klagen in München, Axel Springer in Köln, Zeit Online und das Handelsblatt in Hamburg. Auch der Süddeutsche Verlag will sich der Klagewelle anschließen. Ihr Vorwurf: Adblock Plus behindere den fairen Wettbewerb. „Der Deal zwischen Anbietern und Nutzern ist, dass man die Inhalte entgeltfrei erhält, wenn man dafür Werbung zulässt“, erklärt der Hamburger Anwalt Stefan Engels, der Prosieben-Sat.1 vertritt. „Schließlich finanzieren die Werbegelder diese Angebote.“ Würde Adblock Plus weiter wachsen, müssten insbesondere kostenfreie Videoplattformen ihren Betrieb einstellen, es blieben nur noch Bezahlangebote online.
Mit Wettbewerbs- und Urheberrecht gegen Adblocker
Die Aussichten der Kläger auf ein schnelles Adblock-Verbot sind schlecht – schließlich hatte der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2004 die prinzipielle Rechtmäßigkeit von Werbeblockern bestätigt. Allerdings ging es dort um einen kaum genutzten Werbeblocker für das Fernsehen. Auch dürfte es den Klägern schwerfallen, ein direktes Wettbewerbsverhältnis zu Eyeo zu begründen.
Deshalb greifen sie Adblock Plus auf mehreren Ebenen an: Wenn sie die Werbeblockade nicht ganz verhindern können, wollen sie zumindest die kostenpflichtige Whitelist verhindern und Eyeo so den Geldhahn abdrehen.
Ein Argument von Prosieben-Sat.1 ist auch das Urheberrecht. Gegenüber iRights.info erklärt Stefan Engels: „Beim Abruf einer Webseite läuft zwischen Browser und Server ein komplexes Frage-und-Antwort-Spiel ab. Diesen gesamten Vorgang sehen wir als ein urheberrechtlich geschütztes Programm, in das Adblock Plus unzulässig eingreift.“ Wenn sich die Richter dieser Argumentation anschließen, könnten viele Browser-Plugins in Deutschland verboten werden.
Update, 30.9.2015: Adblock Plus vor Gerichten erfolgreich, doch Fortsetzung wahrscheinlich
Die Landgerichte in Köln (September 2015), München (Mai 2015) und Hamburg (April 2015) haben mittlerweile zugunsten von Adblock Plus entschieden und die Klagen der Mediengruppen Prosieben-Sat.1 und RTL bzw. der Verlage Springer und von Zeit/Handelsblatt abgewiesen. Der Anbieter Eyeo handele nicht wettbewerbswidrig und beteilige sich auch nicht an Urheberrechtsverletzungen, wenn Nutzer Webseiten ansehen, die per Werbeblocker verändert wurden, so etwa das Hamburger Gericht. Die Sender böten ihre Webseiten für die Öffentlichkeit frei zugänglich und ohne Registrierungs- oder Anmeldepflicht an. „Die User, die die klägerischen Videos anschauen, verhalten sich bereits aus diesem Grunde rechtmäßig“, heißt es in der Entscheidung. Der Streit dürfte dennoch anhalten: Weitere Verfahren sind möglich, daneben haben Verlage und Sender zum Teil bereits angekündigt, in Berufung zu gehen.
13 Kommentare
1 agtrier am 20. März, 2015 um 13:50
Ich hätte ja nichts dagegen, auf häufig besuchten Webseiten (dem der Tageszeitung z.B.) den AdBlocker abzuschalten, wenn die Anbieter dafür sorgten, dass die Werbung nicht vom Inhalt ablenkt, sich plötzlich in’s Bild schiebt, blinkt und aufblitzt, etc. etc. pp.
Tun sie aber nicht. Und solange bleib ich bei meinem AdBlock (es muss übrigens nicht unbedingt AdBlock Plus sein – es gibt noch andere… :-)
ag.
2 Giesbert Damaschke am 20. März, 2015 um 14:51
Das ist aber mal ein wirklich origineller Ansatz: „Beim Abruf einer Webseite läuft zwischen Browser und Server ein komplexes Frage-und-Antwort-Spiel ab. Diesen gesamten Vorgang sehen wir als ein urheberrechtlich geschütztes Programm, in das Adblock Plus unzulässig eingreift.“
3 jn-t am 20. März, 2015 um 21:21
Ich denke auch, dass die Werbetreibenden selbst schuld sind. Ich selbst habe lange keinen Adblocker genutzt, einfach weil ich durchaus verstehen kann, dass Unternehmen durch Werbung ihre kostenlosen Inhalte refinanzieren wollen…
Irgendwann wurde es mir dann aber zu Bund, die ständigen Layer-Werbungen, Links im Text, die beim rüberscrollen Pop-Ups öffneten, Musik, die einfach irgendwo gespielt wurde, Animationen, die vom Lesen ablenken…
Ich versuche, bei einigen Angeboten den Ad-Blocker auszuschalten. Sofern ich die Werbung dann nicht übermäßig nervig finde, bleibt der auch aus.
4 Tim am 21. März, 2015 um 11:07
Thema Urheberrechtsschutz: Die Website-Betreiber wollen also, daß Browser ihre Website immer genau so interpretieren, wie sie ursprünglich gemeint war?
Na, viel Vergnügen. Eine Totgeburt, diese Klage.
5 Elias am 21. März, 2015 um 14:51
Was leider immer wieder vergessen wird: Werbeblocker sind eine wirksame Sicherheitssoftware, die den Computer vor destruktiven und kriminellen Angriffen schützt. Es kam immer wieder zur Verteilung von Schadsoftware über eingeblendete Werbebanner externer Werbevermarkter, und das selbst auf sehr renommierten Websites. Ein Werbeblocker unterbindet diesen Angriffsvektor an der Wurzel und macht ganz nebenbei das Web schneller, genießbarer und schöner. Wer zu dieser Kombination “nein” sagt, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
6 PrivacyStuff am 21. März, 2015 um 18:30
Mal vom rechtlichen ganz abgesehen: Was bringt es den Klägern diese Klage durchzuziehen?
Da gibt es einen Werbeblocker der erfolgreich ist und der aber manche Werbung durchlässt, wenn Sie nicht nervt. Ich selber nutze Adblock PLus übrigens und habe noch keine Werbung gesehen, btw. trotz dieser Option. Denke auch, dass man mcih danach gefragt hat bei der INstallation.
Meinen die Kläger denn, dass die Leute, die jetzt Adblock PLus verwenden, wieder zu Werbekunden werden? UIch nehme doch einfach einen anderen Werbeblocker und gut ist. Liebe Leute…das ist das Internet. Get used to it!
Klassischer Fall von Chance vertan.
7 Ecke am 22. März, 2015 um 10:16
viel wichtiger ist doch. dass ABP nicht nur werbebanner blockiert, sondern das gesamte Tracking im Hintergrund, das man ohne ABP garnicht merken würde. Finde DAS eher illegal. man wird auf Klick und Schritt verfolgt, die Cookies übermitteln den Werbetreibenden dann exakte Bewegungsprofile.
über diesen Eingriff in die Privatsphäre wird in dieser ganzen Diskussion leider so gut wie nie gesprochen. allein deshalb werde ich nie wieder auf einen adblocker verzichten. es geht doch nicht nur um die sichtbare Werbung.
8 Siegfried am 23. März, 2015 um 09:15
Ich benutze Werbeblocker. Nicht speziell ABP, aber Andere. Auch Noscript ist, neben seiner allgemeinen Sicherheitsfunktion, im Ergebnis eine Art Werbeblocker. Noch gründlicher wird es mit einem allgemeinen Blocker für Bilder, den ich ebenfalls möglichst oft verwende. Werbung ist mir einfach irgendwann mal zu viel geworden. Wenn ich vor lauter Werbung keine Inhalte mehr finde, dann kann ich mir die Seiten auch ganz sparen.
Das Argument mit der Finanzierung über Werbung ist so zu kurz gedacht. Werbung ist zu billig. Hier sind vor Allem auch die Webseitenbetreiber gefragt. Werbung auf Webseiten ist heute eine Billigst-Massenware. Aufmerksamkeit kann man in der schieren Menge an Werbung nur noch mit noch nervenderer Werbung erzielen. Eine Spirale, die ins Chaos führt. Wenn kleine, vernünftig plazierte Werbebanner ausreichend bezahlt würden, und die Webseitenbetreiber nicht so gierig wären, könnte Werbung auf Webseiten wieder ein Geschäftsmodell werden. ABP könnte eventuell dafür sorgen. Ansonsten: Werbung, nein Danke.
9 [Werbung gelöscht] Christoph am 7. April, 2015 um 11:47
Hallo,
es ist ein Teufelskreis. Jede Firma steht im Wettbewerb und damit auch jede Menge Werbeagenturen, die kurzfristig mit “möglichst wenig” Geld die denkbar bestmöglichsten Ergebnisse erzielen sollen.
Und unscheinbare Werbung wirkt nicht, wenn sie zu sehr auffällt, dann blockieren die Benutzer die….
Ob es schon eine Möglichkeit gibt, dass diese Werbung aus den Videos blockiert wird? Denn meine persönliche Erfahrung sagt, dass diese Technik in der stark zunimmt und bei mir nicht blockiert wird
10 Nephalem am 8. September, 2015 um 17:42
Es ist doch spannend, wie konsistent die Aussagen allein auf dieser Seite sind.
Man ist sich einig darüber, dass die platzierte Werbung derart aufdringlich ist, dass man als Nutzer kaum eine Wahl hat als mit Werbeblocker Webseiten zu besuchen.
Schadsoftware wurde ebenfalls genannt und ist ein Aspekt, der durch entweder Unwissen, Unwillen oder Gier zu wenig thematisiert wird.
Bei Werbetreibenden, namentlich mal Twitch oder Youtube, die unter anderem für die Massen an Medienproduzenten Werbung schalten, bemerkt man eine nicht so große Belästigung. Außerdem erhält man durch die Produzenten einen anderen Eindruck der Wichtigkeit von Werbung.
Viele viele andere Portale geben einem aber kaum die Chance, auch nur ansatzweise Konzentration auf den Inhalt zu legen.
Wobei das wohl eine subjektive Ansicht ist. Schließlich kann einem bei jeder nicht überspringbaren Werbung auch von kurzer Dauer der Magen umdrehen.
11 Uwe M. am 31. März, 2016 um 13:32
Mir wurde noch nie ein Vertrag zur Zustimmung vorgelegt, in dem geregelt ist, dass ich kostenlose Inhalte sehen darf, wenn ich Werbung erlaube.
Abe mir geht es gar nicht um die Werbung, die auch schon mal ordentlich nerven kann.
Mich ärgert das Tracking ungemein. Im echten Leben kann man einer Person per Gerichtsverfügung das ständige Nachlaufen und beobachten untersagen. M.E. nach gehört das Tracking verboten. Jeder der dennoch dabei erwischt wird, sollte gehörig zur Strafzahlung gebeten werden.
Niemand hat das Recht auf meinem Computer Festplattenplatz kostenfrei in der Form der Speicherung von Dateien zu nutzen, die zum Vorteil von Dritten schnüffeln , spionieren, melden etc. Zu solchem Tun habe ich niemals meine Zustimmung erteilt.
12 fuzzle am 2. April, 2016 um 04:14
meistens wird leider nicht erwähnt das die Installation eines Ad Blockers ja selbstgewählt ist, wenn man so will direktes Feedback der Menschen wie und wo sie das Internet nutzen wollen. Und allein aus diesem Grund muss jede Klage in Deutschland scheitern die freie Abrufbare Information in meinem Sinne parsed und rendert.
Was sagen Sie dazu?