Der Gesetzgeber schweigt
Weder der europäische, noch der deutsche Gesetzgeber hatte 2014 ein gesteigertes Bedürfnis danach, sich weiter auf das hochgradig verminte Feld des Urheberrechts mit seinen diversen Lobby- und Interessengruppen zu wagen. So reichte es in Deutschland gerade einmal für eine zarte Änderung, der Entfristung des Paragrafs 52a des Urheberrechtsgesetzes. Diese von eigentlich allen Seiten als unzulänglich empfundene Vorschrift regelt die Nutzung geschützter Materialien für Forschung und Lehre und sollte eigentlich Ende 2014 außer Kraft treten. Doch zu einer Neuregelung kam es nicht, stattdessen wurde beschlossen, dass der ungeliebte Paragraf weiterhin gilt.
Ohnehin hat sich die schwarz-rote Regierung in Sachen Urheberrechtsreform laut Koalitionsvertrag nicht gerade viel vorgenommen. Angekündigt wurde dort unter anderem ein „bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik“ sowie eine „umfassende Open-Access-Strategie“. Hiervon fehlt bislang jede Spur.
Leistungsschutzrecht vor dem Aus?
Als Verlierer des Jahres dürften dagegen die Presseverleger gelten, die jahrelang massiv für das umstrittene Leistungsschutzrecht gekämpft und sich in der VG Media organisiert haben. Nach Forderungen der Verwertungsgesellschaft, die in erster Linie durch wenig glückliche Kommunikation aufgefallen ist, hatte Google angekündigt, ab Ende Oktober Vorschauinhalte von Mitgliedern der VG Media nur noch als Überschriften darzustellen. Auf Vorschaubilder (Thumbnails) und kurze Textanrisse (Snippets) wollte der Suchmaschinenanbieter – ganz nach den Vorgaben des Leistungsschutzrechts – verzichten. Daraufhin knickten die Verlage ein. Bis auf wenige Ausnahmen verzichteten sie vorläufig auf ihre Forderungen und räumten der Suchmaschine gratis das Recht ein, Verlagsinhalte auf Google News und den Suchseiten des Konzerns darzustellen.
Zu diesem „außergewöhnlichen Schritt“ sah man sich „angesichts der erheblichen Marktmacht Googles gezwungen“. Anderenfalls drohten Umsatzeinbußen, die zu „weiteren Insolvenzen führen können“. Wie hoch diese Einbußen tatsächlich waren, konnte man bei Springer feststellen. Dort hatte man über einen Zeitraum von zwei Wochen vier Angebote wie Welt.de und Computerbild.de bei Google ohne Snippets und Thumbnails laufen lassen und dabei ein Traffic-Minus von fast 40 Prozent, bei News sogar von 80 Prozent festgestellt.
Ironischerweise dürfte diese Entwicklung vor allem Google nutzen und deren Geschäft fördern. Denn eine Ausnahmegenehmigung wurde nur dem Suchgiganten erteilt, für alle anderen Suchmaschinen gilt sie ausdrücklich nicht. Dass diese Kapitulation allerdings tatsächlich das Ende des Leistungsschutzrechts bedeutet, wie von einigen Seiten bereits frohlockt wurde, muss bezweifelt werden. Zum einen laufen derzeit noch Klagen und zum anderen ist nicht unwahrscheinlich, dass noch einmal die nationale oder gar die europäische Politik in den Ring steigt und auf die derzeitigen Entwicklungen mit einer Verschärfung der Rechtslage zugunsten der Verlage reagiert.
Verlinken erlaubt
Von großer praktischer Auswirkung waren 2014 zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einigen seit vielen Jahren ungeklärten Fragen: der Zulässigkeit der Einbindung fremder Inhalte über Framing und des Setzens von Hyperlinks.
Im Rahmen des sogenannten Svensson-Urteils musste der EuGH über eine Vorlage aus Schweden entscheiden: In ihrem Online-Auftritt hatte eine schwedische Zeitung ihre Artikel frei zugänglich veröffentlicht. Die Zeitung wollte einem Internetunternehmen verbieten, von seiner Seite Hyperlinks auf die Artikel der Zeitung bereitzustellen. Zu Unrecht, wie nun der EuGH entschied. Denn allein die Bereitstellung solcher Links stelle keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Unionsrechts dar.
Vielmehr gäbe es keinen Schutz gegen das Setzen von Hyperlinks auf uneingeschränkt zugängliche Online-Inhalte. Dies gelte zumindest dann, wenn durch die Verknüpfung grundsätzlich das gleiche Publikum angesprochen werde, wie bei der ursprünglichen Veröffentlichung (EuGH, Urteil vom 13.02.2014, Az. C-466/12). Ein ähnliches Urteil hatte der Bundesgerichtshof bereits 2003 mit der „Paperboy“-Entscheidung getroffen (BGH, Urteil vom 17.07.2003, Az. I ZR 259/00). Nunmehr herrscht in dieser wichtigen Frage auch auf europäischer Ebene weitgehende Rechtssicherheit.
Framing zulässig
Wichtig war diese Entscheidung als Basis eines weiteren EuGH-Urteils, das sich mit der Zulässigkeit von Framing, beziehungsweise mit dem Einbetten von fremdem Content beschäftigt. In dem Ausgangsfall hatte die Klägerin einen kurzen Film zum Thema Wasserverschmutzung herstellen lassen, der bei Youtube hochgeladen wurde. Diesen hatte die Beklagte auf der Website des eigenen Unternehmens eingebunden und damit den Eindruck erweckt, es handele sich um ein eigenes Werk. Das Gericht erklärte diese Technik, die millionenfach etwa in sozialen Netzwerken oder Blogs genutzt wird, für grundsätzlich zulässig und dürfte so für spürbare Erleichterung bei den Nutzern von Youtube & Co gesorgt haben. Rechteinhabern und Urhebern dürfte die Entscheidung dagegen gar nicht gefallen.
Nach Ansicht der Richter ist das Einbetten eines bereits veröffentlichten urheberrechtlich geschützten Werkes nicht als öffentliche Wiedergabe zu betrachten und stellte demnach keine Urheberrechtsverletzung dar. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass der fremde Inhalt weder für ein neues Publikum, noch durch ein anderes technisches Verfahren wiedergegeben werde. Da aber Zielgruppe eines im Netz veröffentlichten Videos grundsätzlich jeder Internetnutzer sei, könne durch die weitere Verwendung ohnehin keine neue Zielgruppe angesprochen werden. Andererseits stellt die Entscheidung keine völlige Freigabe für die Nutzung aller fremden Inhalte via „embedded link“ dar. Offen ist insbesondere noch die Frage, wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, wenn zum Beispiel ein Video gegen den Willen des Rechteinhabers ins Netz gestellt wurde.
Sieg für Rechteinhaber
Doch auch den Rechteinhabern wurde 2014 ein lange gehegter Wunsch erfüllt, für den Film- und Musikindustrie über viele Jahre mit erheblichem Aufwand gekämpft hatten: Der EuGH entschied, dass Internet-Provider grundsätzlich verpflichtet werden können, Webseiten mit rechtswidrigem Inhalt zu sperren (EuGH, Urteil vom 27.03.2014, Az. C-314/12). Das ursprüngliche Verfahren dieser Entscheidung hatte sich noch auf Kino.to bezogen. Nach der Schließung dieses Angebots ging es vor allem um die Frage, ob Netzsperren in ähnlichen Fällen zulässig sind. Dies bejahte der EuGH, ohne allerdings darzulegen, wie derartige Blockaden technisch aussehen sollen.
Ob und welche Folgen dieses Urteil für Deutschland und Europa hat, ist derzeit noch offen. In Österreich, wo das Verfahren seinen Ausgang genommen hatte, sorgt es jedenfalls für viel Ärger und Verwirrung unter den Access-Providern. So ist beispielsweise unklar, ob die Einrichtung von relativ leicht zu umgehenden und damit weitgehend sinnbefreiten DNS-Sperren ausreicht oder eine Blockade auf IP-Ebene notwendig ist, die ihrerseits Kollateralschäden nach sich ziehen könnte. Unterdessen entschied beispielsweise das Oberlandesgericht Köln in einem vergleichbaren Fall völlig anders. Danach sind Access-Provider nicht dazu verpflichtet, Netzsperren für Angebote einzurichten, die Links auf widerrechtlich angebotene Musikalben enthalten (Az. 6 U 192/11).
Ein Blick voraus
Glaubt man den Ankündigungen des neuen EU-Kommissars für digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, so möchte er die kommenden zwei Jahre intensiv der Reform und Angleichung des Urheberrechts in Europa widmen. Schon Ende 2015 soll ein Entwurf dieser Reform vorliegen, die nicht weniger anstrebt, als eine Balance zu finden zwischen den Interessen der Nutzer und der Urheber beziehungsweise Eigentümer von Werken. Es könnten spannende Zeiten werden.
Dieser Text erscheint in „Das Netz 2014/2015 – Jahresrückblick Netzpolitik“. Das Magazin versammelt mehr als 70 Autoren und Autorinnen, die einen Einblick geben, was 2014 im Netz passiert ist und was 2015 wichtig werden wird. Bestellen können Sie „Das Netz 2014/2015“ bei iRights.Media.
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