David Schraven: „Die Beamten wollen die Kontrolle über ihre Dokumente um jeden Preis.”
Hintergrund: Am 11. März mahnte das Verteidigungsministeriums die WAZ-Mediengruppe ab. Diese hatte im November Berichte der Bundeswehr zum Afghanisten-Einsatz veröffentlicht. Referatsleiter Christian Raab rügte die Publikation, weil laut Urheberrechtsgesetz nur der Urheber bestimmen kann, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Die Veröffentlichung sei daher rechtswidrig. Der WAZ-Gruppe wurde eine Frist zur Löschung der Dokumente aus dem Netz gesetzt, die bereits verstrichen ist. Die WAZ-Gruppe hat die Erklärung bislang nicht unterzeichnet und die Dokumente nicht aus dem eigenen Angebot entfernt.
iRights.info: Gibt es Anhaltspunkte, warum das Bundesverteidigungsministerium so lange brauchte, um gegen die Veröffentlichung vorzugehen?
David Schraven: Nein, ich habe keine. Zunächst wurde der Vorgang heruntergespielt. Es hieß zunächst, dass Ministerium würde selber alles veröffentlichen. Jetzt versucht das Amt, die Dokumente aus dem Netz zu entfernen. Dieser Widerspruch leuchtet mir nicht ein.
iRights.info: Da die Dokumente überall im Web verstreut sind, lässt sich die Verbreitung nicht mehr eindämmen. Wie sinnvoll erscheint in diesem Zusammenhang die Forderung des Bundesverteidigungsministeriums?
David Schraven: Ich glaube, dem Ministerium geht es hier um einen Grundsatz. Die Beamten wollen die Kontrolle über ihre Dokumente um jeden Preis. Dabei ist ihnen jedes Mittel recht.
iRights.info: Inwiefern sind die geleakten Dokumente überhaupt urheberrechtlich schutzfähig?
David Schraven: Meiner Ansicht nach handelt es sich hier um Papiere, für die kein Urheberecht geltend gemacht werden kann. Die Dokumente gehören allen Menschen in Deutschland, da sie von allen Menschen in Deutschland bezahlt worden sind und in die sie Einsichtsrechte nach dem Informationsfreiheitsgesetz haben. Das Ministerium hat die Papiere zu unrecht klassifiziert, um sie der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Um diesen Missbrauch der Geheimstempelung zu zeigen, war es nötig, die Papiere zu veröffentlichen.
iRights.info: Wie wurde die Abmahnung begründet?
David Schraven: Die Abmahnung wurde mit dem Urheberecht begründet. In meinen Augen ist diese Begründung Quatsch. Und damit nichtig.
iRights.info: Beschneidet das Veröffentlichungsverbot die Pressefreiheit?
David Schraven: Die Pressefreiheit an sich wird sicher nicht gefährdet. Denn es ist jederzeit möglich, aus den Papieren zu zitieren. Allerdings wird die Weiterentwicklung des Journalismus behindert. Denn es wird in Zukunft immer häufiger drauf ankommen, dass Reporter die Schlussfolgerungen ihrer Texte anhand von Originaldokumenten nachvollziehbar und beweisbar machen – solange Quellen nicht gefährdet werden.
Es ist eben etwas anderes, wenn ein Reporter behauptet, ein Ministerium führe die Öffentlichkeit in die Irre, oder wenn er diese Behauptung anhand von Originaldokumenten belegt. Diese Evolution des evidenzbasierten Journalismus wird durch das Ministerium angegriffen. Statt das Amtsgeheimnis mit Hilfe des Urheberrechtes durchzusetzen, sollte das Ministerium sich in den Dienst der Öffentlichkeit stellen und möglichst alle Papiere veröffentlichen, die nicht unmittelbar Soldaten gefährden.
iRights.info: Die in der Abmahnung festgesetzte Frist für die Entfernung aller Papiere bis zum 27. März ist abgelaufen. Hat die WAZ-Gruppe ein weiteres Schreiben erhalten?
David Schraven: Bis jetzt noch nicht.
iRights.info: Bis zur welchen Instanz plant man zur eigenen Verteidigung vorzugehen?
David Schraven: Das hängt ganz davon ab. Ich selbst bin entschlossen, mich entschieden gegen den Missbrauch des Urheberrechtes zu wehren.
iRights.info: Sollten solche mit Hilfe von Steuermitteln erstellten Dokumente überhaupt geschützt werden?
David Schraven: Meiner Ansicht nach gehören die Papiere den Menschen in Deutschland und sie haben ein Recht darauf, diese zu lesen und zu verstehen. Ich glaube nicht, dass Regierungsdokumente vor der Einsicht durch Bürger geschützt werden dürfen. Im Gegenteil. Sie müssen offen gelegt werden.
iRights.info: Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Vorfall für künftige Leaks?
David Schraven: Ich hoffe, das mehr und bessere Papiere veröffentlicht werden. Damit der beweisführende Journalismus in Deutschland durchgesetzt werden kann.
iRights.info: Solche Leaks ließen sich auch außerhalb Deutschlands, sozusagen „offshore” durchführen.
David Schraven: Nein, wir wollen in Deutschland arbeiten und frei sein. Wir müssen und dürfen uns nicht verstecken. Vor niemanden.
iRights.info: Wenn die Verbreitung solcher Dokumente übers Urheberrecht kontrolliert wird, könnte jede Behörde frei darüber bestimmen, wer ihre Informationen veröffentlichen darf. Welche Konsequenzen hätte das für Journalisten?
David Schraven: Der Zugang zu Informationen muss ungehindert und frei sein. Da Unterlagen der Regierung sowieso allen gehören, darf die Regierung nicht darüber bestimmen, wer die Dokumente wie publiziert. Die Regierung selbst hat sie in geeigneter Form offen zu legen. Die Reporter können, sollen und dürfen sie frei und ungehindert aus- und verwerten.
iRights.info: Die Antwort auf die Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) lautete, deutsche Soldaten könnten durch die Informationen gefährdet werden. Könnte man das als Falschaussage verstehen? Gibt es diesbezüglich Pläne der WAZ-Gruppe?
David Schraven: Nein, wir planen derzeit keine juristische Auseinandersetzung mit dem Ministerium. Dass die Beamten Quatsch erzählt haben, kann jeder nachlesen. Diese Blamage reicht erst mal.
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