„Das ist mein Film, Ihr Schneckenhirne!“
Nach über 500 veröffentlichten Youtube-Videos habe ich bestimmt über 50 falsche Beschwerden über angebliche Urheberrechtsverletzungen erhalten. Manchmal auch für Lieder, die beim Upload des Videos noch gar nicht erschienen waren.
Besonders dreist ist nun aber eine Urheberrechtsbeschwerde, die sich gegen ein Kasperle-Video im Kanal meiner achtjährigen Tochter (bei Erstellung des Videos sieben Jahre alt) richtet. Und darüber regt sie sich zu Recht ziemlich auf:
Das ganze ist eine alte Masche: Man nimmt Standard-Musikschnipsel aus gängigen Programmen, klickt sich daraus ein Lied zusammen, meldet es beim Youtube-Content-ID-System an – und schon erkennt Youtube, wenn Ähnliches in hochgeladenen Videos vorkommt. Als angeblicher „Urheber“ kann man dann bei diesen Videos Anzeigen schalten lassen und erhält so die Einnahmen.
In dem Kasperle-Video meiner Tochter soll von Minute 4:23 bis 4:53 ein „urheberrechtlich geschützter Inhalt“ aus einem „Song“ namens „Ezequiel Yaya Ariel Medina RMX“ enthalten sein. Youtube schreibt, „[Merlin] Symphonic Distribution“ habe Beschwerde eingelegt. An anderer Stelle heißt es „visueller Inhalt“. Was genau gemeint ist, ist nicht klar – aber es könnte auch der Film an der Stelle gemeint sein. Es handelt sich um einen simplen Generator von „Final Cut Pro X“ und damit um alles andere als eine Urheberrechtsverletzung. Und die Musik ist von Tochter selbst geklimpert, nur ein paar Töne. Beim vermeintlichen Urheber scheinen solche Beschwerden zum Geschäftsmodell zu gehören.
Aber auch Youtube ist hier nicht ganz unschuldig: Eine Meldung, worin genau denn nun die Urheberrechtsverletzung bestehen soll, gibt es nicht. Wer genau die Beschwerde eingereicht hat, ist auch nicht klar. Kein Link zu einer Webseite, kein Link zu einem Katalog, nichts. Die Google-Suche findet irgendetwas, aber ganz klar ist das alles nicht – Ezequiel Yaya scheint ein DJ zu sein. Und bei Youtube ist man als Nutzer erst einmal eingeschüchtert, der Link zum Widersprechen der behaupteten Urheberrechtsverletzung ist nicht wirklich deutlich.
Wir haben unserer Tochter immer gesagt, dass man keine fremden Inhalte verwenden darf. Dass sie selbst der Urheber ihrer Werke ist, aber keine fremden Werke veröffentlichen darf. Wie wirkt das auf Kinder, wenn andere behaupten, ihr Werk enthalte Urheberrechtsverletzungen? In diesem Fall hier konnten wir Eltern das alles erklären. Aber wie soll das vor allem bei etwas älteren Kindern ein Bewusstsein für das Urheberrecht schaffen, wenn sie so damit konfrontiert werden?
Links:
Nachtrag: In der Zwischenzeit wurde der Urheberrechtsanspruch zurückgezogen. Allerdings ist die Meldung von Youtube ziemlich falsch, denn die Behauptung ist: zurückgezogen, da der Widerspruch – den ich im Namen unserer Tochter eingelegt habe – innerhalb von 30 Tagen von der Gegenseite nicht geprüft wurde. Allerdings sind noch lange keine 30 Tage vergangen, die Urheberrechtsbeschwerde kam erst gestern und den Einspruch habe ich daher auch erst gestern eingelegt. Wortlaut von Youtube:
Good news! Your dispute wasn’t reviewed within 30 days, so the copyright claim on your YouTube video has now been released by [Merlin] Symphonic Distribution.
Video title: “KASPERLE UND VIELE ANDERE”
Zuerst veröffentlicht auf Alvar Freudes Blog: Urheberrechtsbetrüger machen auch vor Kinderfilmen nicht halt. Lizenz: CC BY-NC-SA.
1 Kommentar
1 Elias am 6. Mai, 2015 um 01:16
Ich kann nach meinen eigenen Erfahrungen nur davon abraten, überhaupt etwas zu YouTube hochzuladen. Nein, nicht nur wegen einiger »Klitschen«, die scheinbar kein seriöses Geschäftsmodell haben und deshalb Vermarktung fremder Videos ausprobieren, sondern auch wegen Googles YouTube, dass solche »Ansprüche« selbst bei völlig offensichtlicher Gegenstandslosigkeit für derartig halbseidene Geschäftemacher durchsetzt, selbst wenn man in freundlichem Ton darauf hinweist.
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