Das Fediverse – die bessere Social-Media-Welt?
Der eine oder die andere mag bereits über das Wort Fediverse gestolpert sein und sich gefragt haben: Welcher Hype ist das denn nun wieder? Alternative Social-Media-Plattformen, die allen gehören – geht das überhaupt?
Das Wort Fediverse ist ein Kofferwort aus den englischen Begriffen „Federation“ (deutsch: Vereinigung, Bund) und Universe (deutsch: Universum). Gemeint sind damit eine Reihe von Diensten für typische Social-Media-Aktivitäten: zum Beispiel Mastodon zum Versenden und Abonnieren von Kurznachrichten – ähnlich wie bei Twitter – oder PeerTube zum Veröffentlichen von Videos.
Eine Liste der wichtigsten Anwendungen finden Sie im Abschnitt „Diese Plattformen gibt es im Federation“. Alle Dienste des Fediverse haben eins gemeinsam: Jeder ist für sich unabhängig und dezentral organisiert, aber alle können untereinander kommunizieren.
Damit soll ein neues Social-Media-Universum entstehen, das die negativen Folgen der Zentralisierung und Kommerzialisierung vermeidet, die sich derzeit bei den etablierten Plattformen zeigen.
Zu den mobilsicher-Texten zu bekannten Fediverse-Ablegern geht es hier: Mastodon – das bessere Twitter? und hier: PeerTube – das bessere YouTube?
So funktioniert das Fediverse
Bei den unterschiedlichen Angeboten des Fediverse handelt es sich zunächst einmal um Software. Im Fall von Mastodon zum Beispiel um ein Programm, mit der man einen Kurznachrichtendienst ähnlich wie Twitter betreiben kann. Diese Software ist quelloffen, das bedeutet, jeder und jede kann den Programm-Code lesen und nutzen.
Wer möchte, kann sich damit einen eigenen Mastodon-Server einrichten – mit dem Ergebnis, dass es nicht einen einzigen Mastodon-Betreiber gibt, sondern tausende davon. In der Fediverse-Welt spricht man bei diesen einzelnen Betreibern und Betreiberinnen von einzelnen „Instanzen“. Dadurch gibt es niemanden, der für alle Nutzer und Nutzerinnen die Regeln diktieren kann, wie das etwa bei Facebook oder Twitter der Fall ist.
Am Beispiel Mastodon erklärt bedeutet das: Jeder Betreiber und jede Betreiberin einer Mastodon-Instanz kann eigene Regeln aufstellen. So findet man beispielsweise bei mastodon.technology überwiegend Leute, die sich gern über Technologie-Themen austauschen, bei mastodon.art treffen sich Kunstinteressierte.
Man wählt also eine Instanz aus, die einem zusagt – und kann dennoch mit Mitgliedern anderer Instanzen problemlos kommunizieren. Sogar ein Instanz-Wechsel ist möglich, man kann die eigenen Daten dann einfach mitnehmen.
Dasselbe Prinzip gilt auch für die anderen Fediverse-Anwendungen, zum Beispiel der YouTube-Alternative PeerTube.
So sind die Angebote verbunden
Die Nutzer und Nutzerinnen verschiedener Instanzen eines Dienstes können miteinander in Kontakt sein. Das ist in etwa vergleichbar mit E-Mail-Anbietern: auch hier müssen die Beteiligten nicht alle beim selben Anbieter registriert sein, können aber dennoch untereinander kommunizieren.
Oft funktioniert das sogar über verschiedene Dienste hinweg: Mit einem Mastodon-Konto kann man beispielsweise auch einem Konto bei PeerTube folgen.
Der Schlüssel zu dieser Kompatibilität untereinander ist ein gemeinsames Protokoll, das die Angebote des Fediversums nutzen. Ein Protokoll ist eine Art Regelwerk, das festlegt, auf welche Art und Weise und in welchen Schritten ein bestimmter Prozess bei Software abzulaufen hat.
Die Dienste und Anbieter des Fediverse nutzen dazu zum Beispiel ein Protokoll namens ActivityPub. Das ActivityPub-Protokoll regelt Aktivitäten wie das Erstellen, Ändern und Löschen von Inhalten sowie das Austauschen von Nachrichten und Inhalten zwischen Servern.
Es ist also ein Protokoll für typische Social-Media-Aktivitäten. ActivityPub gibt es schon lange, aber seit 2018 ist es ein Standard des World Wide Web Consortiums – was unter anderem bedeutet, dass man sich auf stabile Schnittstellen verlassen kann. Seitdem sind viele neue Angebote entstanden und das Fediverse gewinnt zunehmend an Relevanz.
Diese Plattformen gibt es im Fediverse
An Plattformen gibt es im Fediverse ganze Reihe, sodass wir hier nur eine Auswahl nennen:
- Mastodon / Pleroma / GNU Social: Micro-Blogging Dienste (ähnlich wie Twitter)
- PeerTube: Anschauen und Veröffentlichen von Videos (ähnlich wie YouTube)
- Friendica / Diaspora: Soziale Neztwerke (ähnlich wie Facebook)
- PixelFed: Ansehen und Austauschen von Bildern (ähnlich wie Flickr, Instagram)
- WriteFreely / WordPress: Blogging-Dienste
- Funkwhale: Zum Streamen und Tauschen von Musik
- Nextcloud: Cloud-Dienst zum Selbsthosten
Dies ist nur eine Auswahl der bekannteren Dienste. Zahlreiche weitere sind beispielsweise bei fediverse.party aufgelistet.
Wie viele Instanzen und Nutzer das Fediverse hat, weiß niemand – schließlich gibt es keine zentrale Meldestelle. Es gibt aber verschiedene Ansätze, das neue Universum zu kartografieren – besonders schön und anschaulich umgesetzt zum Beispiel auf auf www.fediverse.space. Kennt man keine Namen, klickt man einfach die Sterne und erhält dann Informationen zu der jeweiligen Instanz.
Die Vorteile auf einen Blick
Das Fediverse bietet also eine Alternative zu Diensten wie Facebook, YouTube, Twitter und Co., die sich durch die ganz andere Eigenschaften auszeichnen:
- Sie werden jeweils von einem zentralen Anbieter betrieben, oft in Monopolposition. Der jeweilige Betreiber kann die Regeln allein festlegen.
- Da es sich um kommerzielle Anbieter handelt, sind die Dienste auf Profitmaximierung ausgelegt: Das bedeutet Werbung und Datensammelei aller Art, sowie Algorithmen zur Maximierung der Nutzungsdauer. Diese Algorithmen neigen dazu, extreme Inhalte positiv zu selektieren.
- Kommerzielle Anbieter halten ihre Nutzerinnen und Nutzer im jeweiligen Dienst „gefangen“. Eine Kommunikation über Plattform-Grenzen hinweg ist nicht gewünscht und selten möglich. Damit kann sich keine Konkurrenz etablieren und es gibt keine Wahlmöglichkeiten.
Durch seine dezentrale und gleichzeitig miteinander kompatible Struktur hat das Fediversum ein Stück weit einen Weg gefunden, vom Netzwerkeffekt zu profitieren (mit allen Freunden kommunizieren), ohne dass sich dabei Monopole bilden.
Der Haken am Fediverse: Gewinn lässt sich mit dieser Struktur kaum machen. Damit fallen nachteilige Effekte wie Werbung und Datensammelei zwar weg – auf Dauer könnte damit aber auch ein Anreiz fehlen, Fediverse-Angebote zu betreiben.
Momentan finanzieren sich die verschiedenen Angebote in der Regel aus Spenden. Nicht selten zahlen Betreiber von Instanzen jedoch auch finanziell drauf, obwohl sie bereits die ganze Arbeit mit der Serververwaltung zu bewältigen haben.
Die Schattenseite des Fediverse
Im Juli 2019 trat „Gab“dem Fediverse-Universum in Form einer Mastodon-Instanz bei. Gab war bis dahin eine eigenständige Plattform, die für ihr rechtsextremes Publikum bekannt ist. Gab bildet seit seinem Beitritt die mitgliederstärkste Instanz auf Mastodon.
Damit muss sich die Fediverse-Bewegung mit der Schattenseite des föderalen Konzeptes auseinandersetzen: Wie umgehen mit Mitgliedern, die radikal von der Gründungsidee abweichen und Hass propagieren, ohne dabei Pluralität und Meinungsfreiheit einzuschränken?
Die Mastodon-Entwickler haben sich in einem Blogpost eindeutig zu dem Gab-Beitritt positioniert. Viele Instanzen blockieren die Gab-Instanz mittlerweile, in den Apps Tusky (Android) und Toot! (iOS) ist Gab nicht mehr erreichbar. Ganz im Sinne des Föderations-Gedankens bleibt die Entscheidung über den Umgang mit dem neuen Mitglied aber jeder einzelnen Instanz überlassen.
Dieser Text ist ursprünglich erschienen auf mobilsicher.de und steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-ND-3.0.
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