Coverversion vs. Sampling: Wo liegen die Unterschiede und was gilt es rechtlich zu beachten?
Sowohl Coverversionen als auch samplingbasierte Musik, Remixes und Mashups haben ihre Berechtigung in der Musikwelt. Man muss nur wissen: Sie werden urheberrechtlich unterschiedlich eingestuft.
Daher muss man auch unterschiedlich vorgehen, wenn man eine Coverversion aufführen oder veröffentlichen beziehungsweise Samples für eigene Werke nutzen will.
Was ist eine Coverversion?
Das Urheberrecht versteht unter einer Coverversion eine Aufführung oder Neu-Einspielung einer bestehenden musikalischen Komposition.
In der Regel sind musikalische Kompositionen in Notationen festgehalten: Mittels einer Notenschrift wird der Verlauf eines Musikstücks Note für Note genau festgehalten. Parameter wie Tonhöhen, -längen und Lautstärke werden minutiös angegeben, damit die Aufführenden das Werk so genau wie möglich wiedergeben können – also möglichst so, wie es sich der*die Urheber*in gedacht hat.
Notationen können für ein oder mehrere Instrumente und Stimmen gedacht sein. Sie enthalten nicht nur die musikalischen Parameter, sondern oft auch den Text des Stücks. Der Text kann von derselben Person stammen, die die Komposition angefertigt hat; Text und Komposition können aber auch von verschiedenen Personen oder Gruppen sein.
Warum sind Coverversionen wichtig?
Sowohl in der klassischen Musik als auch im Pop oder im Jazz sind Aufführungen fremder Werke gang und gäbe; die Trennung zwischen Komponist*innen und Interpret*innen ist ein Merkmal der Arbeitsteilung in der Musikindustrie.
Über das Einstudieren fremder Werke lernen viele Menschen ein Instrument zu spielen. Dafür können sie im Fachhandel Bücher und Hefte mit Noten kaufen. Neuerdings sind Noten auch per App oder in anderer digitaler Form erhältlich.
Gerade in der Popmusik sind Cover ein beliebtes Aufführungskonzept. Viele junge Bands starten etwa mit Coverversionen, imitieren den Stil von erfolgreichen Künstler*innen und entwickeln erst nach und nach eigene Kompositionen.
Das heißt: Das Durchdringen, Erlernen und Verstehen fremder Musikstücke ist elementar für die musikalische Erziehung und Ausbildung. Dafür ist es notwendig, auf bereits bestehende Musik zurückgreifen und diese – auch öffentlich und vor fremdem Publikum – aufführen zu können.
Coverversionen und Urheberrecht
Das Urheberrecht erkennt die Wichtigkeit des Aufführens fremder Musik an. Nicht zuletzt beruht auch die Arbeit der Verwertungsgesellschaft GEMA auf der Aufführungspraxis.
Die GEMA vertritt die Interessen ihrer Mitglieder (Komponist*innen, Textdichter*innen und Verlage), treibt Gebühren für Musiknutzungen ein und verteilt die Gelder an ihre Mitglieder.
Die GEMA ermöglicht so auch Coverversionen von Stücken ihrer Mitglieder: Möchte ein*e Interpret*in eine Coverversion eines urheberrechtlich geschützten Stücks öffentlich darbieten – beispielsweise bei einem Konzert – und ist der Urheber des Originals Mitglied in der Verwertungsgesellschaft, so muss beim Urheber keine Nutzungserlaubnis eingeholt werden.
Allerdings hat der Urheber einen Vergütungsanspruch. Das heißt: Die Interpretin muss für die Coverversion an die GEMA Lizenzgebühren zahlen, die sie als Tantiemen an die Urheber ausschüttet.
Auch bei einer Veröffentlichung einer Coverversion auf CD oder in digitaler Form müssen Lizenzgebühren an den*die Urheber*in abgeführt werden. Diese richten sich in der Regel nach den Tonträger-Umsätzen beziehungsweise Abrufzahlen der gecoverten Stücke.
Ist der Urheber nicht Mitglied der GEMA oder einer anderen (ausländischen) Verwertungsgesellschaft, mit der die GEMA Verträge unterhält, so muss die Interpretin den Urheber um Erlaubnis bitten, wenn sie eine Coverversion seiner Komposition öffentlich darbieten oder anderweitig veröffentlichen will.
Coverst Du noch oder bearbeitest Du schon?
Das Urheberrecht schreibt vor, dass die Coverversion kompositorisch mit dem Originalstück übereinstimmen muss. Melodie, Rhythmus und zeitliche Struktur müssen so, wie es in der Komposition festgehalten ist, wiedergegeben werden. Auch der Text darf nicht verändert werden. Das Liedgut muss also unverändert und intakt bleiben.
Unter Berücksichtigung dieser Regeln kann man prinzipiell das Arrangement (Zusammenstellung der Instrumente) oder den Stil wechseln, etwa wenn der*die Cover-Künstler*in eine Gitarrenstimme durch ein Klavier ersetzt. Das ermöglicht unter anderem Genrewechsel, etwa von Jazz zu Rock.
Auch sind geringfügige Abweichungen prinzipiell erlaubt, etwa den Refrain am Ende des Stücks zu wiederholen, ohne dass die Notation eine solche Wiederholung vorsieht. Wichtig ist: Das Liedgut darf man durch diese Wiederholung nicht entstellen.
Dass bereits geringe Eingriffe in das Liedgut eine große Folge haben können, lässt sich auf der Textebene gut illustrieren: Durch das Einfügen einer Negation, etwa durch das Wörtchen „nicht“, verkehrt sich die Bedeutung eines Textes schnell in sein Gegenteil. Eine solche Veränderung wäre bei einer Coverversion nicht zulässig.
Schließlich muss die Coverversion als solche ausgewiesen werden, damit die Trennung zwischen Urheber*in und Interpret*in klar bleibt. In der Regel ist hier eine Angabe von Titel, Urheber*innen und Verlag ausreichend.
Weicht die neu entstandene Version wesentlich vom Original ab, etwa wenn der Text umgedichtet, die Melodie verändert oder andere eigenschöpferische Anteile hinzugefügt werden, so handelt es sich um eine Bearbeitung im Sinne des Urheberrechts.
Die Veröffentlichung und Verwertung von bearbeiteten Stücken setzt das Einverständnis der Urheber*innen (beziehungsweise ihrer Verlage) voraus. Die GEMA räumt solche Bearbeitungsrechte nicht ein.
Bei der Bearbeitung kann auch ein vollkommen neues Werk mit eigenständigem ästhetischem Charakter entstehen. Dabei müssen die Züge des bearbeiteten Werks hinter denen des neuen Werks zurücktreten und verblassen. Oder anders formuliert: Es muss ein hinreichend großer Abstand zwischen dem alten und dem neuen Werk entstehen.
Erschwerend kommt in der Musik hinzu, dass das Urheberrecht Melodien generell von dieser Regelung ausschließt. Für Laien ist die rechtlich einwandfreie Bewertung oftmals schwierig bis unmöglich.
Wo liegen die Grenzen der Coverversion?
Natürlich kennt man auch in der Musikindustrie die rechtlichen Möglichkeiten der Coverversion und reizt ihre Grenzen aus. Manche Verlage veröffentlichen auf Compilations (Zusammenstellungen) gezielt Neueinspielungen von bekannten Originalen, etwa wenn sie zwar deren Urheberrechte verlegen, nicht aber die Leistungsschutzrechte an den Aufnahmen vertreten. Das kann für Verbraucher*innen irreführend sein: Denn mitunter ist nicht gleich ersichtlich, ob es sich bei der Aufnahme um das Original oder ein Cover handelt.
2013 interpretierte der Schlagersänger Heino für ein Dutzend bekannter Popsongs im typischen volkstümlichen Stil und neuer Instrumentierung. Komposition und Text der Stücke blieben vollkommen intakt. Die Tantiemen wurden ordnungsgemäß an die gecoverten Urheber*innen abgeführt. Nicht alle waren damit einverstanden, von Heino gecovert zu werden. Doch es half nichts, Heinos Interpretationen waren rechtlich einwandfrei und wirtschaftlich verwertbar.
Auf Social Media Plattformen veröffentlichen oder verlinken viele Hobby-Musiker*innen Coverversionen bekannter Stücke. Diese können zugleich auch zur Werbung für das Original werden.
Zuletzt zeigte eine Website eine Zusammenstellung zahlreicher Coverversionen von Billie Eilishs „Bad Guy“: Knapp 17.000 Coverversionen, mit Stilen wie „Ukele“ oder „Punk“ getaggt, kann die Website nahtlos ineinander blenden. Die Website ist eine gemeinsame Kampagne von Billie Eilish und Youtube Music. Das zeigt, dass die Künstlerin das virale Potential der nutzergenerierten Versionen offensichtlich erkannt hat und für sich nutzen will.
Durch das Covern lassen sich die kompositorischen Vorgaben dehnen. Die Motivation der Musiker*innen, die Grenzen der Coverversion auszutesten, kann durchaus kreativ sein, zum Beispiel bei einer Parodie, einem ironischen Umgang oder einer produktiven Auseinandersetzung mit den Grenzen schriftlicher Notation.
Dadurch können Grenzen brüchig werden: Erhält ein Stück einen wesentlich neuen Charakter, wenn man es besonders langsam, laut oder launisch interpretiert? Handelt es sich um eine Bearbeitung, wenn (stille) Vorgaben der Instrumentierung bewusst ignoriert werden, zum Beispiel wenn eine Death Metal-Band eine sanfte Klavierballade gar nicht sanft zum Besten gibt? Oder wenn Sänger*innen einen traurig-ernsten Text in einer betont heiteren Stimmung performen?
Für Extremfälle gibt es den sogenannten Entstellungsschutz, der im Urheberpersönlichkeitsrecht verankert ist. Er greift beispielsweise, wenn eine rechtsextreme Band oder eine verfassungsfeindliche Partei ein Stück aufführt und die Urheber*innen das nicht dulden wollen. Näheres erläutert Fabian Rack in diesem Artikel.
Trotzdem: Es bleiben Fragen, die sich nicht pauschal beantworten lassen, sondern im Einzelfall betrachtet werden müssen, da sie vom Kontext abhängen.
Was ist Sampling?
Im Gegensatz zur Coverversion wird beim Sampling nicht ein komplettes Stück intakt aufgeführt, sondern nur ein Teil daraus entnommen (englisch „sample“: Probe, Muster) und für ein neues Stück weiter verarbeitet. Das Sample wird dabei nicht neu eingespielt, sondern direkt als Sound-Kopie übernommen.
Durch die Entnahme eines Sound-Samples ergeben sich zahlreiche Bearbeitungsmöglichkeiten: Oft verändert ein Sample schon dadurch seinen ästhetischen Gehalt, dass es aus dem Kontext entnommen und in einen anderen gestellt wird.
So kann beispielsweise ein kurzer Ausschnitt, wenn er als fortlaufende Schleife abgespielt wird, (sogenannter „Loop“) einen vollkommen anderen Charakter erhalten als im Original intendiert. Siehe dazu etwa die prägnante Melodiefigur aus Beethovens fünfter Sinfonie aus diesem oder diesem Beispiel.
Sampling ist zudem die Grundlage für Remixes und Mashups: Bei einem Remix wird ein Originalstück verfremdet und umgearbeitet, sodass es zwar immer noch zu erkennen ist, aber trotzdem einen neuen ästhetischen Charakter bekommt. Etwa, wenn aus einem romantischen Folksong ein pulsierender House-Track entsteht.
Beim Mashup kombinieren Musiker*innen weitere Samples miteinander; oftmals sind die Quellen der Samples sehr unterschiedlich. Das macht den ästhetischen Reiz eines Mashups aus.
Sampling und Urheberrecht (und Leistungsschutzrecht)
Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten zur Veränderung, Dekontextualisierung, Kombination und auch Verfremdung gelten Samples, Remixes und Mashups als Bearbeitungen im Sinne des Urheberrechts (siehe oben) und sind daher in aller Regel genehmigungspflichtig.
Samples berühren zudem nicht nur Urheberrechte im engeren Sinne – Musikkomposition und Textdichtung – sondern auch die sogenannten Leistungsschutzrechte. Das sind Rechte, die Personen oder Firmen zufallen, die nicht am eigentlichen Schöpfungsprozess des Werks beteiligt waren, sondern es lediglich einspielen, produzieren oder auf Platte pressen, etwa Sänger*innen, Instrumentalist*innen, Labelbetreiber*innen oder Tonträgerhersteller*innen.
Leistungsschutzrechte beziehen sich also vornehmlich auf die technischen und wirtschaftlichen Arbeiten bei der Aufnahme eines Stücks. Für diese Art von Rechten ist die GVL, die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, zuständig.
Nach derzeitiger Rechtsauslegung müssen Sampelnde bei der Verwendung von Samples neben den Urheberrechten auch die Leistungsschutzrechte klären. In ungünstigen Fällen können die genannten Rechte bei unterschiedlichen Künstler*innen oder Firmen liegen, was Mehraufwände bedeutet.
Lizenzierung von Samples
Eine einfache Anmeldung und Abrechnung von samplebasierten Stücken über Verwertungsgesellschaften – wie beim Covern über die GEMA – ist derzeit nicht vorgesehen. Zwar kann man über Verwertungsgesellschaften wie GEMA oder GVL Rechteinhaber*innen recherchieren und unter Umständen kontaktieren (lassen) – ein Recht auf Sampling oder Remix hat man im Gegensatz zur Coverversion jedoch nicht.
Die Verwertungsgesellschaften sehen einerseits keine entsprechenden Tarife dafür vor; andererseits handelt es sich bei Samples zumeist um zustimmungspflichtige Bearbeitungen. Die Rechteinhaber*innen müssen daher direkt angefragt werden.
Zwar wird seit vielen Jahren im Streit um das „Metall auf Metall“-Sample vor Gericht die Frage diskutiert, unter welchen Umständen Samples genehmigungsfrei sein können. So streiten der Musikproduzent Moses Pelham und die Gruppe Kraftwerk um ein kurzes Rhythmussample, das Pelham ohne Einwilligung verwendet hatte.
Allerdings ist der Fall nach wie vor nicht endgültig entschieden, so dass es bis auf weiteres der rechtssicherere Weg bleibt, sich für Samples direkt bei den Urheber*innen und Inhaber*innen von Leistungsschutzrechten zu melden und Lizenzen dafür zu erwerben.
Im Zwischenbereich von Cover und Samples
Die oben dargestellten Kriterien beziehen sich auf die Reinform von Coverversionen. Es gibt aber auch einige Varianten.
Manche Musiker*innen umgehen das Problem der doppelten Rechteklärung beim Sampling, indem sie einen Ausschnitt nicht als Klangkopie verwenden, sondern selbst einspielen. In der Folge müssen sie die Leistungsschutzrechte an der Aufnahme nicht mehr abklären, sondern nur noch die Urheberrechte, so denn an dem verwendeten Ausschnitt welche bestehen. Es gibt sogar Studios, die sich auf das Nachspielen von komplexen Originalen spezialisiert haben.
Mithilfe von Studiotechnik ist es auch kein Problem, ein Sample in unterschiedlichen Tonhöhen abzuspielen, es in seiner Gestalt wesentlich zu verändern und in seinem zeitlichen Ablauf zu variieren. So kann aus einem gesampelten Klang auch eine gänzlich neue Melodie kreiert werden, die mit dem Original gar nicht oder nur noch für geschulte Ohren in Verbindung gebracht werden kann.
Zwei Beispiele dazu: In diesem Fall wird mit Samples des einen Songs ein anderer Song gecovert. Und in diesem Fall entsteht aus einer Klaviermelodie ein neuer Basslauf.
Fazit
Während die GEMA Coverversionen vergleichsweise einfach genehmigt und allen Anfragenden gleiche Konditionen einräumt, wird es bei der derzeitigen Rechtslage mit Samples schnell kompliziert: Verschiedene Rechteinhaber*innen müssen pro Sample angefragt werden, die auch ablehnen oder beliebig hohe Beträge verlangen können. Je mehr Samples man verwendet, desto aufwändiger ist die Lizenzierung.
Von zahlreichen Komponist*innen ist bekannt, dass sie von der Aufführung ihrer Stücke profitieren, weil sie von der GEMA Ausschüttungen erhalten. Dass Coverversionen legal und über die gut geölten Verwertungsstrukturen der GEMA abrechenbar sind, erzeugt also einen realen wirtschaftlichen Mehrwert.
Bei Samples, Remixes und Mashups sind die Verwertungsstrukturen deutlich komplizierter. Und doch finden diese und ähnliche Verfahren im digitalen Raum zunehmend Anwendung – bei professionellen Akteur*innen wie von Amateur*innen gleichermaßen. Praxistaugliche, auch für Laien nachvollziehbare Regelungen sind daher notwendig.
Egal, welches Ergebnis am Ende des juristischen Tauziehens um das „Metall auf Metall“-Sample steht: Würden GEMA und GVL Verwertungsstrukturen für Samples anbieten, die analog zu den Verwertungsstrukturen der Coverversion lägen, profitierten davon unterm Strich alle Beteiligten: Die Gesampelten aufgrund neuer Einnahmequellen; die Sampelnden aufgrund funktionaler Strukturen; die Konsument*innen, weil sie mehr musikalische Kombinationen zur Auswahl bekämen; und schließlich die Verwertungsgesellschaften, die ähnlich wie für Coverversionen langfristig tragfähige und ertragreiche Verwertungsstrukturen aufbauen könnten.
1 Kommentar
1 Oliver Voigt am 1. November, 2022 um 16:14
Hallo iRights-Team,
ich rätsele an diesem Beispiel über folgendes:
Ein Chor singt einen Song von einem bekannten Künstler, das ist dann ja eine -ggf. als Chorversion arrangierte- Coverversion.
Jetzt mache ich -mit Einverständnis des Chores- eine Aufnahme des Stückes und verwende einen kleinen Ausschnitt davon in einem PodCast, z. B. als Ankündigung eines kommenden Konzertes.
Ist das dann auch ein Sample? Oder irgendwas anderes…oder gar nicht erlaubt? Und ist es ein Unterschied dazu, dass der Chor den Song selber z. B. als Hörbeispiel auf seiner Homepage abbildet?
Sorry, wenn das zu konkret ist, aber die Frage ist hier in der Kieler Chorszene schon ein paar Mal aufgetaucht und wir sind etwas ratlos.
Danke für Eure tollen Infos,
viele Grüße
OlliV.
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