CC-Lizenz und gesetzliche Nutzungserlaubnisse – was geht vor?

Bild: Creative Commons-Logo und Paragrafenzeichen, generiert von iRights.info mit Dall-E (gemeinfrei).
Nutzungshandlungen wie Zitate oder Parodien sind gesetzlich erlaubt, fallen aber auch in den Anwendungsbereich der CC-Lizenzen. Für die Nutzung kann es einen Unterschied machen, ob die gesetzliche Nutzungserlaubnis gilt oder die Lizenz. Denn Urheberrecht und CC-Lizenzen sehen häufig unterschiedliche Anforderungen an die Nutzung vor. Welche Regeln gelten in solchen Fällen – Lizenz oder Gesetz?
Das Urheberrechtsgesetz enthält eine Vielzahl gesetzlicher Nutzungserlaubnisse („Schranken“). Hierzu zählen beispielsweise die Privatkopie, die Pastiche-Regelung, das Zitatrecht oder die Unterrichtsschranke. Die Nutzung nach Schrankenbestimmungen ist in der Regel an Bedingungen geknüpft, beispielsweise Quellenangabe- oder Vergütungspflichten. Auch CC-Lizenzen enthalten solche Bedingungen, allem voran die Attributionspflicht (BY). Allerdings sind die Lizenzpflichten nicht immer deckungsgleich mit den gesetzlichen Bedingungen. Wenn sich Lizenz und Schranke überschneiden, stellt sich daher die Frage, ob die gesetzliche Schranke und ihre Bedingungen oder die Lizenzpflichten zu erfüllen sind.
Anwendungsbeispiele
Fall A): Musikalischer Mash-Up aus CC BY-lizenzierten Inhalten
Eine Künstlerin erstellt aus einer Vielzahl von Musik- und Videoschnipseln (die alle unter CC BY lizenziert sind) einen Mash-Up und veröffentlicht ihn auf einer Videoplattform. Für Vervielfältigungen und Veröffentlichung der urheberrechtlich geschützten Auszüge bedarf es einer Nutzungserlaubnis. Sie kann sich aus den CC-Lizenzen ergeben oder aus § 51a UrhG. Diese Schrankenbestimmung erlaubt Parodien, Karikaturen und Pastiches, worunter unter anderem Remixe und Mashups fallen. Da CC BY andere Nutzerpflichten vorschreibt als § 51a UrhG, muss die Mash-Up-Künstlerin wissen, ob ihre Nutzungsbefugnis auf der Lizenz oder dem Gesetz basiert.
Variante: Inhalte unter CC BY-ND-Lizenz mashen
Angenommen, die Künstlerin möchte einige Schnipsel verwenden, die unter einer CC BY-ND-Lizenz stehen. Diese Lizenz erlaubt kein Mashing, die Pastiche-Schranke hingegen schon. Sticht die Lizenzbeschränkung ND die gesetzliche Nutzungserlaubnis oder umgekehrt?
Grundlegendes Ziel der CC-Lizenzen: Nachnutzung erleichtern
Nach Ziffern 2.a.2 und 8.a der CC-Lizenzen soll die Lizenz gesetzliche Nutzungsfreiheiten in keiner Weise einschränken. Das heißt im Beispielsfall A): Würde CC BY gelten, müsste die Künstlerin Urheber-, Quellen und Lizenzhinweise für jeden Ausschnitt angeben (Abschnitt 3.a CC BY 4.0). Die Pastiche-Schranke nach § 51a UrhG verlangt dagegen keine Quellenangaben. Ähnlich verhält es sich in Beispiel B): Ist der Remix als Pastiche gemäß § 51a UrhG gesetzlich gestattet, gilt die ND-Restriktion nicht. Wenn die Schranke eingreift, muss die Künstlerin auch keine Quellen angeben und die Attributionspflicht (BY) nicht beachten.
Andere Schrankenbestimmungen binden die Nutzungserlaubnisse jedoch an Bedingungen, die für die Nutzenden ungünstiger sind als die Lizenz. Anders ausgedrückt: Sie sind restriktiver. Hier geht die Lizenz vor. Ansonsten käme es zu dem paradoxen Ergebnis, dass die Lizenz die Nachnutzung erschwert, indem sie gesetzliche Befugnisse der Nutzenden einschränkt. Das würde dem grundlegenden Ziel der CC-Lizenzen zuwiderlaufen, die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material zu erleichtern.
Die gesetzlichen Nutzungserlaubnisse gehen der Lizenz daher nur vor, wenn sie im Vergleich mehr Befugnisse und weniger Restriktionen vorsehen. Ob das so ist, unterliegt einer Gesamtbetrachtung, in die alle mit der gesetzlichen Nutzungserlaubnis einhergehenden Rechte, Beschränkungen und Pflichten einzubeziehen sind.
Diese ergibt, dass beispielsweise die Pastiche-Schranke in § 51a UrhG der Lizenz vorgeht, weil sie mehr Freiheiten eröffnet als eine CC BY- oder gar CC BY-ND-Lizenz (siehe dazu die Beispiele oben). Bei der Unterrichtsschranke in § 60a UrhG ist es dagegen umgekehrt. Sie erlegt den Nutzenden eine Vergütungspflicht auf (§ 60h UrhG). Weil die (vergütungsfreie) CC-Lizenz für die Nutzenden günstiger ist, geht die Lizenz vor.
Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation von iRights.info, dem Deutschen Bildungsserver und OERinfo. Der Text stammt von Till Kreutzer, steht unter der Lizenz CC BY 4.0 und wurde zunächst bei OERinfo veröffentlicht.
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DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/irights.32561 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar
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