Canva-Inhalte: Keine Empfehlung für OER
Wer Canva-Inhalte für offene Bildungsmaterialien (Open Educational Resources, OER) verwenden will, sollte vorsichtig sein. Eine Empfehlung zur Verwendung als OER kann nicht ausgesprochen werden. So einfach die technische Bedienung ist, so verwirrend sind Lizenzvielfalt und -bedingungen. Da Canva auch Material von den Drittanbietern Pexels und Pixabay einbindet, sind auch deren Lizenzbedingungen zu beachten.
Verschiedene Inhalte und Quellen, verschiedene Lizenztypen
Beim überwiegenden Teil der angebotenen Inhalte ist nicht eindeutig erkennbar, ob es sich um gemeinfreies oder CC0-lizenziertes Material handelt. Andere, explizit für OER geeignete Creative-Commons-Lizenzen wie CC BY oder CC BY-SA sucht man auf der Plattform vergebens. Vor allem sind Inhalte der Foto-Plattformen Pexels und Pixabay mit ihren jeweiligen Eigenlizenzen auf Canva vertreten. Daneben gibt es die Canva-eigene „Free Content License“ (kostenlose Inhalte für registrierte Nutzer*innen).
Nicht-kostenfreie Inhalte („Pro Content“) können ebenfalls erworben werden: entweder durch ein monatlich abgerechnetes Abo (derzeit 11 Euro pro Monat) oder durch Einzelkäufe (in der Regel 1 bis 2 Euro pro Inhalt). Für Musiktitel, die etwa im Hintergrund zu einem Video laufen sollen, bietet Canva ebenfalls Kauflizenzen an. Diese Angebote heißen „Pro Music“ und „Popular Music“, für die wiederum eigene Lizenzbedingungen gelten.
Lizenzen finden und erkennen
Um zu erkennen, welche Lizenz für welchen Inhalt gilt, braucht es ein paar Klicks – und gute Augen: Ist ein Design ausgewählt, muss der betreffende Inhalt (Grafik oder Bild) eigens angeklickt werden. Dann erscheint in der oberen Werkzeugleiste ein kleines umkreistes „i“, das die Lizenzinformation für den Inhalt anzeigt (hier im Screenshot rot eingekreist):
Bei Material von Pexels, Pixabay oder dem Canva-eigenen „Free Content“ erscheint dann eine Information, die die Inhalte als „Gratis“ anbietet. Hier im Screenshot wieder rot hervorgehoben:
Für die genauen Lizenzbedingungen muss man wiederum auf das „Gratis“ klicken. Dann öffnet sich ein Pop-up-Fenster. Für die „Gratis“-Lizenz heißt es dann:
„Lizenzierung ganz einfach. Alle Canva-Benutzer erhalten diese Medien kostenlos. Was ist alles erlaubt?
Du kannst diese Medien für unterschiedliche persönliche und kommerzielle Zwecke bedenkenlos in einem Canva-Design verwenden.
Du kannst diesen Beitrag für dein Marketing oder in den sozialen Medien verwenden oder Produkte mit deinem Design verkaufen.
Eigenständige Medien darfst du nicht weiterverkaufen, verbreiten oder als deine eigenen ausgeben.
Du kannst keine Designs schützen lassen, die Medien aus dem Stock enthalten. Das solltest du beim Erstellen von Logos beachten.
Weitere Informationen zu dieser Lizenz“
Leider gibt Canva über diesen Weg nicht präzise an, ob es sich um gemeinfreies bzw. CC0-lizenziertes Material handelt oder um solches, das aus den Quellen Pexels oder Pixabay eingespeist wurde. (Dies mag für OER-Freund*innen ärgerlich sein, es ist aber erlaubt: Gemeinfreies oder CC0-lizenziertes Material muss nicht als solches gekennzeichnet werden.) Allerdings bringt das Kleingedruckte der umfangreichen Lizenzbedingungen eigene Probleme mit sich.
Eigenlizenzen schränken ein und verwirren
Die Eigenlizenzen von Pexels, Pixabay und Canva selbst („Free Content License“) haben einige Einschränkungen, die sie für OER nicht gerade empfehlen. Einerseits unterliegen die Lizenzbedingungen möglichen Änderungen – man kann sich also nicht sicher sein, ob der Stand in einem oder drei Jahren noch der gleiche ist. Das schafft eine gewisse Unsicherheit.
Andererseits verbieten die Klauseln von Canva (hier unter „9. Prohibited uses“ zu finden) auch den Verkauf, den Vertrieb oder die Sublizenzierung der Inhalte. Solche Klauseln dürften vor allem darauf zielen, dass Nutzer*innen die Inhalte unverändert auf eigenen Plattformen kommerziell anbieten. Pexels und Pixabay haben ähnliche Einschränkungen.
Solche mit Eigenlizenzen versehenen Inhalte sind definitiv nachteilig für OER. Denn sie behindern die Nachnutzung, das Remixing und die Weitergabe durch nachnutzende Dritte. Zwar sehen die Canva-Vorgaben eine solche Kennzeichnung nicht verpflichtend vor. Über die ellenlangen Nutzungsbedingungen sollten Nachnutzende aber fairerweise schon informiert werden, damit sie einschätzen können, ob sie das Material überhaupt nutzen wollen oder können.
Auch die Verbindung aus „Free Content“ und „Pro Content“ ist problematisch: Nutzt man beide Inhaltstypen gemeinsam, gelten für daraus entstandene Resultate die strengeren Regeln der „Pro Content“-Lizenzen. Diese sehen unter anderem vor, dass die Inhalte maximal in einer Größe von 480.000 Pixeln (beispielsweise bei einem Bild in der Größe 600 mal 800 Pixel) genutzt werden dürfen. Ausnahmen gibt es, wenn das Bild in einer Canva-eigenen Umgebung publiziert wird. Auch solche Beschränkungen widersprechen definitiv dem Geist der OER-Bewegung, in der das Mantra gilt, Inhalte plattformunabhängig, rechtssicher und frei veröffentlichen zu können.
Erwirbt man ein Pro-Element im Rahmen eines Einzelkaufs, so darf das erworbene Element nur einmalig in einem Design bzw. Kontext eingesetzt werden. Für Nutzungen, die darüber hinausgehen, muss wieder neu bezahlt werden.
Fazit: Canva nicht empfehlenswert für OER
So einfach und intuitiv die Benutzeroberfläche von Canva auch ist – die diversen Lizenzbedingungen machen die Inhalte nicht gerade OER-freundlich. Im Grunde müsste bei jedem einzelnen Bild oder Grafikelement einzeln die Lizenz geprüft werden und wie sich diese in Kombination mit anderen Elementen auswirkt. Schon bei den auf Offenheit ausgelegten CC-Lizenzen ist das mitunter schwierig.
Die Hauptzielgruppe von Canva dürften kleine Firmen und Einzelpersonen sein, die sich eigenständig und ohne große Hürden ein Grafik-Produkt zusammenstellen wollen, z.B. eine Speisekarte für ein Restaurant, eine Kundenpräsentation, eine Visitenkarte oder einen Lebenslauf. Solche Produkte sind in der Regel nicht für Nachnutzung oder Remixes im Sinne von OER ausgelegt, entsprechend sind auch die hauseigenen Lizenzen von Canva dafür ungeeignet.
Besser geeignet sind Inhalte von Openverse, pxhere oder Wikimedia Commons. Dort ist schnell ersichtlich, unter welcher Lizenz die Materialien stehen und wie sie nachgenutzt werden können. Zur Bearbeitung der Inhalte gibt es das kostenlose und Open-Source-basierte Bildbearbeitungsprogramm Gimp, das vom Funktionsumfang etwa dem kommerziellem Adobe Photoshop entspricht. Leider ist Gimp nicht so intuitiv zu bedienen wie Canva und bietet auch keine Vorauswahl an Icons, Grafiken oder ähnlichem. Eine gleichwertige Alternative zu Canva, die mit OER-freundlichen Lizenzen arbeitet, scheint aktuell nicht erhältlich zu sein. Wir freuen uns daher über Hinweise und Empfehlungen in den Kommentaren.
Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation von iRights.info, dem Deutschen Bildungsserver und OERinfo. Der Text stammt von Georg Fischer, steht unter der Lizenz CC BY 4.0 und wurde zunächst bei OERinfo veröffentlicht. Er erscheint bei iRights.info mit minimalen Kürzungen.
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DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/6p2py-5rm62 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar
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