Koalition will mehr Rechte für Urheber, aber mehr Geld für Verleger (Update)
Das Vorhaben der Koalition kommt zwar nicht überraschend, aber plötzlich. Gestern Mittag legten die Fraktionen der Union und der SPD ohne vorherige Ankündigung einen gemeinsamen Änderungsantrag vor, der die geplante Reform des Urhebervertragsrechts um „Fragen der Verlegerbeteiligung“ erweitert.
Zwei Neuregelungen im Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) sollen demnach Verlegern ermöglichen, weiter an den Pauschalvergütungen über Verwertungsgesellschaften beteiligt zu werden. Für das Vorhaben hatte das Justizministerium bereits einen Entwurf erstellt, der im Juli bekannt wurde. In den Reformentwurf zum Urhebervertragsrecht wurden sie erst jetzt aufgenommen. Offenkundig waren in der Zwischenzeit weitere Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen erforderlich.
Während sich die Unionsfraktion unumwunden für die Legalisierung der Verlegerbeteiligung ausgesprochen hatte, die der Bundesgerichtshof im April gekippt hatte, ließ die SPD-Fraktion erkennen, dass sie der Legalisierung nur zustimmen wolle, wenn der Regierungsentwurf zum Urhebervertragsrecht bei zahlreichen Detailfragen geändert werde.
Verlegerbeteiligung soll wieder erlaubt werden
Die im jetzt vorliegenden Entwurf (PDF) enthaltenen Gesetzesänderungen entsprechen praktisch dem Vorschlag des Justizministeriums vom Juli. Das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) soll in Paragraf 27 geändert und um einen Paragrafen 27a erweitert werden, um eine weitere Beteiligung von Verlegern an der Kopiervergütung zu ermöglichen.
Zum einen sollen Urheber zustimmen können, dass Verwerter an der Kopiervergütung beteiligt werden, nachdem ein Werk veröffentlicht oder bei einer Verwertungsgesellschaft angemeldet wurde. Zum anderen sollen Verwertungsgesellschaften entscheiden können, das Geld unabhängig davon zu verteilen, wer die Rechte eingebracht hat.
Fraglich bleibt jedoch, wie eine solche Regelung mit Europarecht vereinbar wäre. Nach der als Reprobel-Urteil bekannten Entscheidung des EuGH sind nationale Regelungen unzulässig, mit denen Verlage auf Kosten der Autoren über Kopierpauschalen vergütet werden. Auch weiterhin verfügen Verlage jedoch – vom Presse-Leistungsschutzrecht abgesehen – über keine eigenen Rechte, die sie in eine Verwertungsgesellschaft einbringen können. Eben deshalb kippte der EuGH entsprechende nationale Regelungen und sprach die Kopiervergütung im Ergebnis den Urhebern zu.
Letzte Detailänderungen am Urhebervertragsrecht
Bei den Regelungen für Verträge zwischen Urhebern und Verwertern hat sich die Koalition noch auf Änderungen am Regierungsentwurf verständigt. Es handelt sich um Formulierungen im Detail, die nach Ansicht der SPD-Fraktion Urhebern zugute kommen.
So sollen vom Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft darüber, wie ein Werk verwertet wird, weiterhin bestimmte Urheber ausgenommen sein. Nun aber jene, die einen „lediglich nachrangigen Beitrag“ dazu leisten, statt solcher, deren Beitrag „untergeordnet“ ist, wie es ursprünglich geplant war (Paragraf 32d Absatz 2 im Entwurf). Das könnte dazu beitragen, dass der Anspruch für mehr Urheber besteht. Auch Beiträge von Programmierern zu Software sind nun nicht mehr generell vom Auskunftsanspruch ausgenommen.
Desweiteren soll das Auskunftsrecht der Urheber auf die „Lizenzkette“ ausgeweitet werden. Die Erweiterung zielt vor allem auf Urheber, die an Film- und Fernsehproduktionen beteiligt sind, an denen häufig viele Produktions- und Distributionsfirmen mitwirken. Mit der Erweiterung auf die Lizenzkette soll nicht nur ein (Haupt-)Verwerter Auskunft geben müssen, sondern auch weitere Beteiligte an der Verwertung.
Weitere Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf betreffen unter anderem die Regelungen zu Schlichtungen bei Vergütungsverhandlungen. Augenscheinlich wurde die Kritik an anderen Punkten des Entwurfs jedoch nicht aufgegriffen. Ein Vorgehen gegen schwarze Schafe etwa, die sich gemeinsamen Vergütungsregeln von vornherein entziehen, soll weiterhin nicht möglich sein.
Morgen Abstimmung im Bundestag
Nachdem die Koalitionsfraktionen gestern den Änderungsantrag vorstellten, wurde er nur wenige Stunden später in einer ad hoc einberufenen Sondersitzung des Ausschusses für Kultur- und Medien besprochen und beschlossen. Der bei dieser Gesetzesinitiative federführende Rechtsausschuss behandelt ihn heute (PDF), eine Verabschiedung des Antrags gilt als sicher. Im nächsten Schritt soll der Reformvorschlag samt der zwei Änderungsanträge morgen im Plenum des Bundestages (PDF) erörtert und zur Abstimmung gegeben werden.
Alles in allem zeigt der jetzige Entwurf, dass die SPD zwar noch einzelne versprochene Änderungen im Gesetzesvorhaben unterbringen konnte. Der Preis dafür war jedoch augenscheinlich ein großes Geschenk für Verwerter bei der Kopiervergütung.
Update, 15.12.2016: Stellungnahmen
Die Initiative Urheberrecht, ein Zusammenschluss von Urheberverbänden, unterstützt in einer Stellungnahme die Gesetzesänderungen. Diese würden trotz verbliebener Lücken dazu beitragen, „die gemeinsame Wahrnehmung der Interessen der Kreativen und Verwerter gegenüber z.B. Plattformbetreibern und Nutzern zu stärken“, heißt es. Begrüßt werden auch ausdrücklich die Neuregelungen zur Verlegerbeteiligung, weil damit „Irritationen beseitigt“ würden, die „die jüngste Rechtsprechung des BGH und des EuGH ausgelöst“ hätten.
Demgegenüber hält der Journalistenverband Freischreiber die angestrebte Verlegerbeteiligung für rechtswidrig, weil dafür ein allgemeines Leistungsschutzrecht für Verlage und eine kompatible EU-Regelung Voraussetzung sei. Wie es in einer Pressemitteilung (PDF) heißt, griffen auch die vorgesehenen Neuerungen zum Auskunftsrecht oder zum Verbandsklagerecht zu kurz, um die Position der Urheber gegenüber Verwertern zu stärken, weshalb der Verband das Reformvorhaben insgesamt ablehnt.
Für den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) sowie den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) nützt der geplante „anlasslose Auskunftsanspruch“ niemanden, er sei auch gar nicht nötig. Zudem würde das neue Verbandsklagerecht der grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit widersprechen, „weil es Journalistengewerkschaften und konkurrierenden Verlagen das Recht einräume, einen Mitgliedsverlag wegen jeder Abweichung von der Vergütungsregel abzumahnen“. Im Zuge ihrer gemeinsamen Stellungnahme deuten die Verlegerverbände an, dass sie die Regelungen verfassungsrechtlich prüfen lassen wollen und der Ansicht sind, gemeinsame Vergütungsregeln könnten eine kartellrechtlich unerlaubte Preisabsprache sein.
1 Kommentar
1 Detlef Lauster am 16. Januar, 2017 um 07:40
Verspottung der Urheber
Von Martin Vogel
Die Pressemitteilung der SPD zum neuen Gesetz titelt “Endlich mehr Rechte für Urheber”. Ähnlich äußert sich die CDU. Darin liegt eine nur schwer hinnehmbare Irreführung der Urheber, denen durch die Hintertür das ihnen zustehende Aufkommen aus ihren Rechten, die faktisch und rechtlich nur von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden können, drastisch beschnitten wird
https://www.perlentaucher.de/essay/die-neuregelung-der-verlegebeteiligung-eine-irrefuehrung-der-urheber.html
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