Bundestag beschließt Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Der Bundestag hat die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage (LSR) am Freitag mit den Stimmen der Regierungskoalition auf den Weg gebracht. Zwei Parlamentarier der Union und vier der FDP stimmten gegen das Gesetz, darunter die Netzpolitiker Jimmy Schulz (FDP) und Dorothee Bär (CSU). SPD, Linke und Grüne lehnten das LSR geschlossen ab. Die Liste mit den namentlichen Abstimmungen findet sich hier. Die Grünen scheiterten mit dem Antrag, die LSR-Debatte von der Tagesordnung zu nehmen, weil verfassungs- und europarechtliche Fragen nicht geklärt seien.
Mit dem LSR erhalten Presseerzeugnisse wie Nachrichten-Texte im Internet einen gesetzlichen Schutz, und zwar für einen Zeitraum von einem Jahr nach Veröffentlichung. Wer die Texte gewerblich nutzen will, muss die Verlage um Erlaubnis fragen und gegebenenfalls Lizenzgebühren zahlen. Unklar bleibt, ab wann das Recht greift.
“Nur Google kann sich den Spaß leisten”
Anfang der Woche hatten sich Union und FDP auf einen neue Formulierung geeinigt. Nun sind Presseerzeugnisse geschützt, “es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte”. Unklarheit gibt es allerdings zur Frage, ob damit Textschnipsel (“Snippets”) ausgenommen sind, die Suchmaschinen und News-Aggregatoren bei Verlinkungen anzeigen. Wären sie ausgenommen, müsste Google als größter Suchmaschinenbetreiber und entschiedener Gegner des ursprünglichen LSR-Entwurfs keine Lizenzabgaben an die Verlage zahlen. “Die Textausschnitte, die Suchmaschinen in ihren Ergebnislisten anzeigen, fallen künftig nicht mehr unter das Gesetz”, erklärte der FDP-Netzpolitiker Manuel Höferlin am Mittwoch. Zugleich räumte er aber ein: “Eine konkrete Textlänge, die lizenzfrei von Suchmaschinen und Nachrichten-Aggregatoren angezeigt werden darf, steht (…) noch nicht fest.”
Im Bundestag äußerte der FDP-Rechtspolitiker Stephan Thomae zur Snippet-Frage: “Die Wiedergabe von kleinen Textausschnitten, die einfach nur notwendig sind, um das Suchergebnis zu beschreiben, es in einen Kontext zu stellen, soll erlaubt, soll frei sein.” Der CDU-Politiker Günter Krings erklärte zugleich: “Die Ausnahme, die wir (…) beschlossen haben, ist nicht dazu geeignet, dass Suchmaschinen insgesamt herausfallen.” Schnipselangebote von Suchmaschinen – Krings’ deutsche Übersetzung von “Snippets” – würden immer noch unter das Leistungsschutzrecht fallen, wenn sie “über eine Überschrift und wenige Worte hinausgehen”. Wie viele Worte noch “wenige” Worte sind, sagte Krings nicht. Mit Anspielung auf Google kommentierte er: “Es ist ein ermutigendes Fazit dieses Gesetzgebungsverfahrens, dass auch Weltkonzerne des Internets die deutschen Gesetze beachten müssen, dass sie nicht über dem deutschen Gesetz stehen.”
Volker Beck (Grüne) kritisierte im Bundestag (Vorläufiges Protokoll), dass LSR überlasse am Ende Konzernen, Verlagen und Gerichten die Entscheidung, bei welchen Textlängen noch von Textauszügen gesprochen werden kann, ab wann es also greift oder nicht. “Sie schicken die Unternehmen, sowohl die Presseverlage als auch die Suchmaschinenbetreiber und Content-Anbieter, vor die Gerichte”, so Beck an die Regierung gerichtet. Das könnten sich aber nur die Unternehmen leisten, die eine große Rechtsabteilung haben. “Damit führen Sie eine Marktbereinigung zugunsten von Google durch; denn kein anderes Internetunternehmen wird sich diesen Spaß leisten können.” Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, pflichtete Beck bei. Das LSR sei nichts anderes als eine “Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwälte.”
Hält der Bundesrat das LSR noch auf?
Die Höhe möglicher Lizenzgebühren bleibt zunächst den einzelnen Verlagen überlassen und hängt damit auch von ihrer Marktmacht ab. Das Gesetz verpflichtet die Verlage nicht, ihre Ansprüche über eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft geltend zu machen.
Für das LSR stimmten 293 Abgeordnete. 243 votierten dagegen, drei enthielten sich. Der Bundesrat berät das LSR im März erneut. Zwar kann die Länderkämmer das Gesetz mit ihren Einwänden nicht komplett blockieren, aber verzögern. Theoretisch wäre so auch noch ein Scheitern möglich, wenn der Gesetzgebungsprozess nicht rechtzeitig vor den Bundestagswahlen im September abgeschlossen wird.
Die teils leidenschaftlich geführte Debatte vor der LSR-Abstimmung lässt sich auf den Seiten des Bundestages nachverfolgen. Dort sind die Redebeiträge folgender Abgeordneter als Video verfügbar (chronologische Reihenfolge): Stephan Thomae (FDP), Brigitte Zypries (SPD), Günter Krings (CDU), Petra Sitte (Linke) , Konstantin von Notz (Grüne), Manuel Höferlin (FDP), Lars Klingbeil (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Tabea Rößner (Grüne), Thomas Silberhorn (CSU).
Reaktionen
Wirtschaft
Die Verleger-Verbände VDZ und BDVZ erklärten, der verabschiedete Text berücksichtige nicht alle Vorstellungen der Verleger. Trotzdem sei das LSR ein “wichtiges Element eines fairen Rechtsrahmens für die digitale Welt”. Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel Springer AG, twitterte: “Das beschlossene LSR bildet einen guten Rechtsrahmen für Journalismus im Netz. Es ist besser und wirkungsvoller, als Kritiker vermuten.” Die Verleger-Verbände und Keese hatten sich in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt, auch kleinste Teile von Presseerzeugnissen mit dem LSR zu schützen, also auch Snippets, wie sie Suchmaschinen anzeigen. Damit konnten sie sich nicht durchsetzen.
Die Google-Pressestelle twitterte: “Bundestag: ja zu wischi-waschi-lsr”. Kay Oberbeck, Sprecher von Google Deutschland, kommentierte: “Suchergebnisse in bewährter Form sollen zwar weiterhin nicht erfasst werden, doch das Gesetz bleibt schädlich für Nutzer und kleine Unternehmen.” Jetzt liege es am Bundesrat, “einen dauerhaften Schaden für das Internet in Deutschland zu verhindern”. Frank Westphal, Macher des News-Aggragotors Rivva, kommentierte, er könne und müsse mit dem LSR in der zuletzt geänderten Fassung leben. Er könne im Moment nicht erkennen, wie Rivva vom LSR betroffen wäre. Trotzdem bleibe ein Risiko.
Urheberverbände
Freischreiber, der Verband freier Journalisten, hat das LSR in jüngster Fassung bereits Mitte der Woche kritisiert: “Google gewinnt, frei Journalisten verlieren.” Die Interessen der Freien drohten im Kampf der Giganten zermahlen zu werden. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte den Bundestag aufgefordert, dem LSR nicht zuzustimmen. Im aktuellen Gesetzestext seien Interessen der Urheber nicht ausreichend berücksichtigt. So fehle ein in der Höhe festgelegter angemessener Vergütungsanspruch für die Journalisten und eine Anerkennung ihrer Urheberrechte. „Der Gesetzgeber muss berücksichtigen, dass die mit diesem Recht zu schützenden Leistungen ganz wesentlich auf der Arbeit von Journalisten beruhen“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken vor Abstimmung. „Es wäre absurd, wenn deren Interessen nur als Randnotiz im Gesetz erscheinen.“
Politik
Günter Krings und Ansgar Heveling (beide CDU) erklärten für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, man wolle mit dem LSR den Schutz von Presseerzeugnissen im Internet verbessern und den Qualitätsjournalismus in Deutschland stärken. “Die Presseverleger erhalten ein eigenes Recht, um ihre verlegerische Leistung auch im Online-Bereich vermarkten zu können.” Die Koalitionsfraktionen hätten klargestellt, dass “einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte” nicht in den Anwendungsbereich fallen.
Jimmy Schulz, netzpolitischer Sprecher der FDP, stimmte gegen das LSR. Zur Begründung erklärte Schulz, das LSR sei nicht die richtige Antwort auf die Herausforderungen, vor denen die Presselandschaft in Deutschland angesichts der Digitalisierung steht. Zudem lasse es sich nicht begründen. “Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers überkommene Geschäftsmodelle staatlich zu schützen, oder gar neue zu entwickeln. Es ist vielmehr Aufgabe in einem solchen Fall die Möglichkeit für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu eröffnen. Das wird mit diesem Gesetz nicht erreicht.”
Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der Links-Fraktion im Bundestag, erklärte: „Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage dient allein großen Pressekonzernen. Es ist ein von ihnen und ihren Lobbyisten erpresstes Gesetz.” Vier Jahre lang hätten die Verlage Springer und Burda auf Politik und Bundesregierung Einfluss genommen, um ein “absurdes Gesetz” zu erhalten.
Bruno Kramm, Urheberrechtsbeaufttragter der Piratenpartei, erklärte: “Der deutsche Alleingang eines LSR zeigt, wie fremdbestimmt die Regierung lobbyistische Entwürfe – hier des Axel Springer Verlags – verabschiedet.” Der Entwurf des LSR sei dabei nicht nur ein dahingehuschtes Gesetzespapier, das neue Rechtsunsicherheiten produziert und den Abmahnanwälten ein riesiges Spektrum neuer Geschäftsfelder eröffnet. “Das LSR verhindert auch den Wettbewerb für kleine innovative Marktteilnehmer, die mittels Presseausschnitten und Snippets den digitalen Wandel in eine Wissensgesellschaft vorantreiben.”
Konstantin von Notz, Sprecher für Innen- und Netzpolitik der Grünen, kommentierte, dass LSR sei “einfach schlecht” und schwäche den IT-Standort Deutschland. Das trage Gesetz zu einer weiteren “Monopolisierung im Bereich der Suchmaschinen” bei. Seitens der Verlage sollte man eher “eigene Geschäftsmodelle entwickeln und nicht um ein Leistungsschutzrecht bitten”.
iRights.info hat das LSR von den ersten Diskussionen im Jahr 2009 bis zur heutigen Verabschiedung mit Berichten, Analysen und Kommentaren begleitet. Alle bisherigen Artikel finden sich hier.
2 Kommentare
1 Wolf Garbe am 4. März, 2013 um 10:51
Die verteilte Suchmaschine FAROO schlägt eine Erweiterung der robots.txt vor, um das Leistungsschutzgesetz zu entschärfen.
http://blog.faroo.com/2013/03/03/leistungsschutzrecht-aus-sicht-einer-suchmaschine/
Das Leistungsschutzgesetz sieht keine Kennzeichnungspflicht der unter das Leistungsschutzrecht fallenden Inhalte vor.
Außerdem bleibt es bei deren Definition vage, insbesondere bezüglich Blogs und zulässiger Zitatlänge.
Mit der vorgeschlagenen robots.txt Erweiterung können Anbieter mit einer maschinenlesbaren Lizenz die kostenlose Nutzung von Überschriften und Textausschnitten einer definierbaren Länge gestatten.
Erst dies ermöglicht es Suchmaschinen und Aggregatoren ihren Service rechtssicher aufrechtzuerhalten, auf Basis freier Inhalte und unter Verzicht auf vom Leistungsschutzgesetz betroffener Inhalte.
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